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Laufberichte

Die Stadt. Der See. Die Berge.

 

Wir kommen nach St. Niklausen. Die Größe der Grundstücke und Swimmingpools kann man nur auf dem Satellitenbild erkennen. Zur Straße hin ist eher Understatement angesagt. Ein kurzer Kilometer Landidyll, bevor sich schon die nächste „Musi“ ankündigt. Kurz danach eine private Party und Verpflegungsstation, bevor wir direkt an die Seepromenade kommen. Ich bemerke gar nicht, dass wir immer leicht nach rechts laufen, und frage mich bei km 10 in Hinterrüti, wann es wieder Richtung Luzern geht. Dabei sind wir fast schon wieder auf dem Rückweg. „Schi Bum, Schi Bum s'Leben is wia Traum“ von Spider Murphy in einer Swing-Version lädt zum Mitsingen ein. Auf der gegenüberliegenden Seeseite sieht man Züge fahren. Dahinter müsste sich der Pilatus erheben. Vielleicht sehen wir ihn auf der zweiten Runde.

 

 

Wir erreichen Horw, eine eigenständige Gemeinde. Im Ortsteil Winkel ist es so idyllisch, wie der Name vermuten lässt. Schöne alte Holzhäuser. Dann ins Zentrum von Horw, das der Marathon verkehrstechnisch ziemlich lahm legt. Deswegen sind auch alle Horwer an der Strecke. Entweder zum Anfeuern oder auf ein Gläsli Wy. Die zweite Steelband des Tages macht mächtig Stimmung.

Rosen-, Tulpen- und etwas später Nelkenweg. Es geht durch eine Kleingartenanlage. Ein freundlicher Mitläufer erklärt mir, wie das hier funktioniert. Ich kann ihm versichern, dass wir in Deutschland das gleiche System der langjährigen Pacht haben.

Die Bahngleise verschwinden in einem Tunnel Richtung Hauptbahnhof. 2011 führte der Marathon durch diesen Stadttunnel. Das wäre natürlich was für mich gewesen. Angedacht wird derzeit auch ein Tunnel unter dem Luzerner Kopfbahnhof und der Seebucht, um einige Züge zu beschleunigen. In Zürich gibt es so etwas schon. Und für Frankfurt würde ich mir dergleichen von Aschaffenburg kommend auch wünschen. Der Autobahntunnel der A2 unter Luzern ist schon in Betrieb und einer der meistbefahrenen der Schweiz obendrein.

 

 

Vor uns zwei neue Hochhäuser, mit 77 und 88 Metern die höchsten Gebäude der Innerschweiz, dahinter der große Bireggwald auf einem Hügel, den wir so in 13 Kilometern nun umrundet haben. Ein Zirkus hat hier seine Zelte aufgeschlagen, ein neues Hallenbad lädt müde Läufer ein. Mit Musikbegleitung geht es in die Swissporarena, Heimat des FC Luzern, der in der Raiffeisen Super League der Schweiz spielt. Der Stadionmoderator Thomas Erni begrüßt uns. Nicht nur er, sondern auch viele Zuschauer sind in das Stadion gekommen und feuern uns an. Solche Spezialstrecken gefallen mir und es wird noch besser kommen.

Andrea trägt ein Laufhemd vom Forstenrieder SC aus München. Da muss ich ihr doch gleich Grüße an den Ex-Kollegen Adrian auftragen, der ebenfalls diesem Verein angehört. Hier in Allmend stehen schöne Stadthäuser. Überall sieht man Zuschauer am Fenster. In einem weniger attraktiven Haus erblicke ich auf drei übereinander liegenden Kleinstbalkonen jeweils einen Raucher. Das erinnert mich an die Herren in einem Wohnheim in unserer Münchner Nachbarschaft. Mein Blick verleitet einen Läufer neben mir zu der Aussage, dass es sich hier um das Volta-Männerwohnheim handelt.

 

 

Vor uns tauchen Gleise auf. Wir nähern uns dem Hauptbahnhof. Hinter einem Tunnel durch ein Bürogebäude treffen wir auf „Gegenverkehr“: Die entgegenkommenden Läufer dürften so sieben Kilometer vor uns sein.

Das Kultur- und Kongresszentrum Luzern, kurz KKL, wartet auf uns. Das von Jean Nouvel entworfene Gebäude beherbergt das Kunstmuseum Luzern, einen Mehrzwecksaal und einen der akustisch besten Säle für klassische Musik überhaupt. Eröffnet von den Berliner Symphonikern unter der Leitung von Claudio Abbado, nach dem auch ein Zimmer im Schweizerhof benannt ist.

Für uns bleibt es bei einer Light- und Soundshow beim Durchlaufen des Foyers. Ein Highlight auf blauem Teppich mit den Wildcats, den Cheerleadern der Luzern Lions. Und dann der Blick auf die  Skyline.

