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Laufberichte

Landschaftslauf in Niedersachsen

04.09.05

"Unter vier Stunden" lautet die Zielvorgabe

 

Nun wird es am ersten Sonntag im September doch nicht so warm. 23 ° Celsius erscheinen uns machbar. Wir fahren zum Steinhuder Meer. Jan ist ein Späteinsteiger. Mit 61 Jahren steht er am Start seines ersten Marathons. Für mich liegt mit 38 Jahren der neunte Marathon an.

 

Ohne vernehmbaren Startschuss geht es los. Wir laufen dem Feld hinterher. 162 Läuferinnen und Läufer werden das Ziel nach dem Zeitlimit von 5:30 h erreichen.

 

Um 9.00 Uhr morgens ist es noch relativ frisch. An im Saft stehenden Maisfeldern geht es hinaus aus Poggenhagen. Der TSV Poggenhagen von 1946 e.V. veranstaltet den 4. Marathonlauf um das Steinhuder Meer. Bis zum Jahr 2001 standen Läufe bis 38 km im Programm. Im Jahr 2002 ergaben sich wohl denn auch die Poggenhagener dem Marathonboom.

 

Wir laufen auf schattigem Waldboden auf das Steinhuder Meer zu. Nach drei Kilometern geht es scharf rechts auf den Europawanderweg, einem asphaltierten Radweg. Jan „wandert“ bereits einige Meter voraus. Ich komme mit Jürgen und Mark ins Gespräch. Jürgen musste bei seinem 48. Marathon zum ersten Mal in die Büsche. Aber das ist kein Problem bei einem Landschaftslauf. Wie Jan läuft auch Mark heute seinen ersten Marathon. Jürgen sieht nach jedem Kilometer auf die Uhr. Zuweilen ermahnt er Mark zu langsamerem Tempo. Ankommen unter vier Stunden ist dessen Ziel.

 

Jan hat nicht offen über ein konkretes Ziel gesprochen. Er will erleben, wie das ist mit dem Marathon. Aber so wie er drauf ist, kann er es unter vier Stunden schaffen. Hoffentlich ist sein Anfangstempo nicht zu hoch?

 

Auf festen Wegen geht es durch typisch niedersächsische Landschaft: vereinzelte Höfe und frühherbstliche Felder, dazwischen Buschwerk und Baumgruppen, auf Wiesen weiden Pferde und Kühe. Wir laufen hinein in den Naturpark Steinhuder Meer und kommen über Großenheidorn auch zum Ort Steinhude.

 

Vorstadtähnliche Hochhäuser und Siedlungen ziehen sich hin. Auf einem weißen Laken ist bunt zu lesen: „Psst, leise, Hochzeitsnacht!“ Gott sei Dank ist Laufen ein leiser Sport. Eine Tankstelle macht uns auf die horrenden Benzinpreise aufmerksam. Eine Kirchturmglocke schlägt laut die zehnte Tagesstunde. Wenig später nimmt uns der erste Blick auf Norddeutschlands größten Binnensee gefangen.

 

In der gleißenden Vormittagssonne schimmert uns das helle Blau von Wasser und Himmel entgegen. Weiße Segel blinken, Enten schnattern, müßige Spaziergänger nehmen auf Bänken Platz. Hier am See erwacht der Erholungsort Steinhude. Aus einem Cafe duftet es verführerisch. Eine Aalräucherei öffnet gerade seine Tür. Zwischen gemütlich einladenden Fachwerkhäusern entlang und an einem imposanten Dinosaurierdenkmal vorbei kommen wir zum Verpflegungspunkt bei Kilometer 12.

 

Meine Frau Gabi persönlich reicht mir gleich zwei Wasserbecher. Gabi und Jans Frau Nina werden jetzt einen Milchkaffee trinken gehen. Uns Läufern sind Kalter Tee und Bananenstücke sehr willkommen. Wir laufen auf einem Pflasterweg unter Laubbäumen am See entlang und kommen nach Hagenburg. Die vier Meter hohe Holzbrücke über den Hagenburger Kanal ist der höchste Punkt der Marathonstrecke. Von hier aus geht es in die schwimmenden Wiesen südlich des Steinhuder Meeres.

 

In dem Feuchtwiesen-Naturschutzgebiet sind wir der Sonne direkt ausgesetzt. Das macht dieses Teilstück besonders schwer. An den Verpflegungspunkten, alle fünf Kilometer, schöpfe ich mir aus einer bereitstehenden Schüssel Wasser in meine Schirmmütze. Ich laufe zu Jan auf. Plötzlich vernehmen wir Gänsegeschnatter. Ein paar Wildgänse steigen über unseren Köpfen auf.

 

Radtouristen verkehren auf den Wegen. Auch einige Läufer haben Radbegleiter dabei. Die Wege sind breit genug und wir kommen uns nicht in die Quere.

 

Die Halbmarathonmarke passieren wir nach 1h:56min. Laufen wir in dem Tempo weiter, müssten wir unter vier Stunden im Ziel ankommen.

