marathon4you.de

 

Laufberichte

Höhenflug

25.07.09

Entlang des folgenden Waldwegs zwischen Heidelbeerbüschen hindurch stehen immer wieder Informationstafeln, auf welchen zu ersehen ist, welche Wildtiere hier anzutreffen sind. Eines davon ist in der Mehrzahlform vom akuten Aussterben bedroht. In genau einer Woche gibt es bekanntlich keine Gemsen mehr, nur noch Gämsen.

Mit der Zeit habe ich es nicht so im Griff. Sie geht auf dieser schönen, abwechslungsreichen Strecke zwar schnell vorbei, doch ich fühle mich noch recht frisch. Daraus schließe ich, dass ich mich etwa im geplanten Zeitrahmen Filisur nähere. Genau wissen will ich es erst bei Kilometer 30, wo ich mein Gefühl mit der Uhrzeit vergleiche. Mit ein paar Minuten Vorsprung auf meine Marschtabelle überquere ich die Zeitmessmatten im Dorf und bedaure diejenigen, die hier schon den Zieleinlauf haben, dass für sie der Genuss schon zu Ende ist.

Filisur - Bergün

Ausgangs Dorf stellt sich wieder Sonnenschein ein und entlang der Albula geht es das Tal hinauf in Richtung Bergün. Viel früher als erwartet sehe ich den nächsten Fixpunkt vor mir: Bellaluna.

Wer das stilvoll renovierte Gasthaus an diesem lauschigen Ort sieht, ahnt kaum, dass hier einst das Zentrum der Bergbaugeschichte des Albulatals lag. Die Natur hat sich wieder breit gemacht und nur ein paar Ruinen und Mauerreste, die später der Straße entlang zu sehen sind, zeugen von den Hochöfen der Eisen- und Zinkschmelze. Geblieben ist einzig dieses ehemalige Knappen- und Direktionshaus.

Gemäß anderen Quellen sei diese Waldlichtung einer der berühmtesten Hexenplätze Graubündens gewesen, wo sich die Hexen bei Vollmond zum Tanz versammelt hätten und auf ihren Besen Richtung Holland gestartet seien. Der Hexentanz nachts um eins – bal a l’una – habe zum Namen Bellaluna geführt.  Von Hexen ist beim Verpflegungsposten nichts zu sehen, die sind offenbar in Holland, während einige Holländer hier sind und einmal ohne Gegenwind, dafür mit Steigung, richtig laufen können.

Anders als im letzten Jahr werden wir nach Bellaluna nicht auf einem Wurzelweg in den Wald geführt, sondern auf die Verbindungsstraße nach Bergün. Den Verlust dieses Idyllefaktors kann ich verschmerzen, denn die Steigung ist gleichmäßiger und da die ganze Straßenbreite zur Verfügung steht, kann das Tempo nach eigenem Gusto und Vermögen gewählt werden.

Während ich mich auf der Albulastraße langsam aber sicher zum nächsten Teilziel hinaufschraube, schraubt sich mehrmals der gelbe Hubflügler an uns vorbei. Also los, für die Kameraleute keine Schwäche vortäuschen und laufen statt gehen! Wobei, Aufnahmen von der Mitte des Feldes werden sicher höchstens als Füllmaterial gebraucht, wenn beim Schneiden sonst ein Bildsprung entsteht. Interessant sind für diese Medien nur die Gewinner an der Spitze und die so genannten Verlierer am Schluss des Feldes, welche beim Erreichen des höchsten Punktes mittgeteilt bekommen, dass sie wegen Überschreitung des Zeitlimits aus dem Rennen genommen werden. Deswegen gibt es uns, laufende Berichterstatter, die mittendrin statt nur dabei sind und nebst den eigenen Heldentaten auch diejenigen beleuchten, die um uns herum geleistet werden.

Bergün - Chants

Das Kleiderdepot eingangs Dorf kann ich rechts liegen lassen, denn ich habe alle Schichten dabei, die ich in der Höhe vielleicht überziehen muss. Links und rechts der Straße sehe ich immer wieder Läufer, die auf dem Weg ins Hochgebirge von ihren Betreuern neu ausgerüstet werden. Durch das ganze Dorf werden wir von zahlreichen Zuschauern angefeuert. Ich profitiere so auch noch von der Unterstützung, welche die Teilnehmer des K42 erfahren durften, die knappe zwanzig Minuten vorher in Bergün gestartet sind. In der Tat, es dauert nicht sehr lange, bis ich auf dem Weg ins Val Tuors die ersten blauen Startnummern einhole.

Einige Bekannte, darunter auch aus unserem Lauftreff, sind heute an den Start dieses happigen Bergmarathons gegangen, doch im Moment habe ich keine Kapazität,  Ausschau nach diesen Mutigen zu halten. Der wieder einsetzende Regen wäscht mir noch mehr des Sonnenschutzes in die Augen, den ich am Morgen in Erwartung eines strahlend sonnigen Tages reichlich auf mein lichtes Haupt geschmiert habe.

Irgendwann kann ich das linke Auge wieder offen halten und auch die Sonne meint es wieder gut mit uns. Beim nächsten Verpflegungsposten sehe ich Klaus Duwe stehen, der heute unerschrocken den K42 bestreitet. Ich schleiche mich von hinten an, klopfe ihm auf die Schulter und erlaube mir einen kleinen Scherz: „Hey, ihr habt wirklich eine suuuper Website, ich schaue da regelmäßig rein!“ Mit einem Becher Wasser stoßen wir auf unsere Premiere an. Zum ersten Mal sind wir gemeinsam auf der Strecke und lassen dieses Ereignis auch gleich bildlich festhalten. Als Fotograf stellt sich einer der Zugläufer des Zürich Marathons spontan zur Verfügung – und das trotz meiner damaligen Frotzelei bezüglich des Wertes seines GPS-Eisens auf den fast neun Kilometern im Tunnel.

Vermutlich liegt es daran, dass ich auch nach meiner Verabschiedung von Klaus andere Gesprächspartner finde und munter weiterplaudere, auf jeden Fall kommt es mir vor, als hätte gegen Chants hin auch eine Änderung der Strecke stattgefunden, irgendwie scheint sie mir dieses Jahr kürzer zu sein. An ihrer Schönheit hat sich aber nichts geändert.

 
 

Informationen: Davos X-Trails
Veranstalter-WebsiteE-MailFotodienst AlphafotoHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner
 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024