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Laufberichte

Trans Gran Canaria - wo andere Urlaub machen

05.03.10

Die gut markierte Strecke führt in einem ewigen Auf und Ab vorbei an Stauseen, Schluchten, Wasserfällen, durch dichtes Gebüsch, über Pipelines und schließlich hinauf zum Wahrzeichen Gran Canarias, dem 1813 Meter hohen Roque Nublo. 4,5h hat uns allein der längste, 1300 Höhenmeter kräftige Anstieg gekostet. Sonnenmilch macht die Runde.

Die teilweise nur noch mit Seil gesicherte Kletterpassage und die anspruchsvollen Geröllfelder sowie die rutschige Vulkanasche erfordern dabei höchste Konzentration. Das Training auf Schnee im harten Winter daheim war also die goldrichtige Vorbereitung. Dass es hier sommerliche 25°C und einen blauen Himmel hat, während daheim gerade wieder leise der Schnee rieselt, damit kann ich gut leben.

Die Verpflegung ist Trail-typisch auf das Wesentliche reduziert: Alle 20km gibt es Wasser (manchmal aus Tanklasthängern des Militärs), alle 40km werden Wasser und lauftypische Speisen angeboten. Angesichts der Länge ist Eigenverpflegung in Form von Energieriegeln u. ä.  und auch die am Mann vorgeschriebenen 2L Wasservorräte im Rucksack unverzichtbar.

Der VP bei km 81 hält endlich das lang ersehnte Drop-Bag mit den Ersatzsocken, Nudeln und Käse-Baguette bereit. Von nun an geht es rasch bergab, über gut und weich zu laufenden Untergrund. Nur noch einen Marathon - lächerlich. Nach spätesten 24h sind wir durch - logisch!

Die Sonne geht unter und wir laufen in die 2. Nacht hinein; Müdigkeit regiert. "Malaga?" - "Malaga!" - alle noch zusammen. Eine Perlenkette aus Stirnlampen und roten Rücklichtern schlängelt sich die letzten Anstiege hoch und weist die grobe Richtung. Ab der Ortschaft "Teror" (der Name wird Programm) ist bei Kilometer 101 die Luft komplett raus. Oberhalb der Stadt kommt extrem scharfer Wind auf. Wir suchen Schutz hinter einem Geländewagen und streifen die Jacken über - alles richtig eingepackt! Wie Markus jetzt noch in kurzer Hose laufen kann. Brrr, wenn es so etwas wie "fremdfrieren" gibt, dann mache ich das gerade durch. Bitte nur kein Regen, meine Stimmung ist fast auf Null! Ich bin müde, habe mir mittlerweile 15L Wasser die Kehle runtergestürzt und selbiges satt. Jetzt beginnt der Teil, der beim 24h-Rennen keinen Spaß mehr macht: Alles jenseits der 20 Stunden.

Geschwindigkeiten und Kilometerzeiten lösen sich in Luft auf. Auf den letzten Abschnitten kommt zu aller Erschöpfung auch noch eine wenig nachttaugliche Markierung hinzu, so dass sich viele Teilnehmer verlaufen und verzweifelt umherirren.

Der Titan

Laut Profilkarte kann nur noch ein Anstieg kommen, wenige hundert Höhenmeter die uns noch vom Finish trennen und die Route hat sich mal wieder ein Flussbett ausgesucht - diesmal jedoch trocken. Dafür riecht es hier und da nach Tierkadavern. Von Stein zu Stein springen gelingt nicht mehr so locker. Gut, dass die Beine eh schon taub sind, da tut's umknicken nicht mehr so weh.

Wo bleiben Markus und Rudi? "Malaga?" - "Malaga!" - alle noch zusammen. Klasse, dass unser Tempo immer noch so zusammen passt; kein Geziehe, kein Treiber, alles locker, alles passt. Die vor mir laufende Irin ist etwas verwundert: "Malaga? That's where I live...". Tja, wie kommen wir jetzt aus der Nummer wieder raus?

