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Laufberichte

Ein Traum für jeden Trailer

23.02.13
Autor: Joe Kelbel

Der Lauftag

 

Gepäck ist nicht da. Reisepässe auch nicht. Brigid leiht mir eine Hose, Lhoicine Akdar gibt mir ein Gel und ein Isopulver, zwei Stück Baguette vom kargen Frühstückstisch, eine Handvoll Mandeln, ein Cap von einem Helfer. Es ist noch dunkel und sehr kalt, als wir zum Start auf dem Place Mouly Rachid gehen.

Ein herrlicher Sonnenaufgang taucht die Bergkulisse in ein warmes rosarotes Licht. Davor fette Palmen und Läufer in neonfarbener Kleidung. 10 Kilometer geht es freudig abwärts ins wunderschöne Ammelntal. Was für eine Lauffreude! Dieser Trail ist eine geniale Entschädigung für meine vielen Läufe durch verregnete, kalte, sonnenlose Parkanlagen in diesem Winter.

Zeitlimit für die 65 km: 12 Stunden. Der Trail führt uns in nord-südlicher Hauptrichtung. Die Ammeln sind die Hauptgruppe der Chleuh, an deren zinnenbewehrte Dörfer aus Bruchsteinen mit weißen Ornamentbemalung und Lokba-Verzierungen aus Lehmpputz wir vorbeilaufen werden. Dazwischen die zahlreichen Agadire, mit kunstvollen Portalen und Zinnen versehene, mehrstöckige Speicherburgen aus Stampflehm. Ihre Portale schmücken Pilaster, Bänder mit Dreiecken, Quadraten und Kreisen.

Riesige Schluchten und orange Bergwände, Palmenoasen und bizarre Kullerfelsen begleiten uns in einer Landschaft der angenehmen Stille. Im Norden begrenzt der Djebel Lekst (2350m) unsere Laufstrecke, nach Westen der Adrar Mqorn (2340m). Die Berge bilden ein angenehmes Mikroklima im Tal, die Morgensonne produziert meterlange Schatten. Die rosa bemalten Häuser des  Ortes Omssnat leuchten.

Fein geschnitzte schwere Türen. Rechts geht es hinauf zum Tizi n Test Pass Richtung Hoher Atlas, von wo der weiße Schnee blendet. Km 8, Asgaour.

Meine Laufleistung ist eindeutig anhängig von der Laufgegend - und die ist atemraubend, bewirkt aber eine lange nicht erlebte Leichtigkeit. Viel zu eng nehme ich die Windungen um die Dornensträucher, die mich mit langen Stacheln aufhalten wollen.

Per SMS kommt die Nachricht, dass das Gepäck in Agadir zur Abholung bereit liegt. In der Ferne knabbern Kamele an den Arganbäumen.

Km 10 bei Dimalalen: Am Verpflegungstisch stehen lange Reihen Becher mit frisch gepresstem Orangensaft. Die Brüder Rachid und Mustafa Abdsalam fotografieren, lachen und tanzen bei Musik. Lange stehe ich hier zusammen mit einem kleinen Trupp und genieße die Atmosphäre.

Weiter geht es, Indiha mit wehenden Fahnen vor mir. Durchquerung des Wadi Rasek Orajlik. Wir sind am Tiefpunkt( 900 m) des Trails. Über uns das rötliche Glühen der Berge, dort hinauf geht es jetzt durch eine Felsenlandschaft, die ein unbeschreibliches Glücksgefühl in mir weckt. Felszeichnungen direkt über uns. Gazellen und Giraffen, die von einer üppigeren Vegetation in grauer Vorzeit berichten. Männer mit Spitzhacken suchen unter Steinen Scorpione, die sie dann an Touristen verkaufen.

Dann der Ausblick in das grüne Tal bei km 15: Fantastisch! Freundliche Wiesen auf denen Ziegenherden weiden, große Steinkugeln inmitten des saftigen Grüns, daneben Zelte aus Plastik und Decken der Nomaden, die verschlafen aus den kleinen Eingängen lugen.

Indiha ist immer noch ein paar Schritte vor mir, aber unten in der Flussoase sieht er nicht die rosa Markierungen. Ich laufe blind hinterher, bis wir Pfeile finden, die uns auf die HM-Strecke führen. Mist. Wir irren umher. Links oben sehe ich die leuchtende Kleidung von Jaques und Eric, die ich vom Ouarzazate Marathon kenne. Also zurück und dort hinauf.

Nach dem Anstieg wieder ein wunderschönes, grünes Hochtal, und wieder verlaufen. Die Markierungen sind gut, aber die Augen werden immer wieder von der Landschaft abgelenkt. Oft kreuzt der Trail kaum sichtbare Wege, die man nur zu gerne nehmen möchte.

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