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Laufberichte

Niesenlauf: Auf die Treppe, fertig, los

06.06.09

Längster Treppenlauf der Welt – Niesenlauf über 11.674 Stufen

„Wenn ich das meiner Frau erzähle, dann verbietet sie mir den Umgang mit Dir“, so mein Freund Roland, als ich ihm im Herbst 2008 von meiner neuesten Verrücktheit erzählte.

Was hatte ich vor? Ich hatte bei m4y im Juni 2008 einen Bericht über einen außergewöhnlichen Lauf gelesen und meine spontane Reaktion war: Da bist du im nächsten Jahr dabei. Gesagt, getan, angemeldet. Als ich Jens per Mail von meiner Anmeldung berichtete, lautete seine Antwortmail: Hab mich auch angemeldet. Damit war unser Team wieder komplett.

Unser Ziel war kein langer Lauf. Kein Marathon oder Ultra war zu bewältigen. Es galt lediglich eine Strecke von 3.506 Metern Länge zu laufen. Zu laufen? Nein, hier galt es zu steigen – Treppensteigen. Wir hatten uns einen Treppenlauf ausgesucht. Unbescheiden wie wir sind, hatten wir uns als Treppenfrischlinge gleich den längsten Treppenlauf als Ziel gesetzt – den Niesenlauf.

Swiss Piramid und Guinness Buch

Der Niesen liegt südlich des Thuner Sees. Sein Gipfel ist 2.362 Meter hoch. Er steht ziemlich frei in der Landschaft und wird wegen seiner Form auch gerne als „Swiss Piramid“ bezeichnet. Von seinem Gipfel hat man einen grandiosen Blick auf die umliegende Bergwelt der Schweizer Alpen. Das ganze Berner Oberland mit dem Dreigestirn Jungfrau, Mönch und Eiger ist zu sehen, mir vom Jungfrau Marathon bestens bekannt.

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Auf den Gipfel kann man, genügend Kondition vorausgesetzt, in etwa 5 Stunden wandern. Der einfachere Weg bietet sich über die Niesenbahn an. Die Standseilbahn wurde von 1906 bis 1910 erbaut. Sie führt von der Talstation Mülenen von 693 m bis zur Bergstation in 2.336 m Höhe mit Umsteigen auf der Zwischenstation Schwandegg (1669 m).

Parallel zur Standseilbahn führt eine Treppe. Sie ist laut Guinness Buch der Rekorde mit ihren 11.674 Stufen die längste Treppe der Welt. Das Betreten ist aus Sicherheitsgründen untersagt.

Wer sparen will muss steigen – und zahlt drauf

Wer sich die 24,50 SFR für eine Berg- und Talfahrt sparen will, hat eine Möglichkeit: Einmal im Jahr sind die Treppen entlang der Niesenbahn zur Benutzung freigegeben. Voraussetzung: Man meldet sich rechtzeitig zum Niesenlauf an. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt auf 200. Schließlich soll der Betrieb der Bahn wegen des Laufes nicht zu lange unterbrochen werden.

Die Anmeldungen werden in der Reihenfolge des Eingangs angenommen. Wer zuerst kommt, der darf Treppen steigen. Windhundprinzip. Der Lauf war denn auch schon einige Zeit vor der Austragung ausgebucht.

Im Startgeld von 30,00 € ist der Kleidertransport zur Gipfelstation und der Rücktransport der Läufer mit der Niesenbahn enthalten. Dazu gibt es für alle eine Finisher-Überraschung.

Schlafen im Stroh

Bei meinem letzten Jungfrau Marathon hatte ich in Interlaken auf einem Bauernhof im Stroh geschlafen. Familie Balmer gab mir 2008 zum Abschied den Tipp für ein Strohlager in der Nähe des Niesen mit auf den Weg. So kamen wir zu unserem Strohlager auf dem Erlebnishof Hatti von Christina und Stephan Thalmann. Der Hof liegt auf einer Sonnenterrasse zwischen Thuner See und Niesen. Man hat einen wunderschönen Blick vom Hof auf den Niesen zur einen und die Landschaft um den Thuner See zur anderen Seite.

Als wir mitten in der Nacht von Freitag auf Samstag auf dem Hof ankommen, sehen wir davon jedoch nichts. Es ist stockfinster und wir sind froh, unser Lager im größten funktionsfähigen Telefon der Welt zu finden. Vor einigen Jahren hatte die Swiss Telekom das Telefon gebaut und es vom Guinness Buch der Rekorde als weltgrößtes funktionsfähiges  Telefon anerkennen lassen. Danach hat man das Telefon dem Erlebnishof Hatti geschenkt. Dort wird es als Aufenthaltsraum genutzt und diente uns in der ersten Nacht als Schlafstelle.

Kurze Nacht im Telefon

Wir können am Freitag erst um 18 Uhr in Köln losfahren. Um die anderen Gäste auf dem Hof nicht zu stören, hatte Stephan uns 2 Matratzen in den Aufenthaltsraum gelegt, das Frühstück stand schon für den nächsten Morgen bereit.

Um halb eins in der Nacht kommen wir auf dem Hof an und legen uns gleich in die Schlafsäcke. Vorher stellen wir noch den Wecker auf 5.30 Uhr. Der Start zum Lauf beginnt ab 7.30 Uhr, ab 6 Uhr können die Startunterlagen abgeholt werden. Zum Start an der Talstation der Niesenbahn in Mülenen haben wir nur eine kurze Strecke von 5 Minuten mit dem Auto zu fahren.

Ziemlich zerschlagen werden wir vom Wecker aus unseren Träumen geweckt. Überhaupt nicht in Wettkampfstimmung kämpfen wir mit der Kaffeemaschine und lassen uns das Frühstück schmecken. Dann brechen wir auf. Mit gütiger Hilfe der Schweizer Polizei kann unser Umweg zur Talstation der Niesenbahn korrigiert werden und wir können uns einen der reichlich vorhandenen Parkplätze an der Talstation aussuchen.

4 Grad und Regen

Wir bekommen ohne Anstehen unsere Startnummer. Die Startnummern sind in der Reihenfolge des Starts vergeben. Zuerst dürfen die Frauen starten, dann folgen die Männer. Gestartet wird in der Reihenfolge der Halbmarathonbestzeiten – in umgekehrter Reihenfolge.

Wir schauen auf die Startliste und entdecken einen bekannten Namen: Extremsportler Stefan Schlett ist mit dabei. Gestartet wird in Dreiergrüppchen in Intervallen von 20 Sekunden. Jens’ Start ist schon um 7.37,40 Uhr, mein Start ist für 7.50,40 Uhr festgesetzt. Da die Treppe nur recht schmal ist, kann man nur mit gütiger Hilfe des Vordermannes überholen. Das Reglement macht klare Vorgaben: Wer überholen will ruft: „Treppe“. Der zu Überholende tritt zur Seite und macht den Weg frei. Auf blaue Flaggen wie in der Formel 1 kann beim Niesenlauf verzichtet werden.

Das Wetter ist nicht allzu einladend. Unten im Tal sind es etwa 10 Grad, oben am Gipfel zeigt die Information nur 4 Grad an. Dazu ist der Himmel Wolken verhangen und alles liegt im Dunst. Von Fernblick kann keine Rede sein.
Wir geben unsere Kleiderbeutel in die bereitstehenden Container. Ich habe noch eine leichte Windjacke an, die ich erst kurz vor dem Start ausziehe und im Trinkgürtel verstaue.

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