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22.04.12


Tour de France Stimmung am Start


Die Grenze zwischen Ober- und Unterspreewald bildet die Stadt Lübben. Die ersten Kilometer fahren wir noch auf einer stark befahrenen Straße bevor es merklich ruhiger wird. Ein paar Windräder schwingen ihre Flügel. Die Sonne scheint. Ich liege auf meinem Triathlon Lenker. Warum liege ich jetzt nicht auf der Couch oder bei einer Kosmetikbehandlung mit Spreewaldgurken?

So ließe es sich einige Stunden länger aushalten. Schnell stellen wir fest, dass sich die Schönheit des Spreewaldes nicht nur zu Wasser erschließt, sondern auch eine „Radtour“ bestens geeignet ist, die Region zu erkunden. Wir fahren abseits der postkarten-verklärten Touristik-Route. Gemütlich draufliegen und mit den Beinen kräftig kurbeln. Das vertraute Gefühl kehrt zurück.

Jedoch bedenklich, wie wir hier so Rumgurken. Da kommt eine große Gruppe durchtrainierter Rennradler an uns vorbeigezogen. Mein „alter“ Instinkt ist geweckt. Ich bin hellwach und erhöhe die Wattzahl über die Kurbel. Es funktioniert, ich bin dran. Lasse mich ziehen vom Windschatten. Es rollt und rollt. So könnte es stundenlang weitergehen. Nach und nach, wie beim „Belgischen Kreisel“ werde ich nach vorne durchgereicht.

Ein Typ im Hürzler-Trikot will nicht die Windarbeit für die anderen machen und schämt sich auch nicht, mich vorne an der Spitze der vielleicht 30 Mann starken Gruppe fahren zu lassen. Ich merke schnell, der hat bei Hürzler trainiert. Ich lasse mir keine Schwäche anmerken. Liege auf meinen Lenker auch wenn ich dadurch kein Windschattenspender für meinen Hintermann bin und trete rein. Der Tacho ist auf 36 und Kay hat es nicht bemerkt, denn er fotografiert von hinten die Gruppe. Lange halte ich das allerdings nicht durch und so bin ich auch froh, als wir an der nächsten Abbiegung nicht mehr wissen, in welche Richtung es weiter geht.

Hier im flachen Land setzt uns der Wind kräftig zu, der natürlich immer nur von vorne weht. 47,5 Kilometer auf dem Tacho und wir haben uns verfahren. Der holprige Asphalt hat den bis dahin guten „Schnitt“ schrumpfen lassen. Also wieder zurück bis nach Alt Zauche, weiter nach Neu Zauche. Weithin sichtbar sind die strahlend weißen, hohen Türme der Dorfkirche von Straupitz. Karl Friedrich Schinkel erbaute diese 1827 bis 1832. Sie ist Baudenkmal von überregionaler Bedeutung.

Von Bedeutung ist jetzt für uns jetzt jedoch  hier nur der Verpflegungspunkt mit Kontrollstelle. Es herrscht Urlaubsatmosphäre. Die Kalorienzufuhr kein Problem, denn die Auswahl ist reichlich. Neben der Gurke werden auch Wurstbrote, Käse- und Schmalzbrote angeboten. An einem Stand mit typischen Spreewälder „Plinsen“, die bei uns Eierpfannkuchen heißen, stehen viele an, hierauf haben alle Heißhunger. Die Fahrer des Rad-Marathons biegen hier auf die längere Strecke ab.


Paris/Roubaix


Der Spreewald ist tatsächlich auch ein Radlerparadies: Topfeben, der Straßenbelag ist wie gebügelt. Nur einmal erinnert ein Stück an Paris/Roubaix. Aber auch dieses Kopfsteinpflaster ist schnell vergessen. Immer der Gurke nach. Wir befinden uns auf dem Gurkenradweg, dessen Länge circa 250 Kilometer beträgt, gekennzeichnet durch das Symbol der radelnden Gurke. Wir fahren vorbei an Schlössern, Kirchen, Heimatmuseen und Ausflugslokalen. Wir fahren weiter über Leibschel und Groß Leine. Immer wieder genieße ich das Tempo. Wie lange haben wir gestern für einen Kilometer gebraucht? Jetzt fliegen uns die Kilometer nur so um die Ohren.

Wir fahren am Briesensee vorbei. Die Strecke ist verwinkelt. Wir erreichen den Erholungsort Burg, auch als „preußische Seele des Spreewalds“ bezeichnet. Denn schon im 15. Jahrhundert kam der Ort unter die Herrschaft der brandenburgischen Kurfürsten und später der preußischen Könige. Auf der linken Seite des Schlossberges steht der etwa 30 Meter hohe Bismarckturm. Das Denkmal entstand um 1916 und besteht aus 1,5 Millionen Klinkersteinen.

