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Laufberichte

Laufreise über das Wolkenmeer

 

Durchs Wolkenmeer nach Arosa

 

Los geht`s auf die Piste. Und das kann man wörtlich nehmen. Denn anders als die steile Bergflanke, die aus dem Urdental hinauf führt, ist die Arosa zugewandte Bergseite hinab großräumig als Skigebiet mit allem Drum und Dran erschlossen: Liftanlagen, Berghütten, Fahrstraßen. Zunächst jedoch ist eine befestigte grobe Schotterpiste zu bewältigen. Rasant führt sie hinab, schneebedeckt für Skifahrer sicher ein Heidenspass. Nur kurze Zeit später und binnen Sekunden verschlucken mich schon die Wolken, tauche ich ein in deren Brandung, sinkt die Sicht von schier endlos auf wenige Meter.

900 Höhenmeter verlieren wir auf den anstehenden 8 km bis Arosa. Auf gerölligen Straßen und Pfaden schlängelt sich unser Weg durch die weite Almlandschaft. Kuhglockengebimmel begleitet mich fast unentwegt, auch wenn die Wolken nur ab und an den Blick auf die wohlgenährten Tiere freigeben. Je mehr ich mich dem Tal nähere, desto besser wird die Sicht, nur eben die Berge bleiben verborgen. Dafür tauchen unter mir die ersten Ausläufer Arosas zwischen knorrigen Latschenkiefern auf.

Kurz nach 9 Uhr ist es, als ich in Arosa einlaufe. Wunderschön ist die Lage dieses auf fast 1.800 m gelegenen, klangvollen Wintersport- und Luftkurorts im tief eingeschnittenen, von allen Seiten von Bergen umgebenen Schanfigg-Hochtal. Viele schöne alte Häuser erinnern an die lange Historie dieses schon seit dem 13. Jahrhundert besiedelten Fleckens. Nur leider hat man auch hier und gerade im Ortszentrum nicht auf neuzeitliche Bausünden verzichten können.

Prägende Elemente des Ortsbildes sind zwei Seen: Der Ober- und der Untersee. Eine Verpflegungsstation direkt am größeren Obersee, das hätte schon etwas gehabt. Ganz anders, aber doch auch etwas ganz Besonderes ist die Location, die ich stattdessen ansteuern darf: die Zivilschutzanlage Ochsenbuel. Ja, die Schweizer und ihre Bunker – das ist ein Kapitel für sich. Durch ein Gewirr stahltürenbewehrter Gänge gelange ich ins Herz der bombensicheren Anlage: Hier ist für die Ankömmlinge abermals ein opulentes Buffet angerichtet. Wirklich heimelig ist das Ambiente aber nicht. Hinaus zieht es mich an die frische Luft und ich atme tief durch, als ich meine Lauftour fortsetze.

 

Finale über den Strelapass

 

Als ich vor zwei Jahren in Arosa aufbrach, lief ich direkt in die Nacht hinein. Das ist jetzt anders. Ich bin schon gespannt, wie ich die verbleibenden 19 km bis Davos bei Tageslicht erleben werde. Durch Arosa und den anschließenden Schießhornwald führt der Weg noch ein Stück weiter bergab bis zum Stausee Isel. Im fast schon unwirklichen Türkis schimmert das Wasser.  

Jenseits der Furggaalp ist erneut Kondition gefragt. Über im Sinne des Wortes Stock und Stein stemme ich mich durch den Tiejer Wald  in Höhen jenseits der 2.000 Meter, ehe ich wieder entspannter durch eine Hochalmlandschaft traben darf. Als mich erst ein Läufer, dann noch einer und wieder einer rasend überholt, bin ich zunächst etwas perplex. Doch ein Blick auf die Startnummer bringt des Rätsels Lösung: Es sind die Laufstärksten des in Arosa gestarteten A21, die hier durchsprinten. Mehr und mehr werden es bis zum Ziel, die mir ihre Hacken zeigen, dazu kommen auch noch die Marathonläufer des T41. Zwar muss ich, wenn ich die verdächtigen Scharrgeräusche hinter mir hören, immer wieder zur Seite treten, aber das stört ganz und gar nicht, bin ich doch für jedes auch nur kurze Päuslein dankbar und die Belebung der Strecke hat auch so ihr Gutes.

Geradezu kitschig schöne alte Almhäuser und -hütten darf ich in Tschuggen und Medergen bestaunen. Inmitten der hügeligen Hochalmen gelegen und vor dem Hintergrund der steil aufsteigenden Felsen der Mederger Flue erfüllen sie jedes Klischee einer Schweizer Bergidylle. Fehlt nur, dass Heidi und der Geißenpeter um die Ecke spazieren. Nach ein paar vergleichsweise komfortablen Kilometern ist der steile Abstieg von der Chüpfer Alp hinab nach Jatz eine nächste Herausforderung. Es ist schon erstaunlich, welche Geröllmassen ein an sich kleiner Gebirgsbach an seinen Ufern ansammeln kann. Jedenfalls dürfen wir uns durch dessen Schutt durcharbeiten.

In Jatz (1831 m üNN), 8 km vor dem Ziel in Davos, ist ein letzter kleiner Posten stimmungsvoll vor einer der Berghütten eingerichtet. Nochmals 500 Höhenmeter rauf und 800 runter lautet unser finales Programm. Und die sind bekanntermaßen nochmals richtig kernig. Wenig gemütlich entwickelt sich zudem das Wetter. Ein kalter Wind pfeift durch das Tal, die Wolken senken sich bis zum Boden. Das Nahen des Regens ist schon zu erahnen und es soll nicht nur ein Schauer sein. Also nichts wie los.