Sightseeing ist angesagt: Vor uns der Wasserturm, dahinter die Altstadt. Links Hauptpost und Luzerner Theater. Die Jesuitenkirche, die erste große Barockkirche der Schweiz, 1677 fertiggestellt. Die Türme kamen erst 1893 dazu. Die Bahnhofstrasse wird schmaler und nach einer Rechtskurve erwartet uns die zum zehnten Jubiläum festlich geschmückte Reussbrücke. Der neue Sponsor coop hat sich hier, wie auch an vielen anderen Stellen, ordentlich ins Zeug gelegt. Ich genieße den Ausblick auf die Kapellbrücke und auf das Reusswehr. Hierbei handelt es sich um ein sogenanntes Nadelwehr: Durch das Einstecken von Brettern wird der Abfluss der Reuss reguliert, um einen konstanten Wasserstand im Vierwaldstättersee zu erhalten. Nach einem Schwenk über den Weinmarkt mit seinen denkmalgeschützten Häusern zum Kornmarkt mit dem Rathaus durch die Kapellengasse zum Kapellenplatz mit St.-Peters-Kirche treffen wir wieder auf den Schwanenplatz. Die Querung einer vom Zweiten Weltkrieg verschonten Altstadt hat schon was.

Eine zwei Kilometer lange Begegnungsstrecke bis zum Halbmarathon-Punkt steht an. Es bleibt Zeit, sich die großen Gebäude näher anzusehen: Gotthardgebäude, Grand Casino, National Hotel, Palace Hotel. Wobei die Quaiseite zum See eigentlich schöner ist. Aber da kann man ja dann zurückgehen – in drei Stunden.

 

 

Kurz vor der Wendestelle kommt mir Judith vor den roten Vier-Stunden-Ballons samt Läufern entgegen. Das wird wohl heute nichts mit mir. Niklas jongliert sich mit drei Bällen ins HM-Ziel. Mir gelingt ein Foto mit dem Ball direkt vor dem Kopf. Muss man erst mal hinbekommen.

Duo-Marathon-Wechselzone: Zwei Läufer teilen sich den Marathon. Diese heuer erstmals angebotene Wettkampfvariante wurde laut Aussage der Veranstalter sehr gut angenommen.

Ich bin gespannt, wie die zweite Runde ohne Begleitung der Halbmarathonis verläuft. Die vier Bands auf den nächsten zwei Kilometern sind noch voll im Einsatz. Die Markuskirche habe ich noch nicht erwähnt. Am Bahnhof kommt mir die führende Läuferin entgegen. Heute wird auch die Schweizer Meisterschaft ausgetragen, daher wird das statistische Mittel der Läufer bei 3:47 h liegen. Oh Mann, bin ich langsam.

Ein kurzes Stück geht es nun über eine neue Strecke: Der Alpenquai erfreut mich mit seiner Pappelallee. Zwei Ruderklubs liegen am See. Der Firmensitz von Emmi liegt an der Strecke. Der größte Milch verarbeitende Betrieb der Schweiz lässt viele kleine rote Kuhglocken an Zuschauer und Läufer verteilen. Vor uns muss das Landhaus Tribschen sein, in dem sich Richard Wagner samt Familie mehrere Jahre eingemietet hatte.

Bands und Guggenmusiker sind noch eifrig bei der Sache. Die Nölli Gröze Lozärn kommen aus Luzern, die Stadt hat viele Schreibweisen. Auffallend die doch herausfordernden Anstiege, die mir auf der ersten Runde noch gar nicht so steil erschienen sind. Hier geht es zwei Mal recht happige 20-30 Meter nach oben. Ich nutze sie, um einige Plätze gut zu machen. Und runter geht es ja auch wieder. Je nach GPS-Höhenmodell komme ich so auf 120-200 Höhenmeter für die ganze Strecke.

Die Guggenmusi am Ortseingang von Kastanienbaum wechselt sich mit der privaten Party ab. Und da ist nun nach zwei Stunden ziemlich was los -  ja, der lokale Weißwein... Jetzt ist es auch mal an der Zeit, die großen und häufigen Verpflegungsstellen zu loben. Da gibt es alles, was das Herz begehrt. Zweimal auch Gel, ansonsten Riegel, Bananen, Äpfel, zwei Iso-Getränkesorten und Wasser. Perfekt beschildert und auf beiden Straßenseiten von freundlichen Helfer/innen angereicht.

„La masia“ (katalanisch für „Bauernhof“) heißt das Haus der nächsten privaten Party. Und es gibt auch die Senioren, die hinter ihrer riesigen Panoramafensterscheibe zu Mittag essen und von mir und meinen linken Parolen, die ich hinauf rufe, keine Notiz nehmen. Obwohl, im Moment würde ich eher nicht tauschen wollen. Oder doch? So ein nobles Refugium ist vielleicht noch besser als ein Finish im Marathon? Km 30 am See entlang. Es ist eher noch nebliger als vorher, aber davon lassen sich viele Zuschauer nicht abhalten. „Da kommt der mit der Kamera schon wieder“, heißt es zuweilen. Ich hatte mich aber auch oft genug für die zweite Runde angekündigt.

