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Laufberichte

Ritter Sport

24.02.13

Nicht die feine englische Art

 

Ich hatte schon fast mein Ziel - nämlich schnellste Deutsche sein zu wollen – vergessen, als mir folgendes passiert: Auf einer langen breiten Gerade kann ich schon von weitem ein Läuferpaar erkennen. Sie schon etwas angeschlagen, er auf sie einredend tänzelnd daneben. Ich weiß nicht warum, aber ich habe die folgende Situation genauso vorausgeahnt.

Ich laufe mit jetzt größer werdenden Schritten auf die beiden auf und setze zum Überholen an. Währenddessen drehe ich meine Startnummer vom Hinten nach vorne. So können die beiden nicht erkennen, ob ich eine Marathonläuferin oder eine Halbmarathonläuferin bin. Jetzt kommt, was kommen muss. Ich spüre die ungläubigen Blicke in meinem Genick, kurz darauf schießt der „Tänzer“ an mir vorbei, um meine Startnummer vorne am Bauch zu erkennen. In diesem Moment drehe ich diese zur Seite und ziehe meinen Schritt noch weiter an. Mein Lächeln nimmt er nicht mehr wahr. Ja, ich weiß, vielleicht war das nicht die feine englische Art, aber Spaß hat es trotzdem gemacht und ihr wisst jetzt, für was ein Startnummernband alles gut sein kann.

Auch wenn es mich eine gehörige Portion Kraft kostet, den schnellen Schritt von eben behalte ich bei, man weiß ja nie, wer von hinten kommt. Nach 36 Kilometern erhalten wir die erste feste Nahrung in Form eines saftigen Stück Orange. Es ist so ein reines Geschmackserlebnis, wie der erste Apfel nach einer Woche Fasten. Dieses Geschmackserlebnis lenkt zumindest von dem nächsten Anstieg ab. Doch wo es rauf geht, geht es auch meistens wieder runter. Wie durch einen Kessel pfeift der Wind durch die schmale Straße, die direkt auf das Hafenbecken führt. Die Luft schmeckt leicht salzig.

Das Wasser ist nur wenige Schritte entfernt. Segelboote und Yachten dümpeln rechts im Bild, links Busse und PKWs, irgendwo plätschert leise ein Brunnen. Noch drei flache Kilometer liegen vor mir. Ich schaue erstmals auf die Uhr. 3:45 Stunden gelaufen, kann ich vielleicht am Ende sogar unter vier Stunden ins Ziel einlaufen? Normalerweise interessiere ich mich nicht für die eigene Laufzeit, aber diese Möglichkeit beflügelt.

Das Publikum am Rande der Strecke wird mehr und mehr. Die Stimmung immer größer, jedoch das Slalomlaufen um die noch immer massenhaften Walker kostet Zeit und Kraft. Man kann sich kaum vorstellen, wie lange plötzlich auch noch die letzten zwei Kilometer sein können. Eine innere Stimme sagt: „Nun tu endlich mal was! Streng dich an, gib dir mehr Mühe!“ Diese Stimme klingt wie ein innerlicher Antreiber.

Jede der beiden Uhren der dem Heiligen Josef geweihten  Kirche zeigen eine andere Uhrzeit an. Was aber soll ich nun glauben? Auf Malta gehen tatsächlich viele Kirchturmuhren falsch. Manche sind auf die Kirchtürme nur aufgemalt und ticken überhaupt nicht. Andere gehen immer falsch. Das soll den Teufel verwirren, damit er nicht rechtzeitig zum Gottesdienst kommt und dort die Gläubigen stört.

An der Uferpromenade mischt sich der Geruch des nahen Meeres mit dem des Benzins und dem Schweißgeruch auf meinem Shirt. Vor uns liegt Sliema Creek, Anlegestelle vieler Rundfahrtschiffe und Fähren. Das Ziel in Maltas lebhafter Stadt ist fast erreicht. Die Zuschauermassen tragen einen regelrecht ins Ziel. Was der Moderator sagt, kann ich nicht verstehen. Aber ich verstehe zum ersten Mal, warum sich Läufer im Ziel ärgern, wenn sie eine Minute länger gebraucht haben, als sie sich vorgenommen haben. That´s life.

