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Laufberichte

Atemlos durch die Nacht

 

Erbach – Illerkirchberg

 

15000 Einwohner zählt die zum Alb-Donau-Kreis gehörende Stadt. Jetzt ist natürlich kaum etwas zu sehen, aber bei Tageslicht dominiert das aus dem 16. Jahrhundert stammende Renaissanceschloss. Ein kurzes Stück laufen wir an der Schlossmauer entlang. Gleich daneben liegt die barocke Pfarrkirche, die dem St. Martinus geweiht wurde.

Unten im Ort laufen wir über die Bundesstraße 31, die Feuerwehr sperrt die Verkehrsader immer dann, wenn Läufer ankommen. Danke Kameraden. Im Donauwinkelstadion drehen wir eine halbe Runde auf der Laufbahn, es wird genau beim 20. Kilometer die Zeit genommen und im Anschluss ist die erste große Futterstelle aufgebaut. Wasser, Iso, Bananen, Äpfel und bleifreies Radler. Das ich natürlich meins.

Nach einem kurzen Stück durch das Industriegebiet laufen wir an die Donau heran. Ich versuche, Patric jetzt um halb drei etwas Heimat- und Erdkunde beizubringen. Nur, er will mir nicht abnehmen, dass hinter dem Damm die Donau ist. „Geh halt auf den Damm hinauf“. Darauf lässt er sich nicht ein.

Eine richtig romantische Stimmung erzeugen die Helfer an der Tankstelle in Donaustetten (Kilometer 35). Links und rechts des Teerweges haben sie an die 40 Kerzen aufgestellt. Dafür hat der Autor keinen Blick, eher schon für das Bier, das feilgeboten wird.

Dann glaube ich mich in Schottland zu befinden, denn vor mir laufen zwei Burschen im Schottenrock. Michael Kusche und Ulrich Moellmann von den Hotten Schotten. Wir überholen beide und beim Knipsen sehe ich noch einen den Rock lupfen. Der wird doch nicht. Ich muss da eventuell den Index darüberlegen.

Mittlerweile ist unser Tempo nicht mehr gleichmäßig. Wir wechseln vom Laufschritt in ein Wandertempo, um dann wieder Geschwindigkeit aufzunehmen und die Vorausgeeilten wieder einzuholen. „Wir sind die Letzten“, versucht Patric mir einzureden. Und: „Ich muss aufgeben, es läuft überhaupt nicht, meine Beine wollen auch nicht.“ „Wir schauen jetzt erst mal, dass wir bis zum Donaustadion bei Kilometer 50 kommen, dann planen wir weiter“, so versuche ich den Druck herauszunehmen.

In Unterkirchberg dreht der Kurs Richtung Süden. An der V-Stelle schütte ich mir mangels geeigneten Trank einen Becher Prosecco hinter die Binde. Der taugt aber nichts, denn schon nach zwei Minuten bekomme ich Sodbrennen.

Noch in Illerkirchberg laufen wir ein kleines Gefälle hinunter. Ich bleibe auf der Straße, während Patric auf dem Gehsteig die Kurve schneidet und dann wegen eines kleinen Randsteines zu Fall kommt. Er haut sich das Knie auf. Sofort sind zwei, drei Läufer da, um zu helfen. Danke Freunde. Es ist halt Usus bei diesen langen Distanzen: Wenn einer Hilfe braucht, kriegt er sie auch gleich. Patric braucht ein, zwei Augenblicke, schüttelt sich wie eine Katze und weiter geht’s.

 

Kilometer 35 – Donaustadion Ulm

 

Rund 30 Höhenmeter warten auf dem Anstieg in Buch. Durch die vielen Lämpchen sehen wir schon von weitem, was auf uns erwartet. „Lauf gleich mal vorneweg und trink ein Bier.“ Patric will mich nach vorne schicken. Ich glaube, der will mir einen Hackl naufhängen. Oben wartet wieder eine reichlich gedeckte Tafel. Zeitnahme bei Kilometer 35. Wir sind recht genau vier Stunden unterwegs. Es ist kurz nach drei Uhr.

Es ist halt schwierig, bei der Dunkelheit gescheite Bilder zu machen.  Es funktioniert meist nur an den V-Stellen, wo ein wenig Licht vorhanden ist. Und zu viel will ich auch nicht fotografieren, nicht dass mir dann der Saft trotz Reserve-Akku ausgehen sollte. Irgendwann wird es ja wieder Tag.

Wir tangieren kurz nochmals Unterkirchberg und laufen dann an die Iller heran. Früher war die Iller ein unberechenbarer Gebirgsfluss, den manch Anrainer als „das Luder Iller“ titulierte. Denn bei Starkregen und nach Gewittern kam das Hochwasser. Trotz Hochwassermanagement kommt ist das Illerwasser auch heute nicht zu hundert Prozent beherrschbar. Wir sind gefühlte ein bis zwei Kilometer am Fluss, da kommt das Kilometerschild 40 überraschend  früh.

Nach einem weiteren Kilometer verlassen wir den Uferweg, biegen links ab und laufen nach kurzer Zeit in das Kloster Wiblingen hinein. Das Kloster ist das bekannte barocke Bauwerk der Benediktiner aus dem Jahr 1093. Die Klosterkirche wurde 1993 von Papst Johannes Paul II zur Basilika minor erhoben. Ein Teil des Klosters wird heute als Altersheim benutzt.

