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Laufberichte

Marathon in Celje/Slowenien

07.09.13 Special Event
 

Bisher sind mir ungewohnt viele Bildstöcke, Marterln wie wir in Österreich sagen, entlang des Weges aufgefallen. Die Menschen am Land dürften dem katholischem Glauben sehr verbunden ein. Christian hat am Abend allerdings darauf hingewiesen, dass die städtische Bevölkerung in Slowenien weniger traditionsbehaftet sei (wie fast überall) und auch in Glaubensfragen sich nicht so deutlich artikuliere. Ich persönlich finde ländliche Gebräuche, Volksfeste mit Musik bis hin zu religiösen Traditionen als unterstützungswürdig und für den Erhalt einer Gesellschaft essentiell. So habe ich Respekt vor einfach lebenden Menschen, wie auch hier, den Häusern entlang der Laufstrecke nach zu schließen. An diesem Samstagvormittag arbeiten manchen in kleinen Gärten, sitzen auf einer Bank vor dem Haus, Kinder schauen neugierig auf die Läufer.

Ich treffe bei der Labestation in Ramirje wieder auf einige Kontrahenten, die mich während des Knipsens überholt haben. Man nickt sich freundlich zu, doch kommunizieren will keiner so richtig. Einer Läuferin sage ich auf Englisch, dass ihr Foto vielleicht auf die Laufplattform Marathon4you kommt. Sie scheint zu verstehen, was ich meine, denn ihre Antwort ist „Wow“. Die kleine Gruppe setzt sich wieder in Bewegung, ich mitten drin. Da es manche vielleicht als Provokation empfinden, frage ich vorher, ob ich von ihnen ein Foto schießen darf. Ich habe den Eindruck, dass niemand außer mir die Umgebung wahrnimmt, alle scheinen voll und ganz auf den Marathon konzentriert zu sein. Dabei sind wir noch keine 15 km gelaufen.

Es geht nun weiter auf asphaltierten Straßen bis zum Beginn der Ortschaft Ljubno. Ich nähere mich einem Läufer, der barfuß auf der Wiese geht. Der Startnummer zufolge nimmt er am Ultralauf teil, die erste Zahl auf der vierstelligen Nummer ist eine Null. Marathonläufer haben eine Eins davor – z.B. 1056 – meine Startnummer. Wir erreichen die stark befahrene Landstraße Celje – Logarska dolina, die trotz des Marathons nicht für den Verkehr gesperrt ist. Auf einem Gehsteig geht es entlang der Save, nach 500 Metern biegt die Strecke rechts über den Fluss zur Verpflegungsstation ab.

In Ljubno ist der Start des 27 Kilometer-Laufes vorgesehen, der bereits um 10.30 Uhr erfolgte – nach 15 km zeigt meine Garmin eine Nettozeit von 1:42. Wäre ich schneller gelaufen, hätte ich den Start mitbekommen, so aber treffe ich auf eine Handvoll bekannte Gesichter, die mich nun schon seit gut eineinhalb Stunden begleiten. Darunter ist auch eine hübsche junge Frau mit rosa Strümpfen, die einen gut trainierten Eindruck macht. Über einen grauhaarigen Mann mit nacktem Oberkörper, der zuerst eine Läuferin und dann eine jungen Mann auf der Marathonstrecke begleitet hat, wundere ich mich. Mehrmals habe ich ihn schon überholt, doch er taucht immer wieder auf. Es könnte sein, dass er ein nicht angemeldeter pacemaker ist und das Tempo vorgibt.

Die ländliche Idylle ist auf den folgenden Kilometern augenscheinlich: Kleine Bauernhöfe, Gemüseanbau für den Eigenbedarf, Kleintierhaltung und immer wieder Kreuze und Bildstöcke. Die  Save hat sich in den Jahrtausenden ein tiefes Flussbett im nackten Fels geschaffen, das Wasser ist glasklar und gewiss trinkbar. Der Marathon verläuft nun streckenweise entlang der Landstraße, die für den Verkehr nicht gesperrt ist. Die Läufer haben sich laut Anweisung links zu halten –ich erinnere mich an die erste Volksschulklasse, die ich 1960 besuchte: „Links gehen, Gefahr sehen!“ stand in der Fibel. Doch damals hatten die wenigsten Menschen ein Auto, heute ist das anders.

Ich blicke auf meine Garmin, es sind noch ca. 2 km bis zum Halbmarathon. Immer mehr Radfahrer kommen mir entgegen, die im schnellen Tempo die nun auch sichtbar ansteigende Laufstrecke befahren. Eine hübsche Läuferin nähert sich mir von hinten, ich sage „Hallo“. Sie ist flott unterwegs, ich nehme ihre Kamera und knipse sie, sie macht auch von mir ein Foto mit meiner Digicam. Die nächste Labestelle übersehe ich beinahe – sie befindet sich im Gasthaus Kosmač in Ortschaft Struge, für die Ultraläufer der 53. Kilometer, für die Marathonis ungefähr die Halbmarathondistanz.

Nun spüre ich eine gewisse Müdigkeit, infolge der Steigung ist meine Laufzeit deutlich langsamer geworden. Als ich Luče (Kilometer 58 für die Ultras, 25 für die Marathonläufer) erreiche, sind schon 3:04 Stunden vergangen. Hier ist um 11:30 der Start des 17 Km Laufs erfolgt, liegt also mehr als eine halbe Stunde zurück. Wer weiß, vielleicht sind einige Läufer die letzten 15 km zu schnell angegangen und ich werde bald die Ehre haben, sie einzuholen und höflich zu grüßen.

