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Laufberichte

Treviso Marathon 1.3: Corri nelle terre del Prosecco

06.03.16 Special Event
 

Bei der 5 km-Marke in Susegana, eine Gemeinde mit ca. 12.000 Einwohnern, müssen die Läufer nach rechts ausweichen, der erste Rollstuhlfahrer kommt uns entgegen, der das Abwärtsgefälle gut nutzt und schnell unterwegs ist. Aber, Schreck lass nach, die Pacer negieren die erste Labestelle, sie bleiben keine Sekunde stehen, sondern laufen vorbei. Ich schnappe mir eine Wasserflasche, trinke einige Schlückchen im Gehtempo  und verliere gleich 20 Meter. Das fängt ja gar nicht gut an. Ich muss mich anstrengen, die kleine Gruppe wieder einzuholen. Es geht geländemäßig gesehen immer noch leicht  aufwärts. Zu unserer Rechten auf den Hügeln befindet sich das heute noch erhaltene Castello di San Salvatore, welches aus dem Jahre 1323 stammt und durch die Herren von Treviso errichtet wurde.

Wir laufen auf schmalen asphaltierten Zubringerstraßen inmitten ausgedehnter, sehr gepflegt wirkender Weinkulturen.

 

 

Ein Transparent der „Amici Parco Bolda“ begrüßt uns – dies ist eine Vereinigung, die sich für die soziale Integration und die Rechte von Menschen mit Behinderungen, vor allen Kindern, seit 1985 einsetzt – der moderne Begriff dafür lautet  „Inklusion“.

In einer 90 Grad-Wende nach Nordwesten verläuft der Marathonkurs nun in Richtung Ponte della Friula. Nach zwei Kilometern durch die Weinkulturlandschaft gelangen wir auf die Einfahrtsstraße zurück. Erstmals sehen wir die bis dahin viel schnelleren Läufer vor uns, die auf der anderen Straßenseite in hohem Tempo entgegenkommen. Ich lasse mich etwas zurückfallen, laufe in der Fahrbahnmitte, um so eine bessere Sicht für die Fotos zu haben.

Genau bei der Ortstafel von Ponte della Friula, das zur Gemeinde Susegana gehört,  kommen uns die 3:45er-Ballonträger entgegen, bis zur Wende sind es nur noch 500 Meter. In diesem Feld befinden sich auch zwei in der Laufszene bekannte Österreicher.

Nach der Wende werfe ich einen Blick auf die uns nun Entgegenkommenden. Auch hier fällt auf, dass die 5 Stunden-Läufer in großer Anzahl nur maximal 500 Meter (nach 10 Kilometern) hinter uns sind. Da sind drei oder vier Laufminuten. Ein bisschen Kopfrechnen schadet nicht, so behält man die Übersicht. Ich bin nach wie vor im Pulk der 4:30er-Gruppe, spüre aber schon eine gewisse Müdigkeit. Auch bei der 10 km-Anzeigetafel schnappen sich die Pacer nur eine Wasserflasche und bleiben keine Sekunde stehen. Das ist eher ungewöhnlich, weil Schrittmacher sonst solche Kurzpausen wieder gut und ohne Aufsehen aufholen.

 

 

Bei Kilometer 11 schwenkt der Marathonkurs nach Osten ab. Es geht in einer Schleife auf einer ziemlich abgenutzten Asphaltstraße wieder vorbei an brach liegenden Äckern, bereits grünen Wiesen und Weinkulturen, die um diese Jahreszeit aber noch keine Austriebe haben. Auf den Bergen in der Region liegt Schnee, in Conegliano werden im einzigen Sportgeschäft  der Stadt Schi verkauft.
Nach 12,5 km kann man sich an der dafür vorgesehenen Station  einen Schwamm schnappen, was kaum jemand tut, denn so warm ist es nicht. Man spielt dort volkstümliche Musik, ein Läufer aus unserer Gruppe bleibt stehen und wagt ein Tänzchen mit einer Betreuerin. Auf der Fahrbahn liegen mit Steinen beschwerte Flugzettel, die auf eine Laufveranstaltung in Marcia dell Castell am 13. März 2016 hinweisen. Ich werde kommendes Wochenende vermutlich pausieren, zwei Keller sind zu räumen, der jedes Jahr aufgeschobene Frühjahrsputz steht an.

Wir sind jetzt bei etwas über 12 Kilometer  Wegstrecke 1:15 Stunden unterwegs. Das sind nur drei Minuten unter einer reinen Sechserzeit, aber ich finde heute das Tempo etwas zu schnell. Bis zur 15 km-Marke werde ich dranbleiben, dann die Tempomacher und die letzten zwei Übriggebliebenen ziehen lassen müssen. In der Ortschaft Santa Lucia di Piave, eine Gemeinde mit ca. 9000 Einwohner in der Provinz Treviso, kommt es zum Wechsel der Staffelläufer (cambio stafetta 14x3) – nur mehr einige wenige, zumeist Frauen, warten auf ihre Vorläufer.

