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Laufberichte

Speed Dating

22.04.12

Fotos: Kay Spamer

Uns überrascht eine Pressenotiz: „Die Lausitz ist als Landstrich der harten Kerle und knackigen Frauen bekannt“. Nicht nur Männer reizt die Abwechslung oder das kleine Abenteuer, auch Frauen gehen fremd – viel öfter, als man denkt.

Nicht nur ich stehe dazu. Die Gründe und Motive für das Fremdgehen sind unterschiedlich: Verletzung, fehlende Abwechslung, Monotonie. Das alles schon zu Beginn des Frühlings? Was wird nun aus der Laufsaison? Die Leistung ist wie festgefahren weil einfach der „Kick“ fehlt?

Genau aus diesem Grund setzen wir an diesem Wochenende auf neue Trainingsreize. Die Möglichkeit dazu bietet uns der Abenteuer-Parcours „Spreewaldmarathon“. Wie bei einer Partnervermittlung können wir da für uns das Richtige auswählen. Im Internet konnten wir uns bereits über das große Angebot informieren. Sechs völlig unterschiedliche Profile, an verschiedenen Orten und jedes in einer anderen Größe. Die Hauptattraktion ist und bleibt auch beim Spreewaldmarathon die Gurke. In Gold, Silber oder Bronze. Welche der gusseisernen Medaillen man jedoch erhält, ist abhängig von der Strecke. Und diese gibt es von XS bis XXL. Wer da nicht sein Glück findet.

Wir können uns nicht entscheiden, die Auswahl ist groß. Wir versuchen es mit „Speed-Dating“. Das bedeutet, in einer sehr kurzen Zeit wird oft von einem zum anderen gewechselt. Hier wird alles geboten: Von Freitag bis Sonntag wird auf insgesamt 25 Strecken und in 38 Wettbewerben gelaufen, geradelt, geskatet, gewandert, gewalkt und gepaddelt.  Der Höhepunkt kommt nach einem langen und anstrengenden Vorspiel: Der Marathon am Sonntag.

Wir kommen immer schnell auf den Punkt. Bereits 2011 liefen wir den Spreewaldmarathon im Zuge unserer Bundesländer-Marathonläufe. Den Bericht findet ihr auf marathon4you.

Nicht nur Kay schielte damals schon nach der Unbekannten und Fremden und so mussten wir einfach wieder in den Spreewald kommen. Völlig unerfahren und unschuldig lassen wir uns auf so manche Neubekanntschaft ein, die selbst bei unserer glücklichen Läuferkarriere zum Seitensprung beiträgt. Lest alles über den Austragungsort, die Wettkampfstätten und natürlich das Ringen um die (Gurken)-Medaillen.

 

Speed-Dating an drei Tagen mit vier „Typen“: Paddeln, Laufen, Rennrad, Skates


Die Herausforderung beginnt schon bei der Abholung der Startunterlagen. Die Unterlage erhält man am jeweiligen Austragungsort des Wettkampfes. Uns bleibt nur Bewunderung für die logistische Höchstleistung des Organisations-Chef Hans-Joachim Weidner: Fünf unterschiedliche Anmeldeorte und insgesamt 10.060 Sportler auf allen Strecken wollen eine Startnummer hier beim Sportfestival. Wir sind gespannt, ob unsere Unterlagen dort sind, wo wir sie erwarten und das auch noch zur genannten Uhrzeit. Aber die Organisatoren des Spreewald-Marathon e.V. sind keine Neulinge. Zum 10. Mal organisieren sie mit viel Engagement die größte Breitensportveranstaltung des Landes Brandenburg und so klappt jede Abholung reibungslos.

Hier treffen Norddeutsche auf Süddeutsche, Niederländer auf Engländer. Für viele die hier starten, stehen nicht Zeiten und Ränge im Mittelpunkt, sondern das Neue, das Besondere, das Abenteuerliche, die gemeinsamen Erlebnisse mit der gesamten Familie oder Freunden, der eindrucksvolle Spreewald und der olympische Gedanke: „Dabei sein ist alles“.


