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Laufberichte

Ferrara Marathon: Corriferrara (Laufen in Ferrara)

25.03.12

Die Umgebung ist recht abwechslungsreich: viele Villen und dazwischen Bauernhöfe. An dem Sträßchen Alleebäume, meist noch winterlich ohne Blätter. Ich versuche die Ideallinie zu laufen. Die km-Markierung ist übrigens sehr exakt, verglichen mit meinem GPS.  Die Felder sind riesig und frisch bestellt. Man kann viele lange Wasserschläuche sehen. Im Sommer wird es hier sehr heiß und schwül. Und es ist wirklich flach in der Po-Ebene. Man glaubt fast, die Läufer bis ins Ziel sehen zu können.

Bei Kilometer 15 sind wir in Francolino. Am Rande des Dorfes kann man ihn nun erkennen, den großen Damm am Po. Hier erwartet uns die einzige Steigung, nach meiner Schätzung von 1 m auf knapp 8 m Höhe.

Auf dem Damm laufen wir flussaufwärts. Ich bin glücklich: Seit den Don Camillo-Filmen meiner Kindheitstage freue ich mich immer wieder auf diesen Fluss. Auch wenn der Drehort 100 km weiter Po-aufwärts liegt, sind die Wetterverhältnisse hier nicht anders: im Winter neblig und kalt und im Sommer eben sehr heiß. Und wie man aus den Büchern von Giovannino Guareschi weiß, können solche Bedingungen bei den Bewohnern schon mal zu einem gewissen Starrsinn führen. Aber das war vor 60 Jahren, wahrscheinlich hat sich da auch einiges geändert. 

Am Po werden Pappeln angepflanzt, und zwar im rechtwinkligen Muster. Diese Bäume wachsen sehr schnell und gerade und werden daher in Oberitalien gerne angebaut. Nett sehen die jungen Bäumchen aus. Um den romantischen Eindruck zu vervollständigen, beginnen auch noch die Kirchenglocken zu läuten. An der nächsten Wegbiegung kommt uns sicher Don Camillo auf seinem Fahrrad entgegen...

Wahrscheinlich ist mir doch schon zu heiß? Mütze aufsetzen!  Am Fuß des Damms sieht man die Läuferinnen und Läufer mit der 3:30-Pacemakern. Sergio spricht mich an, da ich mich auf meinem T-Shirt als Münchner ausweise. Er kommt aus Verona und ist schon zwei Mal in München gelaufen. Schade: Dieses Jahr wurde der Verona-Marathon in den Herbst verlegt, und zwar auf den Tag, an dem auch der München-Marathon stattfindet. Sergio und seine beiden Begleiter verabschieden sich mit einem  „in bocca al lupo“ (wörtlich übersetzt: „in den Rachen des Wolfs“), worauf wir mit „crepi (il lupo)“ antworten. So wünscht man sich in Italien viel Glück.

Auf der Eisenbahnbrücke über den Po schießt ein weißer Zug vorbei. Im Fluss verläuft die Grenze zwischen der Emilia-Romagna (da sind wir) und Venetien. Ein Stück weiter gibt es sogar ein Dreiländereck. Da beginnt ein Zipfelchen der Lombardei. Alle drei sind sehr reiche Regionen in Italien.

Kurz vor  Pontealguscuro müssen wir dann wieder nach unten. Wir queren die Straße und der Streckenposten ist unerbittlich: Obwohl sich vor Judith und mir schon eine deutliche Lücke zu den vorherigen Läufern aufgetan hat, darf kein Auto passieren. Und so laufen wir jetzt an einer langen Kette von PKWs vorbei, deren Insassen die Verzögerung klaglos hinnehmen. Das ist ungewöhnlich und ganz anders als beispielsweise in Mailand: Während des gesamten Laufs höre ich kein einziges Mal einen genervten Autofahrer hupen. Andererseits feuert uns auch niemand an, und keiner hat das Radio eingeschaltet. Wahrscheinlich müssen die Fahrer Sprit sparen. Kein Wunder, denn an einer Tankstelle ist der Preis für 100-Octan-Benzin mit 1,99€/Liter angegeben. In der Zeitung steht, dass seit der jüngsten Erhöhung der Mineralölsteuer die Luftverschmutzung deutlich zurückgegangen ist. Immer mehr Einwohner steigen aufs Fahrrad um – wobei speziell Ferrara schon in den 1980er Jahren  in einem Fernsehbericht als die Fahrradstadt Italiens schlechthin gerühmt wurde. Das trifft für den Stadtkern sicher auch heute noch zu. Allerdings sind die Räder wohl noch dieselben wie vor 30 Jahren, und nachts verzichtet man auf eine Beleuchtung und auf den Helm sowieso. Nur einige wenige Kinder tragen einen. Und man darf durch die Fußgängerzone radeln, was auch problemlos funktioniert.