Wir rasen durch die flache Spreewaldlandschaft an Wiesen und Felder vorbei. Man muss nicht lange überlegen, um zu wissen, was hier angebaut wird. Natürlich vorwiegend Gurken und  Meerrettich. Von weiten kann man sie schon sehen, die Slawenburg. Im frühen Mittelalter war die Niederlausitz überzogen von einem Netz kleiner ringförmiger Burganlagen. Sie ist originalgetreu nachgebaut und erinnert an eine heute weitgehend verschwundene Kultur.

Der Spreewald war ursprünglich reines Sorbenland. Deutsche Siedler nannten sie „Wenden“. Über Jahrhunderte hinweg sind deren Sprache, Sitten und Bräuche bis heute erhalten geblieben. Worte wie Gurke und Quark wurden von der slawischen in die deutsche übernommen.

Über die Orte Bischdorf, Boblitz, Klein Benchow erreichen wir unseren Ausgangsort Lübben. Glücklich oder nur zufrieden? Die Frage stellen sich viele Läufer, die seit einigen Jahren laufen, ihrem Lauftreff möglicherweise immer treu gewesen sind – und plötzlich stürzen Sie sich in eine Affäre. Jetzt auf dem Rad merkte ich wieder, was ich entbehrt habe. Lang vermisste Gefühle, die längst verschüttet geglaubt waren, tauchten wieder auf: Gefühle wie Gegenwind, die Freude, Neues und doch Vertrautes zu entdecken.

 

Tour de France Stimmung im Ziel


Und wo die Tour de France ist, da ist auch Didi Senft. Der Teufel fehlt bei keiner Tour de France und schwingt nun heute hier seinen Dreizack, als wir über die Ziellinie fahren. Eine Frau mit einer großen Haube der sogenannten „Lapa“ und in sorbisch/wendischer Tracht hängt uns die bronzene Gurke am giftgrünen Band um den Hals. Krumm wie die Gurken-Medaille, steige ich von meinem Rennrad.

Hunderte von Menschen sind schon auf der Schlossinsel. Die Atmosphäre gleicht einem Stadtfest, nur sportlicher. Viele liegen in der Sonne auf dem Gras. Andere bedienen sich am Gurkenbüfett oder lassen sich die Beine massieren. Unsere ausschließlich über das Laufen aufrechterhaltene Kondition hat auch für's Rennradeln ausgereicht. Immerhin für 122 Kilometer und noch einen knappen 30er Schnitt. Was will man mehr?

Bis zur nächsten Gurkenverleihung, dem 5 Kilometer Nachtlauf, bleiben uns noch ein paar Stunden. Zuvor müssen wir unsere Startunterlagen in Burg für den Nachtlauf und das morgige Skaten abholen.

Es ist mittlerweile kurz vor 17:00 Uhr, wir sind in Burg und nun fällt gleich der Startschuss für den 42 Kilometer Skatemarathon, den wir uns natürlich interessiert ansehen wollen. Ganz vorne an der Startlinie sehe ich Claudia Pechstein. Mit ihren Oberschenkeln hebt sie sich von den anderen Mädels ab. Aber auch sie klagt über Schmerzen an den Füssen in den eng geschnürten Skaterschuhen.


Samstagabend: Jubiläums Nachtlauf


Gleich beginnt der Start in unserer momentanen Lieblingsdisziplin, dem Laufen. Wenn auch nur über 5 Kilometer! Es ist Neumond in Burg. Und um 20:30 Uhr heißt es: „Auf die Gurke, fertig, los“ Jedoch ohne Zeitnahme. So begeben sich Hund, Katze, Maus, einfach alles was aktiv sein will, auf die 5 Kilometer lange Strecke. Die Lichter der Stirn- und Taschenlampen sehen aus wie Glühwürmchen an der Spree. Die Glühwürmchen laufen nun über eine Brücke, dessen Holztreppe mit Fackelschalen beleuchtet ist. Die örtliche Feuerwehr ist für die bunt beleuchteten Wasserspiele zuständig. Immer wieder werden wir von einem Feuerwerk begleitet. Die Lust am Laufen kommt zurück.

Die Strecke ist kurz und bis der Durst kommt, ist schon alles vorbei. Der erstmalig in das Programm aufgenommene Nachtlauf ist ein echtes Highlight des diesjährigen Jubiläums. So kurz wie der Lauf, so klein ist auch die Medaille – mehr so ein Cornichon. Dies grüne Gürkchen lässt unseren persönlichen Medaillenspiegel wachsen und das Feuerwerk der Superlative bildet einen schönen Abschluss am heutigen sportlichen Samstag. 

Bis morgen, dann geht’s sportlich weiter. 

 
 

Informationen: Spreewald Marathon
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