Freitag: 42 Kilometer Marathonpaddeln


Wir wagen heute unsere außergewöhnliche Expedition durch das Spreewalddelta mit seinen 1000 Kilometern verzweigtem Gewässernetz des UNESCO Biosphärenreservates. Rund um und an der Spree gedeihen ungefähr 18.000 Pflanzen- und Tierarten, von denen jedoch erst ein Bruchteil erfasst wurde. Dazu gehören viele bekannte und geschützte Arten wie See- und Fischadler, Schwarz- und Weißstorch, Eisvogel, Wiedehopf, Kranich, Fischotter und Biber. Zusätzlich vermehrt sich ebenfalls bestens eine farbenfrohe Spezies: die Kanuten.

Wir stürzen uns in unsere erste Affäre. Der Kick des neuen reizt. Paddelstrecken ohne Zeitnahme und eine Paddelstrecke mit Zeitnahme werden angeboten. Die Auswahl ist groß, die Ahnung klein. Einfach Lospaddeln? Um möglichst viele Disziplinen an einem Wochenende zu meistern, entscheiden wir uns für eine Paddelstrecke ohne Zeitnahme, da man diese bereits am Freitag absolvieren kann.

Ohne auch nur zu ahnen, wie lange wir dafür brauchen werden, nehmen wir uns leichtsinnig, die 42 Kilometerstrecke vor, denn eine Marathondistanz sollte an diesem Wochenende wenigstens dabei sein. Vom Triathlon sind wir es gewöhnt, mit der feuchten Disziplin zu beginnen: Schwimmen können wir und Angst vor kaltem Wasser haben wir zum Glück auch nicht. Was uns fehlt, ist die Kraft in den Armen. Besonders hier beim Kajakwandern auf dem langsam fließenden Zahmwasser, ist auch eine gewisse Ausdauer gefordert - schließlich müssen wir den Vortrieb einzig mit den Armen erarbeiten. Jedoch schonen wir so die Beine für die nächsten Disziplinen.

Am Bootshaus Leineweber in Burg erhalten wir die Startunterlage und den Startstempel auf der Kontrollstempelkarte. Vier Kontrollstellen müssen auf der längsten Tour angepaddelt werden. Ein Boot zu mieten ist nicht so einfach. Kajak, Paddelboot und Kanu, das ist hier die Frage? Wir entscheiden uns für ein 2er Kajak, auch Sportpaddelboot genannt. Jedoch sieht unser Wassergefährt nicht aus wie ein Sportpaddelboot, eher wie eine große grüne Plastikgurke.

„Wie, ihr seid noch nie gepaddelt? Was, Anfänger! Na, da habt ihr euch ja was vorgenommen“. Die Theorie der Paddeltechnik im Kajak ist verstanden: Es wird mit einem Doppelpaddel mit Blickrichtung nach vorn gepaddelt. So aufgeklärt freue ich mich auf die romantische Spreewaldlandschaft mit trauter Zweisamkeit und Momenten des Glücks.


Vorsichtig steige ich in unsere Gurke


Die Gesetze der Schwerkraft zwangen schon so manchen Paddler zu waghalsigen Unterwasser-Stunts. Verdammt tief sitze ich auf dem harten Plastiksitz. Schließlich ist es soweit, wir sind unterwegs. Ich blicke aufs Wasser. Meine Miene noch aufgeregt angespannt, die Arme ständig in Bewegung. Auch der Teufel spannte eines Tages seine Höllenochsen vor einen Pflug. Diese waren stur, so wie Ochsen eben sind, und bewegten sich keinen Meter vorwärts. Darüber geriet der Teufel in Zorn und trieb die Viecher kreuz und quer über das Ackerland. Das Feld war völlig zerstört. In den verbliebenen Rinnen füllte sich bald Wasser und der Spreewald entstand.

