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Laufberichte

Nürburgring-Lauf: Mit Lust durch die „Grüne Hölle“

20.08.11

 

4 km brutaler Aufstieg

 

Wer bis hierher die Verpflegungsstationen eins bis drei ohne „Boxenstopp“ passiert hat, sollte spätestens im Streckenabschnitt im gleichnamigen Ortsteil von Adenau „Treibstoff tanken“. Der Labestationen sind es übrigens mehr als ausreichend und es wird einiges geboten. Bei diesem vergleichsweise kurzen Lauf halte ich es allerdings wie m4y-Coach Andreas Butz und trinke nur Wasser, das ist mir völlig ausreichend. Auf das bleifreie Erdinger hinterher freue ich mich aber jetzt schon! Über die „Ex-Mühle“ führt der Eifelkurs weiter Richtung „Bergwerk“, vorbei an der Stelle, an der Niki Lauda 1976 schwer verunglückt war. Und genau ab hier wird es auch beim Laufen richtig ernst. Denn bis zur „Hohen Acht“, dem höchsten Berg der Eifel, sind auf rund vier Kilometern knapp 300 Höhenmeter zu überwinden.

Das ist exakt die Stelle, auf die ich gewartet habe und die mir einen ganz leisen Vorgeschmack auf die Jungfrau in drei Wochen geben soll. Mit Sicherheit noch deutlich dramatischer als hier werden wir nach 26 km am Ortsausgang von Lauterbrunnen vor einer Wand stehen, die es zu bezwingen gilt. Da kann es ja nicht schaden, wenn man den zu erwartenden Schock schon mal ein wenig vorübt. Schon werden einige zu demütigen Wanderern und das vorher schon stark entzerrte Läuferfeld wird wieder dichter.

Langsam hebt sich das Streckenprofil durchs „Kesselchen“. Wer mit zu viel Gas durchmarschiert, wird zwar die scharfe Rechtskurve im „Klostertal“ noch packen, aber spätestens nach der legendären 180-Grad-Kehre  „Caracciola-Karussell“, für mich mit der Steilkurve ein besonderes Glanzlicht, zeigt sich, wer seine Kräfte richtig eingeteilt hat. Mit einer Steigung bis zu 17 Prozent reckt sich die Nordschleife hoch zum Streckenabschnitt „Hohe Acht“. Ich bin dank eigener Erfahrung vorgewarnt und es gelingt mir, zunehmend andere Läufer einzusammeln. Kraft in den Beinen ist ausreichend vorhanden und ich kann daher ordentlich drücken.

Noch auf halber Höhe erkenne ich ihn sofort, kann es mir aber irgendwie nicht vorstellen. Aber er ist es, mein Serienbegleiter und Ultraläufer Jochen. Ist gestern mit seinem Tourenrad 70 km angefahren, um Josef und mich die Hohe Acht hinaufzubegleiten. Mit so etwas Tollem habe ich nicht im Ansatz gerechnet und freue mir ein Loch in den Bauch. Vielen Dank, lieber Jochen, diese Tat verrät mehr Freundschaft als 1.000 Worte.

Glücklicherweise spielt auch das Wetter heute mehr als mit. Auf Konstanz kann man ja, in diesem Sommer sowieso nicht, setzen: es gab schon alles von Eiseskälte mit Regen bis hin zu Bullenhitze. Und da ist der pralle Sonnenschein mit wolkenlosem Himmel bei morgens 13° und mittags 21° doch ein für uns Läufer prima Mittelding. Mach einem wird es aber bestimmt schon wieder zu warm gewesen sein, ich aber liebe diese Bedingungen. Für diejenigen, die es bisher nicht bemerkt haben sollten, steht „Grüne Hölle“, wie so vieles andere, in dicken Lettern auf dem Asphalt geschrieben.

 

Noch neun km bergab und -auf

 

Bei der Verpflegungsstation Nummer sechs werden wir mit Mineralwasser, Cola, Apfelschorle, Energieriegeln und -getränken sowie Bananen für die bisherige Plackerei belohnt, auch wenn ich bis auf das Wasser alles verschmähe. Seht es mir bitte nach, Ihr lieben Helfer. Zusätzlich dürfen wir auf den nächsten Metern leicht bergab über „Wippermann“ und „Eschbach“ in den Streckenabschnitt „Brünnchen“ laufen. Der Puls kann sich zwar etwas beruhigen, aber für Entwarnung ist es noch definitiv zu früh.

