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Laufberichte

Das war einmålig!

15.07.12

Als am 10. August 1628 das größte Kriegsschiff des 17. Jahrhunderts, die „Vasa“, prächtig dekoriert und bemalt unter Kanonenschüssen und mit vollen Segeln auslief, kam es nicht weit. 69m lang, mit 64 Kanonen an Bord und 1200 Tonnen schwer wurde die „Vasa“ noch vor Stockholms Hafenausfahrt von einer Windböe zum Kentern gebracht. Man stelle sich die Gesichter der Festgäste vor! 

Das Schiff verbrachte 333 Jahre am Meeresgrund in 32m Tiefe. Da die Hauptstadt Schwedens an der Mündung des Mälarsees in die Ostsee liegt, ist das Wasser brackig. In diesem Gemisch aus Süß- und Salzwasser kann sich der Schiffsbohrwurm nicht halten. So blieb das Wrack erstaunlich gut erhalten. Mit enormem Aufwand wurde es schließlich 1961 geborgen und restauriert. Seit 1990 hat dieses imposante Schiff ein eigenes Museum. Ein äußerst sehenswertes Museum das ich mit Evi, Günther und Manuela am Vortag des „Jubileumsmarathons“ besuchte. Die Startnummern hatten wir bereits am Vormittag abgeholt.

Als ich im Frühjahr 2011 vom „Jubileumsmarathon“ hörte, war ich sofort interessiert. Eine einmalige Gelegenheit, denn ein 100jähriges Jubiläum gibt es nur einmal. Ich informierte einige Freunde darüber und meldete mich für den Newsletter an, der mich hinkünftig über den Stand der Dinge informierte. Bis zum 14. Juli 2011. Denn an diesem Tag, exakt ab 13h48, war eine Anmeldung möglich. Diese Uhrzeit war auf die Minute genau 99 Jahre nach dem Start des olympischen Marathons 1912. Genau ein weiteres Jahr später würde der Start erfolgen, auf der Originalstrecke von damals.
Es wurden 8.000 Startplätze vergeben, weitere 2.000 an Organisationen und Reiseveranstalter. Es dauerte zwei Wochen, und dieser spezielle Marathon war ausverkauft, um EURO 107,- / Startplatz. Nach einem halben Jahr konnte man ein Laufshirt erstehen mit dem Aufdruck der schwedischen Fahne und dem Text:
„Ich trainiere für den Jubiläumsmarathon Stockholm 1912 – 2012“ oder auf schwedisch: „Jag tränar för Jubileumsmarathon Stockholm 1912 – 2012“.

Auf der Homepage wurde man immer wieder auf die historische Tragweite hingewiesen. Läufern im Dresscode à la 1912 (abgesehen von den Schuhen) wurden Preise in Aussicht gestellt. Die Begleitpersonen wurden gebeten, möglichst in Anzug und Kleidern im Stil von vor 100 Jahren dem Ereignis beizuwohnen. 

Stilvoll auch die Abholung der Startnummern am Vortag. Bei sonnigem Wetter gab es für jeweils 600 Startnummern einen kleinen Stand, in meinem Fall betreut von einem Herrn in Strohhut, weißem Hemd, schwarzem Mascherl, sehr elegant.

Die Information über die Startnummer hatten wir schon drei Wochen zuvor per Post zugeschickt bekommen, diesen Zettel sollte man dabei haben. Wer ihn vergessen hatte, auch kein Problem, denn in dem ganzen alten Ambiente fanden sich dennoch Computer und Helfer, die Auskunft geben konnten.

Die Musik kam nicht vom Lautsprecher, sondern aus einem Leierkasten. Alles was angeboten wurde, hätte es vor 100 Jahren auch geben können. Hausgemachte Marmeladen, Süßigkeiten, gehäkelte Sachen, Keramik, Türschilder, Spielsachen . . . Auch jüngere Sachen im Angebot kommen auf alt daher. Mit alten Autos konnte man sich fotografieren lassen, die Chauffeure waren entsprechend gewandet. Der „Goodibag“ war aus Leinen mit altem Aufdruck und enthielt ein Stofftaschentuch mit dezentem „Jubileumsmarathon“-Aufdruck. Solche Tücher wurden damals, an allen vier Ecken geknotet, als Sonnenschutz getragen. Die Zahlen auf der Startnummer waren in der Schrift wie damals. Die Startnummer selber war aus gestärktem Gewebe, ganz ohne Werbung darauf, wie 1912 eben. Die Zeitnahme war kaum sichtbar aufgeklebt.

Eine friedvolle Atmosphäre auf der von der Sonne beschienenen Wiese hinter dem restaurierten Olympiastadion. Läuferinnen und Läufer aus 50 Nationen tummelten sich hier, ein Japaner und eine US-Amerikanerin als Enkelkinder von olympischen Marathonläufern aus 1912. Von mehreren Teilnehmernationen gab es Laufleiberl mit Nationalflagge drauf zu kaufen, den Originalleiberln nachempfunden.  Dann eine Besichtigung im Stadion, wo morgen Start und Ziel sein würden. Auch die Königsloge mit Baldachin sieht genau so aus, wie auf den alten Fotos. Die Vorfreude stieg.

Renntag: Ein spätes Frühstück und keine gröberen Aktivitäten mehr bis zum Nachmittag. Um 12h30 verlassen wir schließlich das Hotel. Ich mit Startnummer 3758, was mich zum Start im zweiten Startblock berechtigt, Günther mit der teuflischen 666. Damit würde er um 13h48 starten, 10min vor mir.

Beim Stadion herrscht schon Trubel. Überall wehen Flaggen und es ist sonnig, leicht windig, angenehm kühl. Die Leute sind gut gelaunt, viele davon in alten Gewändern, ein echtes Erlebnis. Ich gehe voran zur Kleiderbeutelabgabe hinter dem Stadion, den Beutel über der linken Schulter, den Fotoapparat in der rechten Hand. Der Gehweg ist mit Absperrgittern vom Radweg und der Fahrbahn getrennt. Ein Däne im Laufdress mit aufgezwirbeltem Schnurrbart kommt uns entgegen, sieht echt gut aus. Ich will Evi drauf aufmerksam machen, drehe mich um, bleibe mit dem rechten Knöchel im herausragenden Fuß eines Absperrgitters hängen und knalle mit der linken Schulter und dem Gesicht auf das Betonpflaster des Gehwegs. Schwer erschüttert stehe ich auf.

Wir gehen weiter, bis etwas mehr Platz ist und ich setze mich auf die Stufen runter zum Nebenfeld. Ich blute an der linken Wange, am Kinn und am linken Knie. Dazu habe ich mir am rechten Handballen etwas Haut und Fleisch abgeraspelt und bin leicht benommen. Zum Glück ist der funkelnagelneue Fotoapparat unbeschädigt geblieben.

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Informationen: Stockholm Jubilee Marathon
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