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Laufberichte

Die Stadt. Der See. Die Berge.

 

September 2015: Ich stehe mit Judith auf dem Nationalquai mit den wunderschönen Belle-Époque- Palästen hinter uns und bin sprachlos beim Blick auf den Vierwaldstättersee, den 2000m hohen Pilatus und ganz hinten auf die in der Sonne glänzenden Gletscher des Alpenhauptkamms. Wer hier wohnt, kann sich glücklich schätzen. Für uns bleibt kaum Zeit für eine kurze Stadtbesichtigung. Nach dem Jungfrau Marathon sind wir auf dem Weg nach Hause, aber einen Entschluss habe ich gefasst: 2016 bin ich beim Marathon in Luzern dabei. Und zu diesem Zeitpunkt habe ich noch gar nicht die Laufberichte von Birgit Fender, Klaus Sobirey und Daniel Steiner auf M4Y gelesen.

Der Lucerne Marathon heißt ja offiziell SwissCityMarathon und erreicht über alle Laufdisziplinen eine Meldezahl von über 10.000 Teilnehmern. Wir reisen am Samstagvormittag aus dem 370 km entfernten München an. Das größte Kontingent ausländischer Sportler – insgesamt sind 48 Nationen am Start - stellen die Deutschen mit über 500 Anmeldungen. Luzern ist aus Deutschland leicht zu erreichen, egal ob mit Auto,  Bahn oder über den nahen Flughafen Zürich.

Wir steigen im renommierten Hotel Schweizerhof ab, das Pauschalarrangements rund um den Marathon anbietet. Jedes Zimmer ist nach einem berühmten Gast benannt und entsprechend ausgestattet: Natalie Cole heißt das unsrige. Ein Pink-Cadillac-Bild an der Wand erinnert an einen Hit der Sängerin aus den 1980er Jahren. Der Schweizerhof beherbergt auch die Marathonmesse und Startnummernabgabe, sowie im Nebensaal eine Pasta- und Rösti-Party. Dank der vielen Marathonis kann man in diesem noblen Ambiente tagsüber auf gediegene Kleidung verzichten. Interessant ist die Laufachsenvermessung, die das Luzerner Kantonsspital anbietet und die man hier begutachten kann: Mittels an Beinen und Hüfte angebrachter Messpunkte wird ein genaues Bewegungsprotokoll auf dem Laufband erstellt. Dabei zeigt sich, wo bei der Haltung Korrekturbedarf besteht.

 

 

Auf dem Weg ins Zimmer können wir noch einen Blick auf den Apéro-Empfang für die Läuferinnen und Läufer werfen, die am Sonntag zum 10. Mal und damit von Anfang an dabei sind. Ich stelle fest, dass im Organisationskomitee der Nachname Schorno oft vertreten ist: Hansruedi als Präsident, Reto als Geschäftsführer und Beat als Verantwortlicher für die Kommunikation. Der SwissCityMarathon in Luzern ist also ein Familienunternehmen.

Dann geht es auf Sightseeingtour. Alle wichtigen Monumente der Altstadt lassen sich leicht per pedes erkundigen, viele werden wir beim Lauf auch sehen. Besonders interessiert mich der „Mount Rushmore Luzerns“: Das nach Entwürfen des dänischen Bildhauers Bertel Thorvaldsen in den Felsen gehauene Denkmal eines sterbenden Löwen erinnert an den Heldentod von 1000 Schweizer Gardisten im Verlauf der Französischen Revolution. Mark Twain bezeichnete den Löwen von Luzern als „traurigstes und bewegendstes Stück Stein der Welt“. Der Schriftsteller nächtigte übrigens auch im Schweizerhof.

Wegen seiner privilegierten Lage avancierte Luzern schon 1840 zu einem touristischen Zentrum. Der Marathon Ende Oktober bringt zusätzliche Gäste in die 80.000-Einwohner-Stadt, die sich an diesem Wochenende leider grau in grau präsentiert. Im Schnitt kommen pro Tag 8.800 Besucher, davon 8.200 aus Asien.

Den Aufstieg zur Musegg-Stadtmauer mit ihren Türmen ersparen wir uns. Eine Hochzeitsgesellschaft verlässt gerade die Franziskanerkirche. 72 % der Luzerner Bevölkerung sind christlichen Glaubens. Die Holzkanzel der Kirche wird in der städtischen Infobroschüre als am reichsten verzierte Kanzel der Schweiz aus der Zeit zwischen Renaissance und Barock gerühmt. Ja, Luzern ist reich an Superlativen, wie sich im Folgenden immer wieder zeigt.