Einige Mitstreiter haben erfreulicherweise noch Luft und sind sich am unterhalten. Beim Stichwort „Jungfrau“ richten sich meine Lauschlappen besonders auf und wir stellen belustigt fest, daß mehrere von uns unabhängig voneinander diesen Lauf als scharfes Training für die in drei Wochen anstehende alpine Herausforderung nutzen.

„Eiskurve“, „Pflanzgarten“ und  „Schwalbenschwanz“: wer hier noch Reserven hat, genießt das Auf und Ab, den unverwechselbaren Charakter dieses traditionsreichen Geläufs. Auch auf die Gefahr hin, daß es sich großkotzig anhört: Ich genieße diesen Abschnitt tatsächlich, es läuft absolut rund, ich kann das Tempo hoch halten und noch einige Plätze gutmachen, obwohl das natürlich völlig unwichtig ist. Unser Freund, der Sportfotograf Norbert Wilhelmi, kniet auf der Trasse, schießt einen nach dem anderen ab und freut sich, von einem bekannten Gesicht selber abgelichtet zu werden.

Vorbei am „Galgenkopf“ geht’s zum langen Finale auf die „Döttinger Höhe“. Rund drei Kilometer geradeaus, das Ziel schon fast in Sicht, nur noch wenige Höhenmeter, die den inneren Schweinehund nochmals kräftig fordern. Ich stelle mir vor, wie die Rennfahrer hier ihre Autos auf Höchstgeschwindigkeit bringen und lege unbewußt weiter an Tempo zu. Sogar meinen Freund Josef, dem ich heute 10 bis 15 Minuten Vorsprung prognostiziert hatte, kann ich noch kassieren, er hat wohl trotz seiner reichhaltigen Erfahrung auf den ersten Km zu viele Körner gelassen. Nach der „Hohenrain-Schikane“ öffnet sich die Zufahrt zur Grand Prix-Strecke und somit der Weg auf die Zielgerade.

Wieder Formel 1-Gefühl: Das Kiesbett, die rot-weißen Reifenstapel, die Schilderbrücken, Zuschauer beiderseits der letzten zweihundert Meter. Ich schalte nochmal einen Gang herunter, brause durchs Ziel und fühle mich selbst wie einer der großen Nürburgring-Sieger der letzten 80 Jahre. Super, echt geiles Gefühl. Im strahlenden Sonnenschein knipse ich noch einige Zieleinläufe, erhalte eine schöne Medaille und wende mich dann dem reich gedeckten Tisch der Zielverpflegung zu.

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Die Herausforderung der „Grünen Hölle“ ist für jeden ein ganz persönliches Erlebnis, das in Eurer Laufsammlung nicht fehlen sollte, auch wenn Ihr den Schwerpunkt auf Marathons legt. 1.193 Finisher auf der Königsstrecke haben dieses schöne Gefühl bei herrlichstem Wetter (und das in diesem sog. Sommer!) heute mitnehmen können. Mir bleibt die Gewißheit, daß ich dem Jungfrau-Marathon in drei Wochen zwar respektvoll, aber ohne Angst entgegenblicken kann. Ihr hört von mir.

Mein herzlicher Dank für die vielen im Vorfeld bereitgestellten Informationen und Bilder sowie guten Gespräche geht an die Urgesteine des Nürburgringlaufs, meinen Koblenzer Panzerkameraden Gerhard Paech sowie den Fotografen und schnellen Läufer (1957 31:30 min. über 10.000 m) Gustav Schröder (www.rheinruhr-foto.de). 

Streckenbeschreibung:

Einzigartiger Lauf auf der aktuellen und der historischen Rennstrecke mit 500 Höhenmetern, die ersten 11 km tendenziell abfallend, der Rest wieder, teilweise heftig, ansteigend.

Weitere Veranstaltungen:

5 und 10 km- sowie Bambinilauf.

Startgebühren:

Je nach Anmeldezeitpunkt 27 bis 37 Euronen für die Langstrecke.

Zeitmessung:

Champion Chip

Auszeichnung:

Medaille sowie Urkunde im Ziel und online.

Logistik:

Alles gut beieinander und kurze Wege.

Verpflegung:

Nudelparty am Vorabend, 9 gut bestückte Verpflegungs- und noch zusätzliche Wasserstellen.

Zuschauer:

Leider nicht ganz so viele wie noch vor kurzem beim Formel 1-Rennen, aber doch einige unterwegs und ein etliche Fans im Start-/Zielbereich.

 

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