 

Die große Belagerung

 

Der krönende Abschluss ist wie ein endgültiger Beweis für unsere Tauglichkeit zum Ritter. Die Galere von St. John ziert die gewichtige Medaille in Gold. Als sie mir um den Hals gehängt wird, ist das wie ein Ritterschlag.

Unterwegs sind noch die, die sich den Luxus gönnen, die Zeit folgenlos verstreichen zu lassen. Die Läufer, die keine Minute zu verschenken haben, sind schon längst im Ziel und Lukas ist bereits auf der Rückreise. Wer jedoch mit seinem Lauf unter drei Stunden bleibt, der könnte schnell auf die nächste Fähre springen und in die Stadt Valletta, die majestätisch auf der gegenüberliegenden Seite thront, übersetzen. Dort käme er gerade noch rechtzeitig in der St. Barbara Church zur Deutsch gelesenen Messe. 

Übrigens fanden die Gebeine der Kreuzritter ihre letzte Ruhestätte unter hunderten von Grabplatten in der St. John's Co-Cathedral von La Valletta. Sie ist die Schwesterkirche der Kathedrale von Mdina. Egal wie kurz oder lang ein Aufenthalt auf Malta ist, dorthinein sollte jeder einmal geschaut haben. Aber auch viele andere Sehenswürdigkeiten liegen so dicht beieinander und können locker besucht werden. Einmalig für Europa: die ganze Stadt La Valletta steht unter Denkmalschutz.

Malta lässt fast keinen Wunsch unerfüllt. Wir sagen: „Grazzi hafna“, „Thank you“, „Grazie“, “Mercie“ und „Danke“!

Übrigens: Den Malteser Aquavit kann man zwar auf Malta kaufen, er stammt aber nicht von hier, dafür aber Playmobil. Hier werden fast alle Playmobilfiguren hergestellt, die man bei uns kaufen kann. Es sind um die 60 Millionen Figuren im Jahr, also etwa zwei pro Sekunde.

Marathonstatistik: Finisher 403 aus 32 Ländern, 332 Männer und 71 Frauen. 60 Teilnehmer kamen aus Deutschland, davon 47 Männer und 13 Frauen. Über 218 der Teilnehmer liefen mit einer Zielzeit von unter 4:00:00 Stunden ins Ziel. Ein letzter deutscher Sieg bei den Damen liegt zwölf Jahre zurück. Mein persönlich gestecktes Ziel habe ich leider nicht geschafft, dafür aber Beatrice Walther in schnellen 3:30:09 Stunden. Für mich bleibt Platz vier auf meiner persönlichen Rankingliste.

Resümee: So ein Frühlingsmarathon ist keine sanfte Sache, sondern tückisch und gefährlich: Er untergräbt die Disziplin, verführt zu Ausschweifung und Selbstverschwendung- was bleibt ist ein dicker Muskelkater. Denn es war ja nur ein paar Tage wie im Frühling- zuhause wird es wieder Winter sein.

 

Was man noch wissen sollte:

 

Wettbewerbe: Neben dem Marathon werden auch ein Halbmarathon, ein Rennen über 10 Kilometer und der „Walkathlon“ ausgerichtet. Die Wertung der Altersklassen erfolgt nur für den  1. und 2. Platz. Mädels aufgepasst: Als Siegesprämie winken Schuhgutscheine!
Streckenprofil: Marathon etwa 200 Höhenmeter, Punkt zu Punkt Strecke.

Verpflegung Marathon: 8x Wasser, 1x Orangen (KM 36), 5x Schwämme, 3x Powerrade (KM 11, KM 29, KM 38). Noch mehr Wasser und Powerrade bekommt man im Ziel zusätzlich Bananen und ein Subway Baguette.

Temperatur: 13 – 20°C

Am Tag danach: auf Maltas Straßen ist ein anderes Publikum unterwegs. Vereinzelt sieht man aber schon wieder Läufer an der Hafenpromenade joggen. Wir haben einen anderen Plan… Demnächst zu lesen unter www.trailrunning.de.

Aufgestöbert: Fünf von fünf Reiseführen zeigen die bunten Fischerboote auf dem Cover. Wir konnten dieses Motiv im Fischerdorf Marsaxlokk wiederfinden. Einen Espresso mit einem süßen Teilchen genießt man am besten in Vallettas ältestem Café (caffecordina). 

 

.... und hier gibt es noch einen Bericht 
und viele Bilder über Trailrunning auf Gozo

 
 

Informationen: Malta Marathon
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