 

Jetzt sind wir halb um den See herum und laufen nordwärts Richtung Mardorf. Der Ort spendet wieder mehr Schatten, was uns aufatmen lässt. Motivierend auch der Applaus von einigen Leuten am Streckenrand. Mit in unserem Tempo läuft die rothaarige Helga. Die Anfang 50 Jährige läuft konzentriert und routiniert. Kein Fehler, wenn auch wir uns an ihr orientieren.

 

Auf der befestigten Meerstraße geht es direkt unter der Sonne entlang. Bald erreichen wir den Uferweg nördlich des Steinhuder Meeres und wir versuchen im Schatten vereinzelter Baumgruppen zu laufen. Der Uferweg stellt unsere Moral auf die Probe. In der Mittagshitze geht es an Stränden, Campingplätzen und zahlreichen Imbissen vorbei. Dort harren Touristen bei kühlen Getränken. Einige Leute klatschen, andere starren uns verständnislos an.

 

Und wir nähern uns der 30. Kilometermarke, der magischen Schranke, die bei vielen Läufern im Vorfeld bangende Fragen aufwirft. Mir geht es auf dieser Touristenmeile erstaunlich gut. Im Kopf beginnt es zu arbeiten: zwölf Kilometer noch, das muss locker zu schaffen sein. Doch was ist mit Jan? Er läuft nicht mehr neben, sondern hinter mir. Aber er sagt, es geht ihm gut. Nur langsamer dürfen wir nicht werden, wenn es unter vier Stunden anzukommen gilt.

 

Anfangs halte ich das Tempo, dann baue ich es zaghaft aus. Jan bleibt dran, Helga fällt zurück. Auf schattigen und engeren Wegen geht es durch das Moor. Urtümlich faszinierend ist es, unter Birken und Eichen, durch Buschwerk und über Holzstege zu laufen. Kein Wunder, dass der Naturpark Steinhuder Meer als Badewanne Hannovers gilt. Knapp 20 Kilometer ist die Landschaft von der Stadt entfernt. Das lockt an diesem sommerlichen Wochenende nicht nur Läufer an. Viele Radtouristen sind mit Kind und Kegel unterwegs. Es kommt zu kleineren Behinderungen. Gegenseitige Rücksicht ist gefragt.   

 

Am Verpflegungspunkt bei Kilometer 37 gießt mir eine Ordnerin zwei Liter Wasser über dem Kopf. Etwas zuviel des Guten, aber besser als zuwenig. Über Getränkemangel braucht sich kein Läufer beschweren. Auch für die hinten laufenden stehen noch ausreichend Wasser, Isostar, kalter Tee oder wie hier sogar eine Salzlösung bereit. Auch Bananen- und Apfelstücke werden regelmäßig gereicht. Ab Kilometer 33 gibt es alle 3 – 4 Kilometer Verpflegung.

Das hilft den sich zuletzt dahinschleppenden ungemein.

 

Auch die Streckensicherung ist bestens organisiert. Beinahe an jeder Ecke stehen Ordner, die schon von weitem durch Warnwesten zu erkennen sind. Bodenmarkierungen und Richtungspfeile tun ein Übriges, jeder gelaufene Kilometer wird angezeigt.

 

Bei Kilometer 38 werde ich nochmals schneller. Sei es, das Ziel zieht, sei es, ich fühle mich kräftemäßig gut. Jan wird unter vier Stunden ankommen, das weiß ich ganz bestimmt. Die letzten Kilometer läuft jeder für sich.

 

Es geht vom Steinhuder Meer, der Hinwegstrecke entgegengesetzt, zurück nach Poggenhagen. Ich überhole vereinzelnd laufende Männer, jüngere und ältere. Die jüngeren quälen sich mehr, verziehen das Gesicht, sind vom Schweiß getrieft.

 

Reinhold und Hans-Joachim sind beide Jahrgang 1939. Hans-Joachim läuft heute seinen 910. Marathon. Er gehört schon längst dem Marathon Club 100 an. Ende nächsten Jahres will er seinen tausendsten laufen. Keine Ahnung, ob es einen Marathon Club 1000 gibt? Hans-Joachim wird es wenig jucken, dass er heute auf dem letzten Kilometer noch von Reinhold überholt wird. Die beiden werden zweiter und dritter in der AK M65.

 

Ich laufe nach 3h:52,26min in das Ziel auf dem Sportplatzgelände des TSV Poggenhagen ein und werde 15. der AK M35. Jan folgt fünf Minuten später, aber vor ihm kommt noch Helga. In kämpferischer Manier wird sie erste der AK W50. Weiche Knie und schwere Beine machten Jan zu schaffen. Aber mit Platz zwei in der AK M60 ist er sehr zu frieden. Noch mehr freut es ihn, gleich bei seinem ersten Marathon unter vier Stunden geblieben zu sein.       
 
Eine Minute hinter Jan kommen auch Mark und Jürgen ins Ziel. Jürgen lässt Mark galant den Vortritt. Mark sieht geschafft aus, aber er hat es auch geschafft: unter vier Stunden bei seinem ersten Marathon.

 

Jeder Marathonteilnehmer erhält neben seiner Urkunde eine Medaille im Ziel. Die Medaille lässt die gerührten Empfindungen in uns noch anschwellen. Stolz prangt die Nachbildung der Olympiamedaille 2004 von Athen auf der Brust.

 

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