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Laufberichte

Wings for Life Worldrun

08.05.16 Special Event
 

Eine Steilkurve bringt uns auf den Rudolf Harbig Weg, der uns direttissima ins Herz des Olympiageländes zurückführt. Das vielleicht schönste Streckenstück folgt nun: Dem geschwungenen südlichen Seeufer folgend begleitet uns ein toller Blick auf die Skyline der Dächer der Stadien jenseits des Sees.

Wie ein gewaltiger Riesenzahnstocher ragt direkt vor uns der Olympiaturm 300 Meter weit in den Himmel. Von der Aussichtsplattform hoch oben hätte man sicher einen netten Blick auf die „Ameisenstraße“ der Läufer, die da durch den Park wuselt. Vorbei an der SoccArena und dem Eislaufstadion lässt uns eine Fußgängerbrücke den Mittleren Ring überwinden.

Der Mittlere Ring trennt vielspurig die Sportstätten vom Olympischen Dorf. Und vom Werksgelände von BMW. Vor mir thront der berühmte silbrige Vierzylinder-Turm, seit 1973 Sitz der BMW-Hauptverwaltung. Auffälligstes Stück im BMW Ensemble ist mittlerweile allerdings die „BMW“-Welt, die erst 2007 fertig gestellte Ausstellungs-, Auslieferungs-, Erlebnis-, Museums- und Eventstätte am Rande des Werksgeländes. Gleichermaßen fantasievoll wie futuristisch ist dieses unbeschreibliche Konstrukt aus Beton, Stahl und Glas.

 

 

Weiter geht es durch den Olympiapark, nun nördlich des Mittleren Rings. Wir folgen dem wie auf einem Damm erhöht liegenden Kolehmainenweg. Zur Rechten ziehen an uns die Hochhäuser des einstigen Olympischen Dorfs, davor die langen Reihen bunt bemalter Studentenbungalows vorbei. Zur Linken spitzen die Dächer und die diese haltenden Stahlarme der olympischen Sportstätten durch das Blätterdach.

Durch viel Grün geht es weiter über den Kusocinskidamm, vorbei am weiten Gelände der Zentralen Hochschulsportanlage (ZHS). Um die ZHS herum laufen wir durch die westlichsten Ausläufer der Grünanlagen des Olympiaparks noch einmal mit Panoramablick dem nun schon fernen Olympia-Stadion entgegen.

Eine Erfrischung der besonderen Art erwartet uns bei km 8. Aus einem sogenannten „Refreshbogen“ bricht kühler Wasserdampf über uns herein. Und immer schön lächeln heißt es, denn der Moment des „Uuaah-“-Erlebnisses wird fotografisch gebannt. Man kann sich den persönlichen Gesichtsausdruck später bei Gerolsteiner kostenlos im Netz herunter laden.

Endgültig Abschied nehmen wir vom Olympiapark bei km 9,5: Eine Brücke bringt uns auf Höhe der Landshuter Allee bequem und sicher über den Mittleren Ring und leitet sozusagen das nächste Kapitel unseres Lauf ein.

 

Go West

 

Der erste und ohne Zweifel attraktivste Teil des Streckenkurses ist bewältigt. Soweit man dazu in der Lage ist, kann man sich jetzt umso mehr auf das Laufen konzentrieren. Denn zumindest optisch ist auf den nächsten Kilometern eher Durststrecke angesagt. Tatsächlich muss natürlich niemand Durst leiden. Etwa alle 5 km ist eine „Tränke“ eingerichtet. An langen Tischreihen wird Wasser und Elektroytisches bereit gehalten, dazu gibt auch Gehaltvolleres in Form von Bananen und Riegeln. Und: Red Bull Cola, in das ich heute mein ganzes Vertrauen als Vorschubverstärker setze. Das Wasser landet primär über meinem Kopf. Die mittlerweile 24 Grad C im Schatten fühlen sich im Laufmodus fast schon wie brütende Hitze an.

