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Laufberichte

Marathon des Alpes-Maritimes: Was gibt es Schöneres?

10.11.13

Am Ende des Flughafens endet die Promenade des Anglais und vor der Überquerung der Pont Napoleon III werden wir musikalisch angefeuert. Unter uns kommt die Var aus den Bergen und mündet hier ins Mittelmeer. Der Fluss entspringt im Gemeindegebiet von Entraunes und mündet nach 114km hier ins Meer.

Auf der anderen Seite der Brücke sind wir in Saint-Laurent-du-Var. Der Ort hat einen der größten Häfen an der Riviera und gehört seit 2002 zur Gemeinschaft der Agglomeration Nice Côte d'Azur.

Wir folgen jetzt der Route du Bord de Mer. Bei km 8 gibt es die nächste Wasserstation, die auch Schwämme für uns bereithält. Obwohl es jetzt noch nicht sehr warm ist, greifen viele danach. Wir kommen wieder ans Meer. Hier ist für die Staffeln der erste Wechsel. Durch eine extra abgesperrten Zone gibt es dadurch keinerlei Behinderungen. Gute Lösung.

Es wird deutlich wärmer. Wir laufen weiter am Meer entlang und kommen bei km 10 in den Ort Port du Cros. In den Jahren 1920 – 1930 war er der größte Fischereihafen in den Alpes-Maritimes. Mehr als 200 Fischer lebten hier. Rund um die Kirche Saint-Pierre (sogenannte "Church Yellow“) gab es im 19. Jahrhundert ein ganzes Viertel mit italienischen Fischern. Heute gibt an der Uferstraße ausser dem Kirchturm nur noch viele Hotelbauten und nichts erinnert mehr an das Fischerdorf.

Nur einen Kilometer weiter, leider neben der Laufstrecke, liegt das alte Dorf Haut-de-Cagnes, das früher nur vom Olivenbau lebte. Zwischen alten knorrigen Olivenbäumen steht der prächtige Renaissancebau des Schlosses der Grimaldis. Hier lebte und malte von 1908 bis zu seinem Tode 1919 Renoir. Den Pinsel hatte er sich an seine arthritische Hand gebunden.

Bei km 12 kommen wir an die berühmte Rennstrecke Hippodrom in Cagnes-sur-Mer. Der Begriff Hippodrom leitet sich vom Griechischen ab und bedeutet Rennbahn für Pferde und Wagenrennen. Das Gelände direkt am Meer ist 63 Hektar groß und kann bis zu 11.300 Personen fassen. Kurz danach erreichen wir Villeneuve-Loubet. Hier biegen wir in eine Nebenstraße ab und laufen eine ca. 1km lange Schleife zurück wieder ans Meer. Hier laufe ich zu Renate Werz auf und wir unterhalten uns ein wenig. Renate gehört schon seit Jahren zu den fleißigsten Marathonsammlerinnen und genießt heute wie ich diesen schönen, frühlingshaften Tag.

Auf der Route du Bord de Mer ist es windig, sehr windig sogar. Bei den riesigen Appartementhäusern werden wir fast weggeblasen. Viele kämpfen sich im Gehen weiter, weil es keinen Sinn macht, gegen den Wind anzulaufen. Die in den 1970er Jahren erbauten Appartement-Klötze sind in Sternform errichtet, in deren Schutz ein sehr schöner Hafen liegt. Die Pläne für die Betonburgen stammen von André Minangoy. Sie waren jahrelang umstritten. Inzwischen gibt es aber viel schlimmere „Bausünden“.

Wir verlassen den Ort und haben zur Landseite einen großen und breiten Grüngürtel. Es fällt auf, dass es auf einem Abschnitt von ca 1 km nicht ein einziges Hotel gibt. Die Temperaturen liegen jetzt über 20 Grad. Man spürt die Wärme kaum, denn noch immer weht ein starker Wind.

Der Straße zwischen Meer und Bahnlinie folgen wir rund 4 km. Zurück hat man einen herrlichen Blick bis in die Bucht von Nizza. Die großen Appartementhäuser hinter uns am Horizont werden immer kleiner und das Fort Carre von Antibes vor uns wird langsam größer. Links der Kiesstrand, rechts die Mauer und dann kurz vor Antibes kommt das große schwarze Tor. Hier liegt eine Zeitmatte,  die 1. Hälfte ist geschafft.

Dann kommt der Stadtrand von Antibes. Wir laufen am Hafen entlang Richtung Stadtmauer. Durch das alte Stadttor gelangen wir an den Rand der Altstadt. Geradeaus ginge es direkt in die Altstadt. Dort steht am Marktplatz, dem Cours Masséna, eine große, gusseiserne Halle, die 1900 erbaut wurde. Das Hallendach reicht von einer Straßenseite zur anderen. In der Halle türmen sich Berge von Aubergines, Melonen, Cabécou-Ziegenkäse, sowie ein reichhaltiges Fischangebot (frisch aus dem Meer) und würzig duftenden Würsten. Um die Halle gibt es viele kleine Cafes, in den engen Gassen nette Geschäfte und Restaurants.

