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Laufberichte

Drei Inseln und 360 Kirchen

 

Der maltesische Nationalpark kündigt sich an, Trimm-dich-Geräte inbegriffen. Ein Läufer aus Rügen klagt über den heftigen Sturm, obwohl er als Inselbewohner eigentlich daran gewöhnt ist. Mir selbst und vielen anderen passiert es, dass der führende Fuß vom Wind vor den anderen geblasen wird und man Probleme hat, nicht über seine eigenen Füße zu stolpern. Die Startnummern aus dünnem Plastik knattern im Wind und ich habe als Kontaktlinsenträger Probleme mit dem Staub in meinen Augen. Aber dafür scheint wunderschön die Sonne. Ohne den Wind wäre es sicher zu warm.

Noch einmal laufen wir an der großen US-amerikanischen Botschaft am Ende der ehemaligen Start- und Landepiste vorbei. Viele Fotografen stehen an der Strecke. Der Sponsor Vodafone ermöglicht eine direkte Übertragung der Bilder ins Internet, samt Zeit und Geschwindigkeit.

Genießen wir einen letzten Blick auf Mdina, das uns jetzt über 22 km begleitet hat. Kurz vor km 26 stoßen wir wieder auf die Triq L-Mdina mit ihren Baumreihen. Triq heißt einfach Straße; diese kommt von Mdina her, ebenso wie eine große Schar von langsamen Halbmarathonis und Walkern. Das kurz hintereinander liegende „Trio“ aus Wasserstelle, Iso-Stelle und Schwammverteilung kennen wir noch von km 6, Vorräte sind dort auch jetzt noch reichlich vorhanden. Bei den Schwämmen gäbe es auch einige Toilettenhäuschen, ebenso noch mal bei km 32.

Es geht wieder sanft bergab. Oft sieht man die Musikanten erst auf den zweiten Blick. Sie stehen windgeschützt in Hofeinfahrten oder ähnlichem. Ein kleines Highlight erwartet uns in den Gassen von Ħ'Attard. Hier herrscht besonders gute Stimmung. Wieder auf der Triq L-Medina kommen wir an der libyschen Botschaft vorbei. Dann sorgt der L-Akwedott ta' Wignacourt, benannt nach einem Johanniter-Großmeister, für Abwechslung: Der 1615 eingeweihte Aquädukt brachte Wasser aus der Gegend von Rabat nach Valletta. Wie immer wunderschöner, gelb strahlender Kalkstein. Interessant für den Läufer: Wird der Aquädukt größer, laufen wir bergab. Wird er kleiner, geht es für uns spürbar nach oben.

Sechs Bands erwarten uns auf den folgenden drei Kilometern durch ein Industriegebiet. Dann geht es auf eine Schnellstraße. Seit km 26 ist die Lauf- und Walkstrecke auch ordentlich gesichert. Die Straßen mit diversen Überführungen schaffen Ausblicke auf das Häusermeer. Judith ist inzwischen auf und davon. Ich nutze jede Gelegenheit für einen Foto-Stopp. Es ist sportlich gesehen nicht so mein Tag heute. Und ich habe furchtbaren Kohldampf. Meine Geltütchen liegen im Kleiderbeutel, den ich am Start bei einem der zahlreichen DHL-Fahrzeuge abgegeben habe. An den vielen Verpflegungsstellen werden nur Wasserflaschen gereicht, dreimal außerdem Iso-Getränke in handlichen Mini-Fläschchen. Bei km 36 dann die „Orange Station“. Da wird kräftig zugeschlagen.

Es geht auf Valletta zu. Die Stadt, im 16. Jahrhundert nach damals modernsten Erkenntnissen der  Militärarchitektur im Schachbrettstil angelegt, war wegen einer gigantischen Festungsanlagen  berühmt. Unzählige Angriffe konnten die Ritter des Johanniterordens, deren Großmeister wie Könige herrschten, abwehren. Auch später wollten viele Nationen die Insel einnehmen. Im Zweiten Weltkrieg versuchte es Italien, worauf die deutsche Luftwaffe die Hafenanlagen und die umliegenden Städte bombardierte. Die Ruinen der königlichen Oper in Valletta, die der italienische Stararchitekt Renzo Piano in eine Freilichtbühne integriert hat, vermitteln heute noch einen Eindruck davon. Viele andere Gebäude wurden im alten Stil wieder aufgebaut.