Durch das ausgedehnte Moosacher Gewerbegebiet geht es zunächst ein kurzes Stück entlang des Georg-Brauchle-Rings, stets den monolithischen O2-Glastower im Blick, einem der wenigen Münchner Gebäude, die das Attribut Wolkenkratzer verdienen. Via Ries- und Pelkovenstraße erwarten uns teils chice Neubauten, teils aber auch öde Betonklötze. Vorbei geht es am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ), mit 130 Geschäften auf 56.000 qm Münchens größtem Shopping-Tempel. Von außen schaut der Komplex aber auch nicht attraktiver aus als die umliegenden eintönigen Wohnblöcke.

 

 

Doch schon wenig später ändert sich die Umgebung schlagartig: Aus der bodenversiegelten Urbanität treten wir von einem Moment auf den anderen hinaus in die pralle Natur. Das Areal des Rangierbahnhofs und die Fasanerie sind nun unser Laufrevier. Das klingt zunächst einmal wenig verlockend. Allerdings hat man dieses Areal mit Wall und Naturgelände so ummantelt, dass man von dem gen Westen immer breiter werdenden Bündel der Schienenstränge kaum etwas mitbekommt. Auf Naturwegen traben wir fern jeglichen Lärms durch das frische Frühlingsgrün der Bäume. Einziger Wermutstropfen: Es geht immer wieder auf und ab. Von oben eröffnet sich ab und an ein weiter Blick über das beeindruckende Bahngelände, wo gerade Hunderte von PKW der Verladung per Autozug harren.

Erst bei km 15 endet unser Ausflug in die Natur, spüren wir wieder den Straßenasphalt unter unseren Sohlen. Ludwigsfeld, schon ziemlich weit im Münchner Nordwesten gelegen, ist erreicht. Eine Karawane von Shuttlebussen reiht sich hinter dem Verpflegungsposten am Straßenrand. Waren es bei km 10 noch drei einsame Fahrzeuge, sind es hier schon viermal so viele. Aber ihre große Stunde kommt erst, wenn das Catcher Car vorbei zieht. Und das ist zum Glück, zumindest hoffe ich das, noch weit entfernt.

Wir folgen einer schier endlos langen Allee, Auf den Schrederwiesen genannt, und queren schließlich den Autobahnring A99. Am Horizont ragt die Konzernzentrale von MTU in den Himmel. Nur durch den viele Meter hohen Lärmschutzwall getrennt folgen wir dem Verlauf der Autobahn westwärts. Auch hier heißt es einmal mehr „Kilometerfressen“. Erst in Allach macht der Kurs einen Knick und führt uns über die Eversbusch- und weiter die Birkenstraße weg von der rauschenden Autobahnbrandung.

„Karlsfeld, Kreis Dachau“ kündet kurz darauf bei km 19 ein Ortsschild. An sich ein stiller Flecken mit beschaulichen Einfamilienhäusern – aber nirgendwo sonst entlang der Strecke wird uns ein derart herzlicher Empfang bereitet wie hier. Überall stehen die Familien vor den Häusern und feuern uns mit Musik und Geklatsche an, oder bescheren uns per Gartenschlauch erfrischende Momente.

Dem Gündiger Weg folgend umgeben uns kurz darauf aber schon wieder einsame Wiesen und Felder. Der blühende Raps überzieht den Boden immer wieder mit leuchtenden Teppichen. Inmitten der Pampa zwischen Karlsfeld und Eschenried kündet nicht nur ein großes Schild, sondern schon aus der Ferne hörbar bayerische Blasmusik von der Bewältigung der Halbmarathondistanz. Eine Blaskapelle in Tracht, mitten im Acker stehend, sorgt für bayerisches Lokalkolorit. Und für spontane Freudenausbrüche bei so manchem Ankömmling. Nicht nur für mich ist die Bewältigung des „Halben“ vor der Ankunft des Catcher Cars eine Art heimliches Ziel, vor allem, wenn man bedenkt, dass gemäß Statistik der Durchschnittsteilnehmer „nur“ 14,44 km und 1:28 Std. unterwegs ist, bevor das Catcher Car zuschlägt.