Das Erklimmen des 2.346 m hohen Strelapasses ist ein wahres Schmankerl zum Schluss. Bei klarer Sicht darf man sich immerhin eines schönen Fernblicks erfreuen. Bei Bedingungen wie jetzt ist der Anstieg aber die reine Plackerei. Der oft kaum auszumachende Weg schlängelt sich durch Wiesen und Geröll bisweilen abartig steil nach oben. Keinerlei Gefühl habe ich, wie lange das so weiter geht, denn die Passhöhe ist nicht auszumachen. Irgendwie geht man dann nur noch schicksalsergeben weiter und weiter. Und irgendwann ist es soweit, plötzlich, unvermittelt, und die innere Freude ist groß. Bei mir ist das um 14:15 Uhr. Im Nachhinein feststellen muss ich: Gesehen habe ich vom Strelapass auch nicht viel mehr als seinerzeit bei Nacht.

Die letzten 5 km stehen an und die verlaufen nur noch downhill. Über die weite Strelaalp schlängelt sich der Pfad gen Tal. Mal im Galopp, dann wieder vorsichtig mit den Stöcken Gleichgewicht suchend, komme ich voran. Das prachtvolle Jugendstilhotel Schatzalp 300 Meter oberhalb der Stadt signalisiert uns, dass wir fast angekommen sind. Eine Zahnradbahn bringt die Gäste zu fast jeder Tages- und Nachtzeit hier herauf. In langgezogenen Serpentinen führt von hier ein bequemer schnitzfigurengeschmückter Spazierweg durch den Rütiwald bis in die Stadt hinunter. Zwei-, dreihundert Meter muss ich noch durch die  Straßen im Zentrum von Davos traben. Dann ist es geschafft.

Es ist 15:15 Uhr, als ich unter dem Zielbogen auf der „Promenade“ in Davos/ Platz einlaufe. Überraschend viele Zuschauer empfangen die Läufer und vom Moderator persönlich begrüßt wird jeder der eintröpfelnden Finisher. Ein Finisher-Shirt gibt es und bei Bratwurst und Bier lässt es sich im Zielraum gut aushalten. Kaum sitze ich, öffnet der Himmel seine Schleusen und hört damit auch nach Stunden nicht auf. Glück gehabt.

Es hat Spaß gemacht, großen Spaß. Der T91 hat alles, was einen spektakulären Ultraberglauf ausmacht. Und zu wünschen ist, dass diese Distanz erhalten bleibt und den Zuspruch erhält, den sie verdient. Probiert es aus – Ihr werdet es nicht bereuen.

 

Auszug aus der Rangliste

 

T201

Männer:

1. Ramon Casanovas (Le Landeron) 34:20,34. 2. Alexander Rabensteiner (I-Klausen) 1:32:40 zurück. 3. Rene Langgartner (A-Leoben) 3:04:00. 4. Patrick Wollcock (Müswangen) 5:51:05. 5. Christof Teuscher (USA-Portland) 6:06:52. 6. Gabriele Sboarina (Arbedo) 7:03 :11. 7. Petr Kucera (CZ-Otrokovice) 7:39:14. 8. Gauthier Timmermans (B-Liège) 9:29:34. 9. Wiktor Banachewicz (Basel) 9:38:37. 10. Jean-Francois Brazeau 9:38:38. – 81 Klassierte.

Frauen:

1. Andrea Huser (Aeschlen ob Gunten) 34:53:36. 2. Denise Zimmermann (Mels) 6:11:23. 3. Jeanette Dalcolmo (Klosters/Dürnten) 12:24:50. 4. Olga Fikarova (Brugg) 13:29:23. 5. Manuela Baselgia (Lantsch/Lenz) 16:17:32. – 12 Klassierte.

T121

Männer:

1. Jimmy Pellegrini (I-Laghetti di Egna) 18:14:53. 2. Florian Felch (D-Durach) 3:40. 3. Matthias Krah (D-Würzburg) 30:29. 4. Florian Schütz (D-Oberstdorf) 1:56:14. 5. Sebastian Apfelbacher (D-Dettelbach) 2:02:16. – 55 Klassierte.

Frauen:

1. Lada Zrzavecka (CZ-Praha) 23:31:10. 2. Kim-Dania Schierhorn (D-Köln) 2:57:55. 3. Sarah Willis (Lausanne) 3:17:32. – 11 Klassierte.

T91

Männer:

1. Csaba Németh (H-Miskolc) 13:32:34. 2. Christian Hildebrand (Rapperswil) 19:56:7. 3. Jack Blackburn (GB-Braunton, Devon) 1:25:23. 4. Urs Baumgartner (Meiringen) 2:13:36. 5. Michele Bernasconi (Mendrisio) 2:47:44. – 48 Klassierte.

Frauen:

1. Ildikó Wermescher (D-Landsberg am Lech) 16:35:39. 2. Susanna Hempel (Zürich) 2:26:49. 3. Doris Hofstetter (Winterthur) 4:02:20. – 10 Klassierte.

T41

Männer:

1. Daniel Bolt (Schiers) 4:25:17. 2. Andy Anderson (USA-Truckee) 1:16. 3. Daniel Rohringer (A-Gosau) 11:17. 4. Marco Wildhaber (Flumserberg Bergheim) 15:46. 5. Maarten Hendriks (Davos Platz) 24:46. – 137 Klassierte.

Frauen:

1. Noèmi Thommen (Bad Ragaz) 5:41:25. 2. Isabelle Allemann (Aarburg) 18:45. 3. Simone Philipp (D-Weitnau) 22:18. – 37 Klassierte.

 

 
 

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