Ein Beispiel durchweg moderner Architektur ist das brandneue, ebenfalls von Renzo Piano entworfene Parlamentsgebäude am Eingang zur Hauptstadt, wegen seiner Oberflächengestaltung von den Maltesern auch „cheese grater“ („Käsereibe“) genannt. Wir werden nach der ersten Bastion hinab zum Meer geführt. Höhe 0 ist erreicht. Nach meiner Messung ging es 270 Höhenmeter bergab und 120 Meter bergauf.

Das grandiose Finale beginnt: Immer am natürlichen Hafenbecken entlang, kommen wir dem Ziel immer näher. Rechts die Silhouette von Valletta. Markant die Kuppel der Karmelitenkirche Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel, 1958 bis 1981 neu errichtet. Auch erst aus dieser Zeit stammt die 42 Meter hohe Kuppel. Die Kirche sollte imposanter werden als die anglikanische Pro-Kathedrale St. Pauls davor, die 1839 von der britischen Königswitwe Adelaide gestiftet wurde, da sie auf Malta keine Kirche ihrer eigenen Konfession vorfand. Generationen von Maltesern haben dafür gesorgt, dass es auf der Insel unzählige riesige Gotteshäuser gibt. Jede Gemeinde wollte die eindrucksvollere besitzen. Landesweit soll es mehr als 360 Kirchen sein.

Die hübsche Sängerin von der Gruppe Milk Mi kommt auf mich zugelaufen und singt „I want to marry you“. Sehe ich nach all der Anstrengung tatsächlich noch so gut aus? Später erfahre ich von Judith (die hier schon lange durch ist), dass die Sängerin das mit anderen Läufern genauso hielt. Schade – aber ich war sowieso zu alt für sie. Eine Girlande mit Herzchen gilt es noch zu unterqueren – da hat wohl jemand wirklich geheiratet.

Ich höre einen Spielmannszug mit Schellenbaum. Was es hier nicht alles gibt. Dann schwenken wir auf „The strand“ ein, eine mondäne, palmengesäumte Prachtstraße am Hafen. Noch einmal ein BMW-Motorrad mit der Aufschrift Pulitzija (das bedeutet Polizei und hat mit dem italienischen Wort für Saubermachen nichts zu tun) und das weiß-blaue Rauten-Logo.

Der Applaus unzähliger Menschen (Vodafone hat sogar einen mobilen Handymast aufgestellt)  trägt uns über die letzten Meter. Geschafft. Im Ziel dann endlich Bananen, Iso, Energieriegel, Wasser. Die schwere Medaille zeigt die Silhouette von Malta mit der Marathonstrecke und auf der Rückseite das Logo des Titelsponsors. Linker Hand bieten sich Massagemöglichkeiten. Das vermutlich kostenlose Speiseeis ist leider schon verteilt. Bier kann man beim German Sausages-Stand kaufen.

Die deutschen Reiseveranstalter sammeln ihre Siegerinnen und Sieger ein. Mit 200 Teilnehmern an allen Wettbewerben liegen wir hinter 488 Briten und 264 Italienern auf Platz drei einer langen Staatenliste (AUT: 18, SUI 15).  Unter den Österreichern ist auch Ländersammler und M4Y-Kollege Anton Reiter aus Wien. Stimmt, mit Malta haben auch wir unsere Marathonliste um ein weiteres Land ergänzt.