Knapp vor der 15 km-Anzeige erreichen wir wieder Susegana, auch das auffallende Pärchen aus der 4:30er-Gruppe (er in Schwarz, sie in Rosa) ist zurückgefallen. Doch als sie mich sehen, versuchen sie wieder zu laufen. Es geht nun zwei Kilometer auf der abfallenden via Conegliano (SS13), die mitten durch Susagana führt, nach Nordosten. Diese Strecke kommt mir wegen des Gefälles zugute, ich kann eine Minute aufholen.

Bald darauf schwenken wir in Richtung Santa Lucia di Piave. Das Läuferfeld hat sich längst weit auseinandergezogen. Ich bin in einen Zweikampf mit einer auf jugendlich gestylten, reifen Kollegin mit auffallend schwarz gefärbten langen, mit einer Stützwelle versehenen Haaren und rotem Windbreaker auf schwarzer Laufkleidung verstrickt, die im Galloway-Stil zunächst geht und dann wieder 20 Meter schnell läuft und so immer wieder an mir vorbeikommt. Erst bei der Halbmarathondistanz, die ich mit 2:16 passiere, kann ich sie abschütteln. Aber der Marathon hatte bisher auch einige langgezogene leichte Steigungen, die Kräfte gekostet haben. Als wir den kleinen Ort Citadella passieren, kommt zur Freude der Läufer für einige Minuten die Sonne raus, es wird wärmer. Ich habe meine Leichtjacke gegen Regen  und Wind längst ausgezogen und in der Bauchtasche verstaut.

 

 

Das Pärchen in Rosa und Schwarz hat vor mir liegend wieder auf Gehen umgeschaltet. Ich nähere mich ihnen bei Ramera, einem kleiner Ort bei Kilometer 24. Der Marathonkurs führt nun auf eine Brücke, die nahe von Mareno di Piave über die Autobahn (A27, Autostrada d’Alemagna) verläuft. Sobald es auf der anderen Seite der Brücke wieder runter geht, legen die beiden einen Zahn zu und sind im Nu wieder einige Hundert Meter voran. Auch hinter mir versuchen einige vom 4:30er-Tross Zurückgefallene wieder Boden gut zu machen, doch die halte ich im Schach.
Wir sehen praktisch nichts von Mareno di Piave, denn der Kurs führt nicht zum Zentrum, sondern an der Peripherie vorbei. Die 25 km-Marke befindet sich nahe der Kirche. Ich bleibe stehen und gönne mir ein Stück des sonst in Italien nur zu Ostern traditionell gebackenen und in den Geschäften verkauften Colomba Pasquale („Ostertaube“), der sich aus einem üppigen Hefeteig aus reichlich Eigelb, Butter, Milch, Zucker, etwas Salz, Mehl und Hefe zusammensetzt. Zusätzlich erhält die klassische Colomba Pasquale eine Glasur aus Eiweiß und Zucker und wird mit Mandeln verziert. Was sind schon zwei Minuten Zeitverlust gegen so ein leckeres Kuchenstück? Die schnelleren Marathonläufer verzichten auf alle Köstlichkeiten, die es an der Labe sonst noch gibt. Meine Uhr zeigt 2:55 Stunden an, eine sub 5 Stunden Zeit sollte sich noch ausgehen.

Doch so flach die zuerst nach Osten und dann nach Norden führende Marathonstrecke auch ist, es geht heute sehr zäh dahin. Bei Soffratta, einem Nebenort von Mareno di Piave, erreiche ich endlich die 28 Kilometer-Anzeige, vor mir das Pärchen, hinter mir ein Pulk Geher, die gut vorankommen, aber an mir nicht vorbei. Bei der Labe lange ich nochmals ordentlich zu. Es gibt auch Biskotten, Kekse, kleine Portionen vom Osterkuchen, Orangen-, Apfel- und Bananenstücke. Mit einem Transparent auf einem Zaun begrüßt die Gruppo Podistico „Le Due Torri“ die Läuferkollegen.

Es geht weiter. Ich blicke mich um, in weniger als einem Kilometer erkenne ich die rosa Ballons der 5 Stunden Pacer. Das erzeugt Druck, ob ich will oder nicht. Ich versuche mich etwas zu lösen, die Kollegin in Rosa hängt sich an, andere fallen zurück. Bei Kilometer 31 nähern wir uns einer Prosecco-Produktionsfabrik mit dem Namen Ponte, deren Eingang von einem Mann bewacht wird. Der Kurs steigt leicht an, die Müdigkeit auch. Doch auf der Via Ungheresca, nach Kilometer 33 und nahe von San Vendemiano, ist es soweit. Eine der 5h-Pacergruppen mit zwei oder drei abgekämpften Läufern im Schlepptau schließen auf, 500 Meter weiter hinten ist der andere Teil der Schrittmacher für 5 Stunden inzwischen abgerissen. Ich versuche bis Kilometer 34 im Vorort Saccon an der schnelleren Gruppe dranzubleiben, dann falle ich zurück.