Hier gibt es tatsächlich eine Plakataktion für Atomkraftwerke. Ohne die – so das Argument - würde man im Winter im Kalten sitzen. Gut, dass in Horw die Partyzone von weiteren Gedanken in dieser Richtung ablenkt. Hier startet heute ab 13:25 Uhr der 5-Meilen-Lauf. Fußball wird nun auf den Plätzen vor dem Stadion gespielt. Und drinnen zeigt man mich auf beiden Videoleinwänden. Die elektrische Bandenanzeige feuert uns an. Gut, die Zuschauer sind weitergezogen, aber Stadionmoderator Thomas harrt noch aus.

Einige Musikgruppen nutzen die Zeit vor den 5-Meilen-Läufen für ein Päuschen. Hier wird viel Wein getrunken, stelle ich erneut fest. Der Durchlauf durchs KKL macht immer noch Spaß. Der Speaker, so sagt man hier, möchte ein Foto machen. Ich werbe für M4Y und versichere, nochmals mitlaufen zu wollen - am besten, wenn die Sonne scheint.

 

 

Oft wird man mit Namen angefeuert. Der steht so groß auf der Startnummer, dass ihn wirklich jeder lesen kann. „Andreas“ kommt ziemlich häufig vor. Ein Landesfähnchen ist auch abgebildet, aber sehr klein. Über die letzten zehn Kilometer konnte ich einen 6:00-Minuten-Schnitt halten und wäre fast zufrieden, wenn mich jetzt nicht dauernd irgendwelche junge Läuferinnen überholen würden. Ich versuche ein wenig Gas zu geben. Es zieht sich. Auf der Haldenstrasse kommen uns viele Finisher entgegen. Stimmung ist angesagt.

Noch ein Highlight erwartet uns zum Schluss: Das Verkehrshaus der Schweiz, meistbesuchtes aller eidgenössischen Museen. Mein letzter Aufenthalt dort liegt 35 Jahre zurück. Ohrenbetäubender Lärm in der Eingangslobby. Roter Teppich. Eine Swissair-Maschine „startet“ knapp über mir. Im Ziel.

Jeder Finisher wird mit Handschlag begrüßt. Judith kam 11 Minuten vor mir in 3:57h auf den  vierten AK-Platz. Die Schweizer Meisterschaft setzt hohe Standards. Aber auch ich bin zufrieden, habe auf der zweiten Hälfte noch 123 Läufer überholt, wie man anhand der vielen Messpunkte und der Aufbereitung von datasport feststellen kann.

Der wie immer im Nadelstreifenanzug laufende Henry kommt kurz nach uns in Ziel. Die Fahnen der teilnehmenden 48 Nationen reihen sich bis zum Verpflegungsbereich. An der deutschen Fahne wird Manfred in seinem Hemd vom Rursee-Marathon abgelichtet. Im Ziel: eiskaltes Wasser, kochend heißer Tee, Münchner Weißbier, Bananen, Äpfel. Die Medaille zum 10.Jubiläum zeigt den sterbenden, oder besser den ausruhenden Löwen. Zielgeschenk ist ein hochwertiger Rucksack von Asics.

Ein Marathon der Superlative ist vorbei.

 

 

Natürlich statten wir der Eisenbahnabteilung des Verkehrshauses noch einen kurzen Besuch ab. Beeindruckend die Länge der Informationstafel zum neuen Gotthardtunnel. Und dann noch das Schweizer „Krokodil“, die wohl berühmteste Güterzuglok der Welt.

Die Sonne kommt erst beim Rückweg zum Hotel heraus. Für eine Zahnradbahnfahrt auf den Pilatus mit 50% Läuferrabatt bleibt uns leider keine Zeit mehr. Ein weiterer Superlativ: Natürlich liegt die steilste Bahn der Welt hier bei Luzern.

 

Fazit:

Ein perfekt organisierter Lauf, vielleicht der schönste Stadtmarathons der Schweiz. Im Startpreis enthalten sind ein Finishergeschenk (diesmal ein Rucksack), die Pasta-Party, Energieriegel  und einige Ermäßigungsgutscheine.

Sehr viel Stimmung an der Strecke, auch bei der zweiten Runde und trotz Fröstelwetter. Viele Streckenhighlights: Altstadt, KKL-Durchlauf, Ziel im Verkehrshaus

Vorsicht:In Luzern gibt es neben anderen Superlativen auch den weltweit teuersten BigMac (6,44 USD) gemäß BM-Index. Wer aus einem Niedriglohnland anreist, wird überrascht sein. Ein Wochenende ist aber sicher machbar.

 

Marathon / Schweizer Meisterschaften
Männer

1. Trummer Stefan, 1986, Spiez                     2:30.23,6
2. Eggenberger Michael, 1977, Zug               2:33.52,5
3. Besse Daniel, 1992, Zürich                        2:35.47,0

Frauen

1. Rüegger Susanne, 1984, Cham                       2:40.23,9
2. Eggenschwiler Petra, 1988, Rubigen              2:49.42,2  
3. Bernasconi Claudia, 1983, La Tour-de-Peilz  2:52.45,6

Finisher Marathon
Männer: 1163
Frauen: 282
Duo-Marathon: 178

Finisher Halbmarthon
Männer: 4050
Frauen: 2270

Finisher 5-Meilen
Männer: 585
Frauen: 761

 

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Informationen: SwissCityMarathon Lucerne
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