Durch ein anderes Tor führt uns der Kurs wieder hinaus. Ich mache ein paar Bilder, trinke noch einen Becher Cola und mache mich wieder auf den Weg. Patric ist schon voraus, ich kann ihn nicht sehen. Wieder an der Iller sehe ich weit vorneweg eine Gruppe. Ich beschleunige leicht, um aufzuschließen. Doch Patric ist nicht darunter, also weiter. Noch weiter vorne sind nochmals ein paar zu sehen. Ist er da dabei? Oder habe ich ihn jetzt verloren. Ich schließe auf und endlich habe ich ihn wieder gefunden.

Zwei starke Schweizer Mädels sind drunter, die schon fast am Ziel sind, denn sie machen die 50 voll. Kurz nach dem Illerbogen können wir bei Kilometer 47 nochmals versorgen. Auf einer Radwegbrücke wechseln wir auf das linke Donauufer, es geht die Ulmer Stadtmauerpromenade entlang. Auf der anderen Seite der Donau liegt das bayerische Neu-Ulm.

Im Osten können wir bereits erste Erhellungen sehen, auch wenn es bis zum Sonnenaufgang noch mehr als eine Stunde dauert. Ein Nachtschwärmer will uns abklatschen. Immer weiter Donau abwärts verlassen wir den Uferweg nach links und biegen in das Donaustadion ein. Eine halbe Runde, dann wird die Zeit genommen, 50 Kilometer sind geschafft. Die Stadionuhr zeigt 4.50 Uhr.

Die letzten Wanderer, vier Stunden vor uns gestartet, sind gerade beim Verpflegen, darunter auch Bernd Spring mit seinem Husky. An den Verpflegungstischen ist alles erhältlich: Salzbrezeln, Hartwurst, Suppe und heißer Tee und Kaffee. Eine Radbegleiterin macht mich nervös, denn anstatt dass sie das Rad beiseite legt, versperrt sie mit dem Drahtesel den halbem Tisch. Mensch Mädel, denk halt mit. Bis ich meinem Kaffee geschlürft habe, sehe ich Patric schon forsch aus dem Stadion rennen. Darüber gesprochen, ob er weitermacht oder aufhört, haben wir nicht. Ich also wieder hinten nach.

 

Die Blaue Stunde

 

Die Laufstrecke führt nun kurz durch einen Grüngürtel, wir überqueren die Donau auf einem Radweg und befinden uns in Offenhausen (Stadtteil zu Neu-Ulm) und somit wieder in Bayern. Seit 1810 bildet hier die Donau die Grenze Bayerns zu Baden-Württemberg. Neu-Ulm gibt erst ab 1814, bis dahin meldete man sich mit „Ulm an rechten Donauufer“.

Ein wenig eintönig sind die nächsten acht Kilometer, die immer am großen blauen Strom zuerst rechtsseitig, dann linksseitig verlaufen. Dafür ist diese Zeit für den Fotografen sehr interessant: Die Blaue Stunde.

Nicht, wie ihr glaubt, die Zeiteinheit nach inadäquaten Alk-Genuß ist gemeint, sondern die Zeit zwischen Dämmerung und Sonnenaufgang oder die Zeit nach dem Sonnenuntergang. Abhängig vom Sonnenstand dauert diese „Stunde“ zwischen 20 Minuten in den Tropen und einigen Tagen an den Polen. In Mitteleuropa hat man dieses milde Licht zur Sommersonnenwende und klarem Himmel fast eine Stunde.

Wenn Ihr die Bilder anschaut, die ich in dem Zeitfenster an der Donau geschossen  habe, versteht ihr, warum das eine schöne Zeit ist. Wenn natürlich wie gerade die Feldlerchen, Amseln und Singdrosseln in den höchsten Tönen pfeifen, ist das Glück perfekt. Einige Läufer dagegen pfeifen aus dem letzten Loch.

Etwa bei Kilometer 52 schickt mich Patric nach vorne, nach gefühlten 28 Aufforderungen. Die schwierigste Zeit für einen 100 Kilometer-Läufer ist jetzt vorbei, denn es geht in den Tag hinein. „Lauf zu, die gefährliche Zeit liegt hinter mir“, der ja bekannterweise mit einem Handicap zu tun hat. „Pass auf dich auf und höre in deinen Körper rein“. Ich sehe meine Mission erfüllt und mache mich vom Acker. 

Und es rollt gut bei mir, ich brauche keine Gehpausen. Lediglich bei einzelnen Foto-Motiven stehen, bei den Schwänen, bei dem Entenpärchen mit ihrem Nachwuchs und für Landschaftsaufnahmen. Bei der Tankstelle bei Kilometer 56 teilen sich die Helfer mit mir ein Bier. Nach zwei weiteren Kilometern verlassen wir die Donau, Elchingen wartet.

Wie bereitet man sich denn auf einen Hunderter vor? Patric hat es so gemacht: „Seit Anfang März habe ich versucht, jede Woche einmal einen langen Lauf (ca. 30 Kilometer) zu absolvieren. Des Weiteren habe ich beim Feldberglauf (54 Kilometer) und beim Marathon in Bad Waldsee teilgenommen, alleine bin ich 44 Kilometer gelaufen. Zusätzlich dreimal die Woche etwa eine Stunde.“

Eine gute Vorbereitung. Und wie schaut es bei mir aus? Ich machte Anfang April einen Doppeldecker beim Göltzschtalmarathon und am Obermain, an Pfingsten noch einen mit den IVV-Wanderungen in Bücheloh (Rennsteig) und in Gräfinau-Angstedt, sowie letzte Woche den Ebbser Koasamarsch. Der letzte hat mir aber zugesetzt. Denn der Muskelkater in den Beinen ging bis zur Ulmer Laufnacht nicht komplett weg.

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Informationen: Ulmer Laufnacht
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