Oben auf den schräg vor uns liegenden Bergrücken sieht man taghelle Beleuchtung, als würden Lagerhallen oder Knastmauern gesichert. Dort angekommen tauchen wir in eine gespenstische Szenerie ein: Verlassene Dörfer, herunter gekommene Häuser, kaputte Fenster und Türen, aber die Straßenlaternen geben alles um selbst die belgische Autobahnbeleuchtung in den Schatten zu stellen.

Der Anstieg nimmt kein Ende. Gerade als ich den Jungs vom Rothaarsteig erzähle, wo es eine Straße gibt, die für Radfahrer gesperrt ist, weil 19% Gefälle, biegen wir um die Ecke und blicken auf die nächste Rampe mit gefühlter 3-stelliger Prozent-Steigung. Solche Straßen sind bei uns garantiert verboten - bestimmt widersprechen sie irgendeiner EU-Norm.

Diese Rampe erklommen weht leise das Rattern eines Notstromaggregats über die Felder. Ein Zelt! Menschen! Kaffee!

"Hasta la victoria siempre" - Der letzte Verpflegungsposten erklärt, dass die Finisher in seinem Dorf nur "Titan" genannt werden und schenkt schulterklopfend und lachend starken Kaffee aus. Vielen Dank, dass ihr euch hier die Nacht für uns um die Ohren schlagt. "Titan" tituliert rollt es gleich viel leichter und im Sturzflug den letzten Abstieg hinab. Noch 3km, noch 2km, noch 1km... Nach mehr als 25 Stunden spuckt uns die Insel also doch wieder aus, am Strand im Norden bei Las Palmas.

Man, sind wir platt. Noch eine Ehrenrunde an der Prommenade entlang und dann Richtung Zielbogen. Rudi stolpert noch über eine extra für müde Läufer eingebaute Stufe und dann ist Schluss. Babsi, die treue Seele, empfängt uns gegen halb 2 Uhr morgens. Was muss sie gewartet und gefroren haben, denn hier am Stand ist es arg windig. Ich glaube, sie ist froh uns alle 3 - besonders jedoch ihren Rudi - heile zurück zu haben.

Fazit

 Ob das wirklich 123km und *nur* 4800HM waren? Ich glaube es nicht. Schweres Terrain, kräftezehrende Anstiege, teilweise Kletterpassagen (mit Seil), Stockeinsatz bergab - all das lässt den Lauf zu einem wahrhaft harten Abenteuertrip werden.

Und bei aller Erfahrung: Wir haben das Ding ein wenig unterschätzt! Alles in Allem jedenfalls nichts für Trail-Einsteiger, wie die hohe Ausfallquote von ca. 1/3 der Teilnehmer zeigt. Man kann sich jedoch auch über die Alternativrouten von 18km, 42km und 92km an die Materie herantasten.

Der Trans Gran Canaria ist ein Trail-Highlight zum Saisonauftakt, während die Natur bei uns noch Winterschlaf hält. Meinem Motto getreu: "Hin, leiden, zurück" lässt sich so ein Abenteuer natürlich auch in 3 Tagen bewältigen. Trotzdem ist ein anschließender, 1-2-wöchiger Urlaub zur Regeneration und weiteren Insel-Erkundung sehr zu empfehlen.

Info Gran Canaria

Gran Canaria ist eine Insel vulkanischen Ursprungs und liegt 200 Kilometer westlich vor der Küste Südmarokkos im Atlantischen Ozean, mitten zwischen Teneriffa, Fuerteventura und Lanzarote:

• Temperatur Anfang März: ca. 25°C
• Flüge von Deutschland nach Las Palmas und zurück: ca. 400,- Euro.
• Billigflieger (Angebot rar) ab 90,- Euro
• 1 Nacht 4* Hotel rund 90,- Euro.
• 1 Woche Flug+ÜF/HP ab 600,- Euro.

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