 

 

Was jetzt noch kommt, fällt unter Kür. Zunehmend spukt im Hinterkopf allerdings die bange Frage, wendet sich der Blick den Horizont absuchend nach hinten: Wo isses denn …. das Catcher Car? Eine Weile ist um mich herum weiterhin nichts außer stiller Landidylle. Mit Gröbenried erreiche ich das nächste Dorf am Weg. Dann klingt auf einmal fernes Gehupe an mein Ohr. Zu sehen ist noch nichts. Das Hupen wird stärker, menschliche Rufe kommen dazu, immer näher. Und dann sehe ich sie auf einmal hinter einer Biegung daher schleichen, unerbittlich, unaufhaltsam, und auf alle Fälle schneller als ich es bin: die beiden bunten BMWs mit dem seltsamen Dachaufbau. Vor mir erspähe ich das km 23-Schild. Dieses will ich, dieses muss ich noch packen, denke ich mir, und presche los, und mit mir alle anderen. Aber es ist keine Hetze, kein Stress, der uns antreibt, mehr eine Form von ausgelassenem Spaß. Ja, es ist so weit und wir sausen einer imaginären Ziellinie entgegen.

Ich „finishe“ hinter dem 23 km-Schild. Noch bevor der Wagen da ist, bringe ich die Kamera in Position und beobachte die Läufer, wie sie sich vor dem Fahrzeug hertreiben lassen, meist lachend, mit hochgereckten Armen – geschafft. Die beiden Wagen rollen vorbei und ehe ich mich versehe, sind sie auch schon entschwunden. Auf einsamer Flur nach Luft schnappend bleiben wir zurück, den Moment auskostend. Das war es also.

Über Eschenried, Neuhimmelreich, Feldgeding und in einem weiten Bogen durch das Brucker Hinterland hinaus bis Jesenwang, dann via Fürstenfeldbruck und Olching gen München gerichtet – so führt der weitere Kurs, dann endet die im Plan eingezeichnete Strecke im Nirwana. Das ist aber auch kein Wunder, denn diese Streckenführung ist reine Theorie, da es ohnehin keiner der Starter bis hierher schafft.

 

Per Shuttle ins Olympiastadion

 

Ist das Catcher Car erst einmal vorbei, fällt die Anspannung schnell ab und es stellt sich die Frage: Wie komme ich zum Startpunkt zurück? Auch hierfür gibt es ein ausgeklügeltes System. Entlang der Strecke sind immer wieder Sammelpunkte eingerichtet, wo Shuttlebusse der gestrandeten Läufer harren. Ich habe Glück, denn der nächste „Shuttlebus-Stop“ liegt kaum 200 m hinter mir. Schnell ist der Bus voll und los geht`s. Eine dreiviertel Stunde sind wir unterwegs und gefühlsmäßig eine halbe Weltreise unternehmen wir, ehe wir direttissma im Olympiastadion einlaufen. Die zahllosen Stufen des Stadions hoch fordern nochmals die Mobilisierung letzter Kräfte. Aber dann winkt schon die Zielverpflegung, vor allem aber – endlich und heiß ersehnt - ein kühles Weißbier. Oh, wie das „zischt“ …

 

 

Angesichts des traumhaften Wetters herrscht Fiesta-Stimmung nicht nur im Stadion, sondern auch auf dem Coubertinplatz. Auf einer Großleinwand kann man das weltweite Laufgeschehen verfolgen, kann man beobachten, wie sich Münchens Topläufer Florian „Flow“ Neuschwander hitzegebeutelt und krampfgeschüttelt über die letzten Kilometer quält. Nach 63,66 km ist für ihn heute Schluss. Der weltweite Sieger 2016 ist Giorgio Calcaterra, der in Mailand erst nach unglaublichen 88,44 km vom Catcher Car überrundet wird. Kaori Yoshida sorgt mit 65,7 km in Takashima auch bei den Frauen für einen neuen Streckenrekord.

 

 

Fazit:

 

Ein tolles Event, ein tolles Konzept, das nicht zufällig die Läufermassen mobilisiert und elektrisiert. Auch wenn ich als „normaler“ Marathonläufer hier keine Chance habe, einen solchen tatsächlich zu bewältigen, so ist der Erlebniswert keinesfalls geringer und das Finish nicht weniger aufregend. Wer nächstes Jahr, am 7. Mai 2017 dabei sein will, sollte nicht zu lange warten. Die Online-Registrierung für 2017 läuft schon wieder.

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