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Laufberichte

Mumbai Marathon: Zwischen Bollywood und Slums

15.01.12

Pünktlich um 05:40 erfolgte der Start für die normalen Läufer. Normale Läufer sind  alle,  die langsamer als drei Stunden sind. Schön ist auch hier, dass es für die Ziel-Zeiten 4:30, 5:00 und 5:30 jeweils zwei Pacer gibt. Es geht los direkt neben dem CST Building (direkt bei der ehemaligen Queen Victoria Station). Im Dunkeln sehen wir links neben unserem Starttor das UNSECO-Weltkulturerbe, den Bahnhof vom Mumbai (Chhatrapati Shivaji Terminus). Das Gebäude ist im Stil der viktorianischen Neogotik erbaut worden mit einem Stahl- und Glasdach. Das 1888 fertiggestellte Gebäude hat über dem Haupteingang eine begehbare achteckige Kuppel. Das Gebäude ist mit vielen Steinfiguren und Reliefs verziert.

Nun geht es direkt in einem Bogen zum Marine Drive. Hier laufen wir bei km 3 eine kurze Wendepunktstrecke am Oberoi Hotel, das einer der Schauplätze der Terroranschläge vom 26.11.2008 war. Dann geht es weiter über einen U-turn und dann nordwärts über Das Halsband der Königin, dem Marine Drive. Auf dem nächsten Stück stehen alle 100m Lifebands. Die Stadt ist schon um 6 Uhr wach und erwartet die Weltenbummler, die rund um den Globus hierher gefunden haben um im Januar bei 30 Grad Marathon zu laufen.

Es ist noch dunkel aber schon sehr warm, so um die 25°C. Wir folgen der Küstenstraße ca. 5km. Am nördlichen Punkt der Bucht befindet sich der Girgaon Chowpatty. Der Sandstrand ist Drehort vieler Bollywood Filme und Schauplatz, wenn Hunderte beim Ganesh-Chaturthi-Fest im Wasser mit dem Götzen eintauchen.

Am Ende des Marine Drive geht es auf die Babulnath Road. Schon nach einem kurzen Stück kommen wir wohl an dem schönsten Tempel der Stadt vorbei. Der Babulnath-Tempel ist ein Shiva-Tempel und wurde 1780 erbaut und einem Hindu König geweiht.

Wir sind bei km 10 (blaue Schilder, die Halben haben weiße Schilder) und schon kommen uns die ersten schnellen Halbmarathonis entgegen, die parallel zu uns den Weg zum Ziel haben. Jeder Kilometer ist ausgeschildert. Da es heute Morgen schon sehr warm ist, bekommen wir auf der gesamten Strecke alle 1,5 – 2km Wasserflaschen gereicht. Wirklich vorbildlich.

Es wird langsam hell. Links von uns auf dem Wasser liegt der Tempel Haji Ali Dargah. Der Morgen ist leider etwas diesig für klare Fotos. Auf einer kleinen Insel 500m vom Land entfernt liegt die Moschee und das Grab (Dargah). Die Insel, die nur bei Ebbe über einen knapp einen Kilometer langen Damm erreicht werden kann, liegt in der Worli Bucht. Das weiße Marmorgebäude mit dem 26m hohen Minarett erinnert an die Mogul-Architektur der damaligen Zeit und wird täglich von bis zu 15.000 gläubigen Muslimen und Nicht-Muslimen besucht.

Auf den folgenden Kilometern bis zur nächsten Bucht laufen wir an verschiedenen Sportstätten vorbei. An Ende der Bucht ragt zur rechten Seite über einem Hügel der weiße Zylinder des 1972 erbauten Planetariums heraus. Wir kommen in den Stadtteil Worli, der früher eine der sieben Inseln war die heute Mumbai bilden.

Weiter geht es vorbei an kleineren Slums, am Mahalaxmi Race Course - der Pferderennbahn in Richtung Sealink. Hier kommt jetzt das große Feld der Halbmarathonis auf der anderen Straßenseite entgegen. Wir laufen über die 5,6km lange Brücke nach Bandra.