Die Marathonstrecke verläuft von Luče auf der linken Seite der Landstraße entlang der Save. Die nächste Verpflegungsstation gibt es in Igla, 14 Kilometer vor dem Ziel. Die Steigung hat merklich zugenommen. Ich beginne nun an die Finisherzeit zu denken, 15 km würde ich in zwei Stunden aufwärts schwer schaffen können, aber wir werden sehen.

Es geht zäh voran, zwei Ultramarathonläufer kommen von hinten näher und bewegen sich in geschätzten 6 min/km voran – tolle Leistung, Hut ab! Andererseits bekomme auch ich die Gelegenheit, an zwei inzwischen langsamer gewordenen Kontrahenten über die Marathondistanz vorbeizuziehen. Die nächste Verpflegungsstation ist beim Gasthaus Rogovilc in Robanov kot, wo wieder die Straße von der linken Seite überquert werden muss. Der Autoverkehr ist um die Mittagszeit in beide Fahrtrichtungen nicht allzu stark, daher wird man beim Überqueren der Straße nicht lange behindert – oder man verzichtet auf die Versorgungsstelle und hat Wasser und Iso im Tragegurt oder Rucksack dabei.

Die Streckenmessung ist so exakt, dass die Bodenmarkierung von der Anzeige auf meiner Garmin-GPS-Uhr nur wenige Meter abweicht, obwohl ich einzelne Ausfälle der Satellitenverbindung infolge überhängender Felsen oder hoher Bäume registrierte. Noch sind es an die 12 km bis ins Ziel. Ich halte mich an der Verpflegungsstation beim Gasthaus Siporex in Solčava etwas länger auf und spüle ein Gel mit 2 Bechern Wasser hinunter. Nur leider bleibt die Wirkung aus, so richtig in Fahrt komme ich wohl wegen der Steigung nicht mehr. Ich habe den Eindruck, dass ein Kilometer diesmal weit länger ist als sonst- So schaue auch nur mehr auf die kurveneiche, stetig ansteigende Straße und trabe langsam zum nächsten in Gelb angeschriebenen Kilometerpunkt.

Bis zum Eingang ins Logarska-Tal sind es noch rund 4 km. Dort befindet sich die letzte Verpflegungsstation, es sind nur noch 3 Kilometer bis ins Ziel. Vor mir spazieren gleich 3 Ultramarathonläufer, die ich mehr gehend als laufend überhole. „Nur mehr 300 Meter!“, schreit mir Ernst entgegen, der vor der Pension Na Razpotju steht und schon geduscht ist. Mit 5:16:45 laufe ich ein. Geschafft! Ein hartes Stück Arbeit, aber viele bleibende, zumeist Landschaftseindrücke und eine annehmbare Medaille.

Hunderte Läufer sind im Zielbereich versammelt, mit den Bons im Startsackerl gibt es eine warme Suppe (Tomaten oder Gemüse) und ein Getränk (Bier, Limo, Iso). Ich erkundige mich, wo man seinen Kleiderbeutel zurückbekommt und wo die Duschen sind. Es ist ein kurzer Fußmarsch von 200 m, die Organisatoren haben mit Unterstützung von Helfern der Armee alles gut unter Kontrolle.

Als ich in den Zielbereich zurückkomme, hat sich Ernst inzwischen eingefunden. Ich will meine genaue Laufzeit wissen, man kann sich die Urkunde ausdrucken lassen. Ich nehme auch gleich die Urkunde von Ernst mit  – 4:31:43 lautet seine Finisherzeit. Er war diesmal nur eine Dreiviertelstunde schneller als ich, was bedeutet, dass vor allem das letzte Drittel des Marathons viel Kraft gekostet hat. Ich nehme eine Gemüsesuppe und gönne mir ein Bier.

Es ist 14.50 Uhr, die Siegerehrung würde um 16 Uhr beginnen, solange wollen wir aber nicht warten. Unser Auto steht am Parkplatz in Mozirje, ein Shuttlebus dorthin würde erst in eineinhalb Stunden abfahren. Ich wende mich wie in Skritek an die Lenker gerade wegfahrender Autos. Wir haben Glück, ein älteres Ehepaar nimmt uns mit – 40 km eingepfercht am Rücksitz eines Kleinstautos sind für mich mit 192 cm Körpergröße fast anstrengender als der Marathon vorher. Doch wir halten durch, kurz nach 16 Uhr fahren wir ab in Richtung Maribor und Spielfeld. Bereits um 20 Uhr bin ich wieder in Wien.

Ich fühle mich fit, um heute Abend mit meiner Frau noch auszugehen. Ich erzähle ihr kurz vom Lauf und zeige ihr die Medaille und die Urkunde. Sie sagt daraufhin: „Bravo, gute Leistung, ich sehe, du bist Zweiter geworden…“ Obwohl ich meine Platzierung im Ziel nicht mitbekommen habe, weil ich auf der Urkunde nur die Nettozeit verifizierte, wären Ernst und ich kaum so lange geblieben, um auf einen Pokal zu warten. Ernst hat heuer schon mehrere Altersklassenwertungen gewonnen, aber es zeitlich nicht geschafft, eine Trophäe entgegenzunehmen. Jedenfalls sollte es nicht als Geringschätzung meinerseits ausgelegt werden, sondern als Versäumnis.

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Nächstes Jahr wird der Ultramarathon von Celje nach Logarska dolina zum 30. Male ausgetragen. Die landschaftlichen Höhepunkte der Laufstrecke beginnen erst nach dem Marathonstart in Mozirje. Das sollte man bedenken, wenn man nicht nur an der Laufzeit interessiert ist. Ich persönlich könnte mir gut vorstellen, dort wieder anzutreten. Die für den Verkehr während der maximalen Dauer des Ultramarathons von 12 Stunden nicht gesperrte Straße ins  Logarska-Tal könnte allerdings einige Läufe irritieren.

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