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Laufberichte

Das gab’s noch nie

19.04.09
Autor: Klaus Duwe

Günter Weidlinger ist gut vorbereitet. Und doch geht ihm auf den letzten Kilometern „das Benzin aus“, wie er selber sagt. Sein Ziel, den uralten Rekord von Hartmann endlich zu verbessern, schafft er nicht. 17 Sekunden fehlen. Aber, aber, wer wird denn unzufrieden sein. Erster Marathon und dann gleich 2:12:39! Respekt. Das müssen dem Newcomer die deutschen Asse (Cierpinski und Pollmächer) in Düsseldorf erst einmal nachmachen. Und wer soll ihm den Rekord wegschnappen? Im Herbst ist er fällig.

Andrea Mayr hat da mehr Glück. Irgendwo unterwegs höre ich, dass sie in Führung liegt. Der Kommentator meint aber, zum Sieg werde es wohl nicht reichen, aber der Österreichische Marathon-Rekord wackelt. So kann man sich täuschen. Sie gibt die Spitzenposition nicht mehr ab und läuft als Siegerin ins Ziel, „gepaced“ übrigens von Jungfrau-Sieger Herrmann Achmüller. Die Zeit? 2:30:43 – neuer Österreichischer Rekord. Die entthronte Eva-Maria Gradwohl wird sich in Linz in genau 4 Wochen revanchieren.   

Sightseeing geht weiter

Die Probleme habe ich nicht. Nach der Zeitnahme für die Halbdistanz konzentriere ich mich auf weitere Sehenswürdigkeiten. Zuerst kommt das 1874 – 1883 als Sitz des Reichsrates erbaute Parlamentsgebäude mit der  Statue Pallas Athene, der griechischen Göttin der Weisheit. Gleich darauf folgt rechts das Burgtheater, dessen Geschichte auf das Jahr 1741 zurück geht, als Kaiserin MariaTheresia dem Theaterunternehmer Selliers ein leer stehendes Ballhaus neben der Hofburg zur Verpachtung an Schauspielertruppen überließ. 1888 wurde das heutige Theaterhaus von Gottfried Semper und Karl Hasenauer eröffnet.

Links geht es in die Hohenstaufengasse, die bald in die Liechtensteinstraße (km 22) übergeht. Zwischen den Stadthäusern gibt es noch immer das halb verfallene Geschäftshaus der Pferdemetzgerei Schlapota.

Wir überqueren den Donaukanal über die Friedensbrücke (km 24) und kommen auf die Obere und später auf die Untere Donaustraße. Auf der anderen Seite des Donaukanals sehen wir den markanten Ziegelbau der 1848 errichteten Roßauer-Kaserne mit den zinnengekrönten Ecktürmen, die einst bis zu 4.000 Soldaten und an die 400 Pferden Unterkunft bot.

Bei km 27 sind wir wieder auf der Schüttelstraße, die wir später ein drittes Mal durchlaufen. Aus der Gegenrichtung kommen die Läuferinnen und Läufer, die hier ungefähr 10 Kilometer vor mir liegen. Auf der Stecke herrscht Hochbetrieb und die vielen Zuschauer werden live und übers Radio bestens unterhalten.

Marathon meets Fußball

Bei Kilometer 30 sind wir wieder im Prater, queren die Hauptallee und laufen direkt auf das imposante Ernst-Happel-Stadion (zur Erinnerung: EM 08 Deutschland - Österreich 1:0) zu. Hier haben die Staffelläufer eine Wechselstelle, deshalb ist auch ziemlich Betrieb. Aber alles ist super organisiert, es kommt zu keinen Behinderungen.

Nach dem Stadion wird gewendet und auf der Hauptallee bis zum 1781 bis 1783 erbauten Lusthaus gelaufen. Viele Feste wurden hier gefeiert, unter anderem das große kaiserliche Fest zum ersten Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig. Ich denke an Anton, der heute in Leipzig beim Marathon ebenfalls an dieses Ereignis erinnert wird.

Wir umrunden das Lusthaus, laufen auf gleichem Weg zurück und landen zum dritten und letzten Mal in der Schüttelstraße. Es ist ruhiger geworden, auf der Gegenbahn kommt uns niemand mehr entgegen. Die Sambagruppe verdient sich für ihren unermüdlichen Einsatz die Marathonmedaille.

Länger sollte für mich ein Marathon zurzeit nicht sein. Es wird hart, sehr hart. Zwar muss ich keine Gehpausen machen, aber meine Füße kriege ich kaum noch hoch. Genialerweise nimmt die Zuschauerdichte zu. Die Wiener kennen mein Problem und rufen mir und meinen Leidensgenossen ermutigende Parolen zu. Es läuft wieder.

Bei Kilometer 40 ist noch einmal eine Verpflegungsstelle eingerichtet. Ich erfrische mich innerlich und äußerlich und kann die letzten Kilometer so richtig genießen. Ich traue meinen Augen nicht, wie viele Zuschauer auch jetzt noch die Marathonis feiern. Bis zum Ziel ist es jetzt ein einziger Triumphlauf. Rechts geht es durch das Burgtor, die Menschen klatschen und jubeln, die Tribüne ist auch nach über 4 ½  Stunden noch voll besetzt. Die Stimmung und die Kulisse auf dem Heldenplatz vor der Hofburg sind phantastisch, unvergleichbar, einmalig. Ich bleibe stehen, schaue, genieße und staune. Schöner kann ein Marathon-Finish nicht sein.

Heißt der Heldenplatz schon immer so, oder erst seit der Marathon hier endet?

Marathonsieger
Männer

1. Gilbert-Kipruto Kirwa KEN 2:08:21
2. Dreje Debele-Tulu ETH 2:09:08
3. Joseph Maregu KEN 2:09:25

Frauen

1. Andrea Mayr AUT 2:30:43
2. Derbe-Godana Gebissa ETH 2:31:31
3. Hayato-Zeineba Hasso ETH 2:34:01

Weitere Bilder vom Start/Strecke

Bilder vom Ziel/Heldenplatz

Streckenbeschreibung:

Punkt-zu-Punkt-Kurs, Rund- und Wendepunkt-Kurs, alles in einem. Flach, keine nennenswerten Anstiege.

Rahmenprogramm:

Marathonmesse „Wien Aktiv“ auf dem Messegelände, dort gibt es auch die Startunterlagen.

Weitere Veranstaltungen:

Halbmarathon, Staffel, Jungendrennen

Auszeichnung:

Medaille, Urkunde

Logistik:

Start- und Zielgelände mit der U-Bahn gut erreichbar. Kleidertransport zum Ziel

Verpflegung:

Wasser und Powerade, ab km 15 Bananen, später auch Cola

Zuschauer:

300.000 sollen an der Strecke gewesen sein.

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Informationen: Vienna City Marathon
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