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Laufberichte

Ein Traum für jeden Trailer

23.02.13
Autor: Joe Kelbel

Tafraout ist eine Oase in einer wild-romantischen Gebirgslandschaft in einer Höhe von 1000 Metern, etwa 160 km südöstlich von Agadir. Die kleine Stadt liegt im  Antiatlas, der anders als der Hohe Altas, vulkanischen Ursprungs ist. Gewaltige, bizarre Felsformationen prägen die imposante Landschaft aus Granit und machen dieses Gebiet zu dem schönsten von Marokko.

Der 10malige Marathon des Sables-Gewinner Lahcen Ahansal ist technischer Direktor des Trails Atlas Tafraout (TAT), der dieses Jahr zum ersten Mal stattfindet. Geboten werden 65 raue Kilometer bis auf eine Höhe von 1750 m (1500 HM) und ein Halbmarathon mit 800 HM auf einer separaten, asphaltierten Strecke.

Fünfzehn Sponsoren, darunter Royal Air Maroc und Volkswagen, garantieren die von der gemeinnützigen Issafarne, einer Organisation für die nationale Gesundheit und wirtschaftliche Entwicklung, organisierten Laufveranstaltung. Drei Minister, darunter der Sportminister, wohnen in Tafraout. Der König höchstpersönlich hat die Sicherheit der Veranstaltung in der Presse garantiert.

Nicht garantiert war die pünktliche Ankunft der drei deutschen Teilnehmer: Brigid (dritter Platz bei den Frauen beim Kalahari Augrabies/250 km), Gabi (Zweite Frau beim Zagora Marathon) und Joe, der mutmaßlich aktivste laufende Reporter der Welt. 

Spätestens seit dem Film mit Humphrey und Ingrid wissen wir, dass Casablanca eine Stadt ist, in der man hängen bleiben kann. So auch wir, und ich nun zum x-ten Mal. Die Koffer samt Laufkleidung sind weg. Die bürokratische Nachforschung dauert drei Stunden. Es gibt keine Computer, nur jede Menge Durchschlagpapier, welches man uns in die Hand drückt. Doch damit kann man nicht laufen. Zum Glück haben wir alle unsere Laufschuhe an. Weiterflug am frühen Morgen.

22 Stunden nach Abflug aus Frankfurt holt uns ein Taxi der Organisation in Agadir ab. Zwei weitere Stunden Autofahrt auf einer schmalen Straße nach Tafraout durch eine grandiose Landschaft entschädigen uns für die Strapazen.

 

Himmel über der Wüste


Zunächst geht es durch die fruchtbarste Region Marokkos, bis sich mit zunehmender Höhe die Vegetation zurückzieht und sich unter uns die Sousse-Ebene mit Getreidefeldern, Palmenhainen und Obstbäumen ausbreitet. Über dem Ganzen thront das Vulkanmassiv des 3300 m hohen Djebel Siroua. Vorgestern Schneefall, nun strahlend blauer Himmel für die nächsten Tage. Und 5-25 Grad.

Zahllose  Mandelbäume entfalten nun in den Tälern ihre zarten Blüten. Ein unsichtbarer Schleier von Blütenduft liegt über dem Meer der kleinen rosa Bäume, die zwischen den grünen Arganbäumen wachsen.

Dicke Schichten aus rotem Granit produzieren Lichtphänomene, die an Australien erinnern. Eine atemraubende, rosa-rote Traumwelt. Feigenbäume, Oleander und
Granatapfelbäume vervollständigen den Garten Eden, dessen Bewohner, die Chleuh-Berber, ausgesprochen freundlich und angenehm sind.

Die Startunterlagen (10 Euro incl. 2x Pastaparty) bekommt man auf dem Marktplatz (Place El Masira El Khadra) in Tafraout, einer isolierten Stadt mit 5000 Einwohnern. Dazu braucht man den Reisepass; nun sind die aber samt Abholvollmacht wieder auf dem Weg zurück nach Agadir, zwecks Abholung der Koffer.

Die kleine Stadt ist voller Menschen. Frauen in tiefschwarzen Chadors mit am Saum bunt bestickten, glitzernden Rändern dominieren das Bild der Menge. Jeder will die Halbgötter des Marathon des Sables sehen, 29 Fernsehgesellschaften reißen sich um Bilder der Heros:

Mohamad Ahansal (4x Gewinner des Marathon des Sables) und sein Bruder, der Meister der Wüste, Lahcen Ahansal (10x Gewinner), Rachid Elmorabity (Gewinner 2011 ), nur Salameh Al Aqra (2012) fehlt verletzungsbedingt. 60 marokkanische und 20 internationale Läufer treten zum Trail an. Einige sind mir bekannt: Widy Grego aus Guadeloup, der den Marathon in Benin organisiert, Alyne Pierron aus Martinique,  Sylvain Bezin, Paolo Venturini, Salama Alakraa aus Jordanien,Thierry Merello, Niandi Carmont aus Südafrika, Bernard Godon, der blinde Didier Benguigui, Janick Delva, Jaqueline Guillard und Abdelkrim Mosta, er nimmt am 04. April zum 25ten Mal beim Marathon des Sables teil.

Indiha, der Bärtige, der immer mit Fahnen läuft, macht richtig gute Stimmung, wirklich gelungene Raps. Klasse! Es wird getanzt, Kinder hüpfen vor Kameras, hübsche braune Kulleraugen schauen interessiert aus den Sehschlitzen der Chadors heraus. Wir werden begafft und begraptscht, dann zieht uns Ouardarass in sein Büro, schließt die Tür. Endlich Ruhe nach der Hektik der letzten beiden Tage. Es gibt sehr schmackhaften Pfefferminztee. Er will sich um unser verlorenes Gepäck kümmern. Ansonsten kümmert er sich um die wenigen Touristen, die hier in den Felsen klettern, wandern oder Gleitschirm fliegen.

Oben von der Terrasse des Wettkampfbüros hat man einen herrlichen Ausblick auf den Trubel unten. Lastwagen voll mit Wasser, Bananen und Orangen treffen ein. Auf dem Platz mit der Startnummernausgabe wird Arganöl, die seltsamen Lederschuhe  aus weichem Ziegenleder, “Babouche” genannt, und andere Produkte der kleinen Oasen angeboten. Laufutensilien sucht man hier vergebens.

Gala-Abend mit Spagettiparty in Aguard Oudad. Zwei Teller stark gewürzte Bohnensuppe für den morgigen Antrieb. 400, 500 Menschen sitzen ins Socken in Zelten und in den zahlreichen Räumen, 80 Trailrunner und 350 Halbmarathonläufer, der Rest sind Funktionäre mit reichlich Familienanhang. Ich habe immer ein Auge auf den Schuhberg gerichtet, denn dort liegen meine einzigen Schuhe. Karim wird der Fotoapparat und das Handy aus dem Reisegepäck gestohlen, Mohamad ein Autoradio, eine Laufjacke und ebenfalls ein Fotoapparat. In den frühen Morgenstunden sinken wir ins Bett in der Kleidung, die uns geblieben ist, und die nicht nur nach Kreuzkümmel riecht.

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