Der Lauf über den Bandra-Worli Sea Link ist einfach einzigartig. Kilometerlang rechts die Mahim Bay mit der Stadtkulisse und den Bergen dahinter und links das offene Meer. Einfach wunderschön. In diesem Jahr sind auf der Brücke sogar am Anfang und Ende Wasserstationen aufgebaut, die heute für jeden Teilnehmer sehr hilfreich sind.

Wir verlassen die Brücke hinter km 20 und bleiben neben dem Wasser. Die Strecke führt uns parallel zur Bucht, die wir jedoch nicht sehen können. Es geht südwärts und wir erreichen den Halbmarathonpunkt, mitten in einem Slum gelegen. Die ganze Strecke ist mit 1.869 Polizisten für die Läufer abgesichert, aber es gibt  keinerlei Belästigungen. Ganz im Gegenteil, es sind sehr viele Menschen an der Straße und klatschten uns zu.

Wir laufen auf einer breiten Straße weiter gen Süden. Gleich am Anfang der Straße steht der Shree Siddhivinayak Ganapati Mandir, ein Hindu-Tempel, der den Gott Ganesha (der mit dem Elefantenkopf) gewidmet ist.

Hinter km 25 kommen wir an den Mayfair Ballsälen vorbei und erreichen den km 26, müssen jedoch jetzt noch eine Schleife laufen die uns nochmal in nördliche Richtung führt, vorbei am Beginn der Bandra-Worli Sea Link Brücke. Jetzt bleiben wir aber auf dem Festland und sehen Menschen in ihren armseligen Behausungen. Manche haben nur ein Zeltplane, andere einen Blechverschlag.

Am Wasser entlang laufen wir weiter Richtung Süden. Für mich ist es heute besonders hart, denn nach meiner Impfung letztes Wochenende bin ich richtig saft- und kraftlos. Trotzdem  genieße ich die Strecke und die wirklich imposante Stadt in ihrer ganzen Vielfältigkeit.

Inzwischen scheint die Sonne  und die Temperatur steigt bis auf über 30 Grad an. Rechts neben uns ist jetzt wieder die herrlich weiße Marmormoschee Haji Ali. Der Weg zur Insel ist voll von Menschen, die auf dem Weg dorthin sind. Für uns geht es weiter durch die Bucht Richtung Jaslok Hospital. 350 Ärzte sind beim Marathon im Einsatz, Notfälle gibt es angeblich nur zwei.  Ein Läufer soll gegen eine Fernsehkamera gerannt sein, ein zweiter junger Läufer ist nach einem kleinen Herzproblem wieder ok.

Jetzt am Ende der Bucht zwischen Kilometer 36 und 38 geht es merklich bergauf. Mittlerweile sind  32°C erreicht,  Schatten gibt es kaum auf der Laufstrecke. Aber zum Glück folgt jedem Anstieg auch wieder ein Gefälle und die letzten Kilometer sind topfeben.

Fleißige Arbeiter sind damit beschäftigt, aus Pappe historische Fassaden für einen Bollywood Film aufzubauen. Angeblich sollen in Mumbai im Schnitt jeden Tag zwei Filme fertiggestellt werden.

Aus einer Disco dröhnt laute Musik, davor versammelt sich eine Riesenmenge Menschen. Vor lauter Schauen laufe ich verkehrt und muss ein kurzes Stück zurück. Auf der richtigen Straße bin ich in Richtung Innenstadt unterwegs. Man hat jetzt die Absperrungen aufgehoben und ich muss meine letzten 3 Kilometer neben den fahrenden und immer laut hupenden und stinkenden Autos Richtung Ziel laufen. Immer in kleinen Gruppen überqueren wir die Straßen.

Dann sehe ich endlich das alte große Bahnhofsgebäude und weiß, es ist nicht mehr weit. Um die Kurve und dann kommt das Ziel. Es ist geschafft. Ich bekomme meine heute sehr hart erarbeitete Medaille und zwei Flaschen Wasser und einen Beutel mit Obst und Keksen.

Es gab einen neuen Teilnehmerrekord mit insgesamt 38.775 Startern in allen Disziplinen. Ins Ziel kamen 2.708 Marathonläufer.

 

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