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Laufberichte

Nichts ist unmöglich

26.02.12

Nichts ist unmöglich: Und dann ist da plötzlich das Ziel!

 

Auf der nicht mehr ganz voll besetzten Tribüne am Tokyo Big Sight sitzen vermutlich die offiziellen von heute Morgen in ihren dunklen Anzügen und auch jetzt klatscht der ein oder andere verhalten. Wie immer nach dem Laufen schmerzen mir die Beine und der Schädel brummt. Ich sehe glückliche Läufergesichter beim Erhalt der Medaille.

Frieren muss hier keiner im Ziel. Flinke Hände legen den erschöpften und verschwitzten Finishern ein großes Frotteehandtuch um die Schultern. Mit diesem schönen Handtuch kann jeder in seinem Verein Eindruck schinden. Hier zu laufen heißt, eine Mega-City erleben und egal wo du bist, du bist immer mittendrin. Dies wird mir beim Abholen meines Kleiderbeutels noch einmal so richtig bewusst. Fast könnte ich annehmen, ich sei mit den ersten Läufern ins Ziel gekommen und noch niemand hätte seinen Beutel in Empfang genommen. Erst auf dem Weg zu den Umkleiden weiß ich, dass dies nicht stimmt. Platz ist in der kleinsten Lücke und da es keine Duschen gibt,  sucht sich jeder irgendeinen Flecken zum Umziehen oder Dehnen. Bei einem solidarischen Fußbad tauschen sich Läufer Eindrücke und Erlebnisse aus und so mancher genießt eine Massage.

Ganz berauscht von den Eindrücken freue ich mich am Familientreffpunkt endlich Kay zu treffen, denn nur wirklich glücklich sind wir im Team. Noch lange bevor die 7 Stunden bis zum offiziellen Zielschluss abgelaufen sind, erreicht auch Jesus das Ziel. Er schaut mich an mit einem Lächeln auf seinen Lippen. Marathon ist eben mehr als nur 42 Kilometer laufen. Perfektion ist ein Leitmotiv der japanischen Kultur: perfektes Läuferwetter, perfekte Helfer mit perfekten Manieren, ein perfektes Erste Hilfe Konzept, perfekte Regeln und Vorschriften, perfekte Zuschauer - schlicht und einfach eine perfekte Organisation. Dies mag auch der Grund dafür sein, dass über 95 % der Läufer das Ziel erreichten.

Wir wollen das einzigartige Lichtspiel der Nacht für ein Finisher-Foto nutzen. Mit dem Fahrstuhl schweben wir mehr als 250 Meter über Meereshöhe in das 58. Stockwerk auf die Aussichtsplattform des Mori Tower. Wir genießen den unglaublichen Sternenhimmel der Künstlichkeit auf die unglaubliche Stadt Tokyo. Während uns der kalte Wind um die Ohren pfeift, keimt in uns ein sehr schönes Gefühl: das Gefühl von Glück, genau jetzt an genau diesem Ort sein zu dürfen.

 

Nichts ist unmöglich: Die Freiheitsstatue in Tokyo und Heiraten im Einkaufzentrum

 

1902 wurde das erste Auto nach Japan eingeführt, aber die Bevölkerung fuhr lieber Rikscha. Das erste Wirtschaftswunder, mit dem das Inselreich die Welt überraschte, war die rasante Entwicklung der Autoindustrie. Das erste in Japan produzierte Kraftfahrzeug war ein Nissan.

Für unseren Tagesausflug kommt kein  Leihwagen in Frage, aus mehreren Gründen: Wir haben keinen übersetzten und beglaubigten Führerschein, es herrscht Linksverkehr, die Autobahnen sind gebührenpflichtig, die Verkehrsschilder nicht überall zweisprachig und es gibt keine Parkplätze. Ein eigenes Auto haben viele Bewohner Tokyos bereits abgeschrieben, denn bevor man einen PKW anmelden darf, muss man zunächst einen Parkplatz nachweisen.

Die extrem sauberen Straßen gehören den Taxis, Bussen und LKWs. In ausnahmslos jedem verchromten Teil  kann ich mich spiegeln. Es wirkt fast so, als kommen selbst die Betonmischer gerade aus der Neuwagenverkaufshalle. Heute wälzt sich ein Strom von Autos über die Brücke. Eisen-, U- und Schnellbahnen sind das Hauptfortbewegungsmittel und auch hier innen wie außen – alles blitzblank.

Wir wollen die Rainbow Bridge zu Fuß überqueren. Ein Spaziergang dauert etwa 30-45 Minuten und bietet eine schöne Aussicht auf das Hafengebiet. Die Brücke verbindet Tokyo mit dem jüngsten Stadtteil, der künstlich aufgeschütteten Insel Odaiba. Die Stelle ist nicht nur im Sommer wegen seines Sandstrandes ein begehrter Platz, sondern eignet sich auch bei 4 Grad Celsius für Werbeaufnahmen mit Surfbrett. Einige hundert Meter weiter wähnt man sich plötzlich in der falschen Stadt: Die Freiheitsstatue reckt hier ihre Fackel zwar nicht so hoch wie in den New Yorker Himmel, beeindruckend ist sie trotzdem.

In Japan steht die Farbe Weiß für den Tod. Dies gilt jedoch nicht bei Hochzeiten, die gerne nach christlicher Art gefeiert werden; auch wenn nichts daran echt ist, weder Priester noch das Amen und schon gar nicht die Kirche. In sie hinein gelangt man nur durch vier Stockwerke eines großen Einkaufzentrums. Vorbei an niedlichen Hundewelpen, die hinter der Schaufensterscheibe darauf warten, für 4.000 EURO ein Zuhause zu finden. Dies sind die ersten Hunde, die ich hier sehe und nun mache ich mir doch Gedanken, was mit all denen passiert, die zu alt sind um süß zu sein. Vielleicht das gleiche, was auch mit den alten Japanern, den Hundertjährigen, passiert?

Im nächsten Stockwerk ein Fahrradgeschäft. Dort finde ich pinkfarbene Fahrradmäntel und als Clou die passende pinkfarbene Ketten dazu. Zu schade, diese Farbe passt nicht zu meinem gelben Rennrad. Zum Anprobieren eines Radtrikots stehen an der Umkleide Schlappen bereit, denn die Straßenschuhe müssen ausgezogen werden.

Dann ist da noch das Historik Museum, welches gewissermaßen ein Verkaufsladen für Modellautos ist. In einem Kinderland könnte man dann vor der Eheschließung noch seinen Knirps abgeben. Aber eine Trauung in der Fantasiekirche bietet einen außerordentlichen, schönen Ausblick auf die Rainbow Bridge und auf die Skyline von Tokyo und nichts erinnert mehr an das geschäftliche Treiben hinter der Tür.

 
 

 
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