Wir laufen steil bergauf auf die Festungsmauer. Von oben haben wir einen herrlichen Blick auf das Meer, den Hafen und das Fort Carre. Bei diesem Blick muss man einfach innehalten, durchatmen und genießen.

Antibes hatte einmal eine strategisch wichtige Bedeutung. Frankreichs berühmter Festungsbauer Vauban baute im späten 17. Jh. eine Grenzbastion. Heute sind darin ein archäologisches Museum sowie eine eindrucksvolle Darstellung der Geschichte von Antibes in der Antike untergebracht. Das Fort Carré steht auf einem 26 Meter hohen Felsen direkt am Meer. Darunter liegt der große Yachthafen.

Auf der Festungsmauer steht das Wahrzeichen der Stadt, die ehemalige Grimaldi-Burg, heute das Museum Grimaldi. In dem viereckigen Turm hatte Picasso ein Atelier.

Die Laufstrecke geht fast einen Kilometer über die Festungsmauer. Es ist eine traumhafte Kulisse: Die historischen Gebäude, die Aussicht, die Farbe des Meeres, die Brandung. Wir laufen hinunter zur Promenade. Hinter dem kleinen Hafen geht es leicht aufwärts. Über der Bucht ist ein Regenbogen zu sehen, der sich lange hält.

Wir laufen weiter am Meer entlang und erreichen bei km 26 die Halbinsel Cap d'Antibes. Die nächsten Kilometer dann ich nur paradiesisch nennen. In dem grünen Küstenstreifen stehen die Schlösser und Paläste der Milliardäre, sowie das berühmte Eden Roc, eines der besten Hotels der Welt.

Bei km 28 geht es nochmal länger richtig aufwärts. Eine junge Läuferin ist am Gehen und bitterlich am Weinen. Sie hat Krämpfe und kann kaum noch auftreten. Gleich sind Sanis bei ihr und ich kann weiter laufen.

Am Kiefernwald Juan-les-Pins, an dem wir gerade vorbei laufen, findet jedes Jahr das berühmte Festival de Jazz d'Antibes Juan-les-Pins statt. Wir sind in der romantischen Bucht von Golfe-Juan. Man sagt, sie wäre das nahezu perfekte Abbild der Schönheit der Riviera. Am Casino vorbei kommen wir auf die sonnige Uferstraße. Es sind noch 10km bis zum Ziel und die werden nicht leicht. Der Wind bläst kräftig von vorn und vom Strand wird uns feiner Sand ins Gesicht geblasen. Um mich rum wird in allen möglichen Sprachen geflucht. Vom Wind wurden auch die geplanten Streckenrekorde verweht. Die Sieger blieben 5 Minuten darüber. Mich kostet der Wind nur 2 – 3 Minuten. Das aber auf jedem Kilometer auf diesem Abschnitt.

Ein Stück weiter sehen wir an der Südspitze von Cannes die Lerins Inseln. Der Blick fällt auf die 210ha große Ile Ste-Margueritè die mit Eukalyptusbäumen und Pinien begrünt ist. Dahinter liegt die viel kleinere Ile St-Honorat, auf der es sogar Weinberge gibt. Auch ein Kloster aus dem 11. Jahrhundert kann hier besichtigt werden. Wir laufen immer am Meer entlang auf die Inseln zu und  sind bald am Stadtrand von Cannes. Bei km 40 direkt an der Südspitze steht das Palm Beach Casino. Dann beginnt die weltberühmte Flaniermeile von Cannes, der Boulevard de la Croisette. Es ist nicht mehr weit zum Ziel. Die Palmenallee führt uns direkt dorthin.

Cannes ist weltberühmt durch das jährlich stattfindende Internationale Filmfestspiel und ist Treffpunkt für alle, die Rang, Namen und Geld haben.  Angefangen hat alles mit einem kleinen Fischerdorf, bis, wie schon erwähnt, die Côte d`Azur vom britischen Lordkanzler Brougham „entdeckt“ wurde. 1868 wurde die Croisette erbaut, die Flaniermeile, auf der wir gerade laufen. Die Palmen wurden drei Jahre später gepflanzt. 1912 begann der Bauboom und es entstand ein Luxushotel nach dem anderen. Die Croisette wurde immer wieder erweitert und hat heute eine Länge von 2km. Hier ist wirklich alles luxuriös: Die Shops, die Boutiquen, die Restaurants und die Bars. Heute sind Marathonläufer aus aller Welt auf dem schönsten Boulevard der Welt zu Gast.

Km-Schild 42, noch 200m, das „Carlton“, dann das Ziel.  Mitten im November wird mir bei strahlendem Sonnenschein die Medaille umgehängt. Was gibt es Schöneres?

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