 

 

Wie in Malta vergangenen Sonntag, zeigt die Uhr bei Kilometer 35 schon über 4 Stunden an. Ich bleibe diesmal bei der Labe nicht stehen, sondern trabe weiter. Wie lange braucht man für sieben Kilometer bis ins Ziel? Bei einer Achterzeit, also 8 Minuten pro Kilometer, könnte es sich ausgehen. Ohne Anstrengung, die ich so gerne vermeide, werde ich es aber nicht schaffen.

Die in zahlreichen Wenden verlaufene Rundstrecke führt auf den letzten Kilometern durch San Vendemiano, wo Allessandro Del Piero im Ortsteil Saccon aufgewachsen ist. Mit der Run-Stopp-Run-Methode überhole gut ich zwei Dutzend dahintrottende Läufer. Zwei der abgefallenen 5h-Pacer versuchen am Schluss mit einer etwas korpulenten Läuferin in ihrer Obhut nochmals aufzuholen. 500 Meter vor dem Ziel am ursprünglichen Ausgangspunkt des Marathons, am  Corso Vittorio Emanuelle II, lasse ich sie in einer engen Seitengasse vorbei und sage auf Italienisch zu ihnen: „Ci sarà un tempo per 5 ore“. Beim Zieleinlauf versperren sie in dreifacher Körperbreite mir dann den Weg, ich schlüpfe an der Seite vorbei und laufe  zwar 10 Meter vor den Dreien über die Matte, aber der Applaus der Zuschauer gilt (zu Recht) der jubelnden Läuferkollegin Mitte 40, die für ihre 5:03:57 (brutto) wohl hart trainiert hat.

Was soll ich sagen? Eine Finisherzeit sub 5 wäre heute eigentlich möglich gewesen, die Voraussetzungen waren optimal, flache Strecke, wenige Steigungen, kein Wind, kein Regen, angenehmes Laufwetter, schöne Landschaft. Der Statistiker von marathonaustria.com, August Schwab, rechnet mit einem Alterskoeffizienten die erzielten Laufzeiten um, so werden meine fünf grob gerechnet zu vier Stunden und die Welt schaut wieder bestens aus.

Man hängt mir eine überdimensionierte Medaille um, den Leihchip gebe ich ab. Nun mache ich mich auf den Weg zur Kleiderabgabestelle, wo die am Morgen schon besichtigte riesige Labe unter dem Vorbau eines Hauses aufgebaut ist. Es gibt außer dem guten Osterkuchen noch alles en masse: Iso, Wasser, Obst, Cola, Bier, Kekse. Ich nehme mir ein Bier. Wie gut das nach einem Marathon schmeckt, brauche ich nicht zu betonen. Viele Kleidersäcke sind nicht mehr da, offenbar haben andere ihre Taschen ins eigene Auto gelegt. Es müssten noch Dutzende Läuferinnen und Läufer hinter mir sein.

Ich setze mich auf einen Sessel bei einem Café und wechsle das Shirt. Massieren könnte man sich auch lassen, Kapazitäten wären da. Doch meine Zeit drängt, denn ich muss heute noch mit dem Auto die 600 Kilometer nach Wien zurückfahren  - und der Wetterbericht auf den Pässen kündigt Regen und Schnee an. Man reicht mir zwei Red Bull Dosen, dann gehe ich entlang des Marktes, wo typische Spezialitäten der Region wie Salami, Speck, Schinken, Käse und Schokolade verkauft werden, zurück zum Start. Hundert Meter dahinter ist eine Oldtimer-Show im Gange.

 

 

Vor mir liegen weitere 25 Minuten Fußmarsch zum Hotel Prealpi, weil ich meinen Wagen dort geparkt und nicht wie klugerweise fast jedermann den auf dem Gelände einer Spedition gratis für die Starter bereitgestellten Parkplatz beansprucht habe.


Mein Fazit über den Treviso Marathon 1.3 in Jahre 2016:


Die Organisatoren und Veranstalter verdienen ein großes Kompliment: Die Startgebühr ist moderat, in den ersten Wochen am Beginn der Anmeldung geradezu günstig. Die bei der Abholung der Startnummer mit ausgegebene PVC-Tasche  für die Kleiderabgabe ist prall mit Goodies gefüllt. Auch eine kleine Flasche Prosecco ist dabei. Bei den Labestellen war auch für 5 Stunden-Läufer noch genug zu essen und trinken vorrätig, Engpässe gab es zu keiner Zeit. Höhepunkt der Ausspeisung war aber das üppige Angebot für all jene, die sich nach dem Zieleinlauf ihren Kleidersack oder die abgegebene Tasche abholten. Sie konnten schlemmen, was ihr Magen  zuließ.

 

Sieger bei den Männern:

1.    Semereab Yohannes Gebrekidan (ERI):  2:17:32
2.    Samuel Hadgu Goitom (ERI.): 2:17:32
3.    Mohamed Hajjy (MAR): 2:17:46


Reihenfolge bei den Frauen:

1.    Maria Vrajic (CRO ):2:40:41
2.    Simona Staicu (HUN): 2:43:06
3.    Jasmina Ilaijas (CRO): 2:51:25

1179 Finisher laut MysDAM, 249 Ausfälle im Klassement ausgewiesen

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