Abends geht es noch ins Meridien-Hotel zur Siegerehrung. Vor deren Beginn gedenken wir des 55-jährigen, erfahrenen Läufers Mike Freeman aus Essex/Großbritannien, der kurz vor dem Ziel einen Schwächeanfall erlitt und auf dem Weg ins Krankenhaus verstarb. Seine letzten Worte zu seiner mitlaufenden Ehefrau waren: 'Next year eh!'

Die M4Y-Co-Autorin Judith muss sich in ihrer Altersklasse denkbar knapp einer UK-Läuferin geschlagen geben und kann nun im Handgepäck eine kleine, aber glücklicherweise leichte mundgeblasene Glastrophäe mit nach Hause nehmen. Helen Zuber aus der Schweiz wird Elfte im Gesamtklassement der Frauen.

Fazit: Ein internationaler Marathon mit viel Musik und vielen neuen Eindrücken bei frühlingshaftem Wetter im kleinsten EU-Staat wartet auf euch.

 

Noch besonders sehenswert

 

Auf der kleinen Schwesterinsel Gozo:

 

Die prähistorische Megalith-Tempelanlage Ggantija, die zum UNESCO-Welterbe gehört und zu den ältesten freistehenden Kultbauten der Welt zählt, der bizarre Felsen „Azure Window“, ein Tor aus Stein von 20 m Höhe und 100 m Breite und die Zitadelle von Victoria.

Außerdem gibt es hier eine – leider mehr und mehr verfallende - Grotte, in der die Nymphe Kalypso den trojanischen Kriegshelden Odysseus sieben Jahre festgehalten haben soll.

 

 

In der Hauptstadt Valletta:

 

Die St. John's Co-Cathedral, die zwei bedeutende Gemälde von Caravaggio beherbergt, der ehemaligen Palast der Großmeister und die eindrucksvolle Waterfront mit dem Kreuzfahrtterminal.

Bootsfahrt durch den historischen Grand Harbour von Valletta, einen der tiefsten Naturhäfen Europas, zu den geschichtsträchtigen „Three Cities“ Vittoriosa/Birgu, Cospicua und Senglea, wo die Johanniterritter vor der Erbauung Vallettas wohnten.

 

In der Umgebung:

 

In der Nähe befinden sich die Steinzeittempel von Tarxien sowie das Hypogäum von Ħal-Saflieni, eine im Neolithikum zwischen 3800 und 2500 v. Chr. genutzte unterirdische Anlage, die wohl für die Bestattung der Toten und als Heiligtum diente.

Wer nach einem Marathon nicht mehr gut zu Fuß ist, kann die „Three Cities“ auch in einer GPS-geführten Buggy-Tour befahren.

Das pittoreske Küstendorf Marsaxlokk, bekannt wegen seiner farbenprächtigen traditionellen Luzzu-Fischerboote

In der ursprünglichen, vom Tourismus noch nicht so stark geprägten Fischersiedlung St. Paul's Bay sind in den Uferfelsen noch Spuren eines römischen Hafenkais zu sehen. Dort soll der Apostel Paulus nach einem Schiffbruch an Land gebracht worden sein, woran eine klassizistische Kirche erinnert.

 

Weitere sportliche Events auf Malta und Gozo

 

Gozo Halbmarathon am 24.4.2016

Gozo Ultra Trail am 30.4.2016
Laufbericht auf Trailrunning.de

Garmin Malta 113 K Triathlon am 15.5.2015

Malta International Challenge Marathon, durchgeführt in drei Etappen
(Termin steht noch nicht fest, vermutlich im November)
Laufbericht auf Marathon4you.de

 

Finisherzahlen

Marathon: 657

Halbmarathon/Walkathon: 3158

 

Marathonsieger

 

Männer

1          ELFELHI ABDELHAKIM MOR 02:18:55
2          NASEF AHMED                   MOR 02:18:56
3          MOKRAJI LAHCEN          MOR 02:18:56

Frauen

1           SUSTIC NIKOLINA                         CRO 02:50:26
2           ATTARD PULIS JOSANN A. MLT 02:56:06
3           WASNIEWSKA KAROLINA POL            03:08:11

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Informationen: Malta Marathon
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