Hier im Unterspreewald Lübben soll die Spree 4,00 bis 7,00 Meter tief sein. Die Hauptquelle der Spree liegt im Lausitzer Bergland, nahe der Grenze zu Tschechien. Sie durchquert die Heide- und Teichlandschaft zwischen Bautzen und Spremberg, fließt durch Cottbus und Lübben und führt weiter über Beeskow und Fürstenwalde nach Berlin.

Wir sind im Leineweberfließ. Unzählige Verästelungen, viel Grün, spreewaldtypisch Häuser und es herrschen Ententeichbedingungen. Wir müssen nicht gegen den Strom paddeln aber auch kaum mit ihm. Nur mittels kräftiger Vorwärtspaddelschlagtechnik legen wir lange Strecken geradeaus zurück. Aber aufgrund der nicht vorhandenen Paddeltechnik schaufle ich mir mit jedem Zug Wasser ins Boot. Gleich ist mein Hinterteil völlig durchnässt und ich hocke für Stunden in der nassen Brühe.

Angst,  uns im Fließlabyrinth zu verirren, brauchen wir nicht zu haben, denn die Wasserwege sind ausgeschildert. Gleich beginnt der erste schwierige Teil der Expedition: ich paddle in die erste Schleuse. Hinter mir schließen sich die Tore, das Wasser fließt sprudelnd ein, der Höhenunterschied wird ausgeglichen. Natürlich müssen wir die Schleusen in Selbstbedienung betreiben und so sammele ich beim Ausfahren aus der Schleuse Kay wieder auf. Vielleicht sind wir aber schneller, wenn wir das Boot aus dem Wasser heben und um die Schleuse herumtragen und auf der anderen Seite wieder einsetzen? Tatsächlich passieren wir an einer anderen Stelle eine Schleuse, wo wir das Boot über Rollen ziehen können. Eine angenehme Erfindung.

Nach dieser Zeitverzögerung versuchen wir möglichst schnell wieder Fahrt aufzunehmen. Immerhin, wir überholen eine schwimmende Ente, die sich lautstark darüber beschwert, auch eine kleine Schlange nimmt vor uns Reis aus. Spätestens jetzt, hier an der Kurve sind unser Gleichgewichtssinn und unsere Beweglichkeit gefordert. Wir paddeln rhythmisch und synchron, ein paar Singvögel sind schon auf. Urlaub für die Seele. Richtig entspannen, Stress abbauen, den Kopf frei bekommen, neue Kraft schöpfen - so hatte ich mir das hier vorgestellt. 

Bei der Kilometermarke 17 sind wir am denkmalgeschützten Museumsdorf Lehde. 47 Gehöfte mit den spreewaldtypischen Holzhäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert sind hier zu sehen. Seit mehr als 100 Jahren gehört der Post-Kahn hier zum Alltagsbild und selbst die Müllabfuhr kommt mit dem Kahn. Theodor Fontane nannte das Dorf „Lagunenstadt in Taschenformat“.

Wir passieren das Freilichtmuseum, in dem sich das „Dreigenerationenbett” befindet. Heiratet ein Paar, dann dürfen die beiden in den ersten 4 Wochen auf dem Heuboden schlafen, bevor sie zu den Eltern/Schwiegereltern ins Bett umziehen müssen. Dort wird ihnen Platz gemacht von den Großeltern, die ihrerseits nun das Bett räumen müssen, um aufs Altenteil zu gehen. Der zukünftige Nachwuchs schläft in den Schubladen, die abends unten aus dem Bett herausgezogen und zu Kinderbetten umfunktioniert werden. Noch Fragen?

Sonnenlicht fällt durch die Baumwipfel, für einen Moment kann ich die Romantik des Spreewaldes erahnen. Immer wieder paddeln wir unter Brücken für Fußgänger oder Radfahrer durch.

 
 

Informationen: Spreewald Marathon
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