Erst kurz bevor die Sonne hinter den Bergen verschwindet, reißt der Himmel ein bisschen auf und gibt einen Blick auf den majestätischen Pilatus frei, mit 2.128 m schon ein Berg von beträchtlicher Höhe. Trotzdem befinden wir uns hier noch im Gebiet der Voralpen.

Durch die Umstellung auf die Winterzeit bleibt genug Zeit für ein ausgiebiges Schläfchen. Der freundliche Helfer am Infostand hatte uns den Tipp gegeben, mit dem Pendelschiff vom Hauptbahnhof zum Startbereich zu fahren. Fünf historische Dampfschiffe verkehren auf dem Vierwaldstättersee, die weltweit größte aktive Süßwasserflotte. Für uns sind drei moderne Schiffe im Einsatz. Es ist viel los, da die Anfahrtsstrecke mit dem Zug durch einen auf dem Bahnübergang liegengebliebenen LKW versperrt wird. Vom Schiffsanleger gehen wir erst zur Damenumkleide im Sportzentrum - natürlich perfekt ausgeschildert - und dann zur nahegelegenen Schule von Würzenbach, wo die Herren sich umziehen können. Die mobilen Duschen werden schon angeheizt. Wie oft in der Schweiz, lässt man seine Sporttasche in der Umkleide stehen und kann seine Wertsachen in die Obhut der dafür zuständigen Helfer geben. Und das ganz diskret: Der Umschlag mit Geld und Kreditkarten bekommt nur eine Nummer.

 

 

Startaufstellung in der Haldenstrasse – ohne „ß“, das in der Schweiz nicht verwendet wird. Die Besichtigung der älteren Lokomotiven hinter den unzähligen Toilettenhäuschen hebe ich mir für später auf.  Der „Dräksak“-Service stellt viele mobile Mülleimer zur Verfügung. Nicht ohne Grund ist die Schweiz für ihre Sauberkeit berühmt.

Judith und ich stellen uns zu den Vier-Stunden-Pacern. Der bekannteste von ihnen ist Karl Lustenberger, einst international erfolgreicher Skispringer und Nordischer Kombinierer, Olympiateilnehmer in Lake Placid 1980. Unseren Block begleiten zwei junge Spieler des American Football Clubs Luzern Lions im Sportdress. Da ist für Ordnung gesorgt. Die neun Blöcke werden mit einigen Minuten Abstand gestartet, in der Zwischenzeit unterhält uns der Sprecher auf Hochalemannisch. Da muss sich unsereiner beim Zuhören schon konzentrieren.

Und schon geht’s los: Zwei Kilometer Richtung Schwanenplatz, dem zentralen Platz am Beginn der Altstadt. Von der Seebrücke, auf der wir die Reuss überqueren, die hier den See verlässt, haben wir einen schönen Blick auf das laut Tourismusbüro meistfotografierte Wahrzeichen Luzerns: Die Kapellbrücke ist eine überdachte Holzbrücke mit 202 Metern Länge aus dem Jahr 1365, also genau 900 Jahre älter als ich. Mit dem Wasserturm, der eigentlich ein Wehrturm im Wasser ist, bildet sie einen Teil der mittelalterlichen Befestigungsanlage. Die Holzgeländer auf der Seeseite sind daher auch höher. Die Seebrücke, normalerweise eine der meistbefahrenen Brücken der Schweiz, hat man heute für den Autoverkehr komplett gesperrt.

Vor uns der neue Bahnhof. 1971 war das 1896 errichtete Vorgängergebäude abgebrannt. Nur ein Portal erinnert heute noch daran. Von den Schiffsanlegestellen bietet sich ein schöner Blick auf die großen Paläste am Nationalquai. In einem Neubaugebiet erwartet uns ein Alphornensemble. Auf beiden Seiten der Laufstrecke wird gespielt, quasi Stereo.

 

 

Auf der Langensandstrasse beginnt eine große Schleife für uns: Die Guggenmusik Löchlitramper Littau 1971 spielt in wärmender Fellkleidung für uns auf. Kilometer vier: Immer noch viele Zuschauer an der Strecke, als wir in Wartegg in lockerere Bebauung kommen. Eine Familie sitzt beim Kuchenfrühstück. Und schon wieder eine vielköpfige Guggenmusik, diesmal die „Rotseemöven“. Auf einer Anhöhe ein schönes altes Bauernhaus, davor ein kleines Kirchlein.

Der Weinbaubetrieb Ottinger hat neue Fässer angeliefert bekommen. Die sonnige Lage ermöglicht die Produktion prämierter Weine. Heute jedoch lässt sich die Sonne nicht blicken. Immer wieder wird der See sichtbar, aber das war es dann schon. Die Berge lassen sich bestenfalls erahnen.

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Informationen: SwissCityMarathon Lucerne
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