Einige Sträßlein, Kanälchen und Dörfchen weiter beenden wir unsere Schleife und treffen wieder auf unseren km- 5-Ausgangspunkt. Hier steht ein Einkaufszentrum im Stil der Stadtmauer von Ferrara. Der kühle Wind hat jetzt ganz aufgehört. Die Umgebung ist schon wieder vorstädtischer. Einige Kreuzungen sind von der Guardia di Finanza (Finanzpolizei) abgesichert. Deren Vertreter  sehen noch schicker aus als die Carabinieri. Also Vorsicht mit der Steuererklärung! Vielleicht prüfen die auch, ob die Läufer alle brav ihre Teilnahmegebühr gezahlt haben... Ein Sportler aus Wien erzählte mir zu Beginn, dass er nur einige Freunde begleite und deswegen auf die Anmeldung zum Halbmarathon verzichtet habe. Immerhin 20 Euro gespart. 

Die nächsten Ortschaften heißen Pontegradella und Focomorto. Dort steht auch ein großer Solarpark. Eigentlich schade, da der Boden sehr fruchtbar ist. Aber mit Strom lässt sich anscheinend mehr Geld verdienen. Irgendwie beginnt hier mein persönliches Wunder: Jetzt steigt mir der angenehme Duft des Flieders in die Nase. Auch viele Apfelbäume blühen schon. Bei km 26 bin ich sicher, dass wir die 4-Stunden-Marke noch unterbieten können. Allerdings weist mich Judith darauf hin, dass ich bei meiner Berechnung von 14 weiteren Kilometern ausgegangen bin, obwohl uns noch 16 bevorstehen. Laufen trübt offenbar das Denkvermögen.

Für die letzten 10 km bleiben uns dann noch ziemlich genau 61 Minuten. Es ist nicht leicht, aber wir halten unser Tempo. Ab km 35 zieht Judith ganz langsam davon. Wir erreichen  jetzt wieder die Stadtmauer, werden aber außen daran vorbei geführt. Schade, weil man so von der schönen Altstadt nichts sieht; gut, weil man in der sengenden Sonne an einem schiffbaren Kanal entlang läuft. Hier verlief bis ins 12. Jahrhundert der Po, bevor er sich für sein neues Bett im Norden entschied.

Jetzt überholen mich 4-Stunden-Pacemaker. Aber die waren am Start weit vor mir. Ich kämpfe mich an einen Läufer mit radelnder Begleitung  heran, doch der lässt mich nicht überholen. Kurz nach km 39 liegt ein Teilnehmer mit einem Krampf im Bein am Boden. Der Radler kümmert sich um ihn. Ohne seinen persönlichen Pacemaker kann der Mitläufer meinen nächsten „Angriff“ nicht mehr abwehren. Wir laufen jetzt auf der Via Darsena (Docks). Hier wurde der alte Hafen zum Jachthafen umgestaltet. Viele der schicken Gebäude stehen leider leer.

Noch 2 km. Wir sind in der Stadt und nutzen den Schatten der Häuser. Vor mir ein Marathoni in einem Hemd, das ihn als  „Cottbusser Parkläufer“ ausweist. Ich habe keine Kraft mehr ihn anzusprechen und überhole langsam. Kurz danach sind wir wieder auf der Viale Cavour und man kann das Castello Estense sehen. Mit meiner Geschwindigkeit liege ich noch im Plan. Da läuft der Mann aus Cottbus an mir vorbei.

Ich freue mich über die Zuschauer, die mir zujubeln. Das 21-km-Schild verrät, dass die letzten100 Meter angebrochen sind. Schon ist das Ziel erreicht. Ich kann es nicht glauben: Mein erster Frühjahrsmarathon und unter 4 Stunden! Und das trotz der vermeintlich heimtückischen Erkältung, die mich in den letzten Tagen gequält hat. Es ist immer wieder beeindruckend, wozu man fähig ist. Hinter mir kommt Peter aus Österreich ins Ziel: Auch er hat die 4 Stunden unterschritten und wie ich erst beim Betrachten der Bilder feststelle: Wir sind die letzten vier Kilometer zusammen gelaufen.

Die Teilnehmer der kroatischen Busreise empfangen einen der Ihren im Ziel mit einer Sektdusche und machen noch mal richtig Stimmung. Großes Hallo und Finisherfoto. Schade aber, dass nach 4:45 Stunden kaum noch Zuschauer da sind. Im Ziel gibt es eine Medaille und die übliche gute Verpflegung.  Die Halbmarathonis haben uns noch genug übrig gelassen.

Bevor wir ins Hotel zurück fahren, schauen wir bei der Siegerehrung vorbei. Judith hat es in ihrer Altersklasse  mal wieder geschafft und bekommt eine Flasche Sekt, ein XL-Laufshirt und … ein Glas mit eingelegten Knoblauchzehen. Ich bekomme nichts und lande wieder in der zweiten Hälfte der Ergebnisliste, bin aber nach Judith und Claus aus Cottbus dritter Deutscher und außerdem auch letzter Deutscher, wie man das so sehen mag.

Finisher Marathon: 764
Finischer Halbmarathon: 989

Viele Kroaten, Slowenen, Serben, Österreicher, einige Franzosen und US-Amerikaner.

Schöne Strecke, da abwechslungsreich, leider zu wenig im Stadtgebiet  (da hätte es schon noch ein paar Straßen mit Teer gegeben), fast keine Steigungen, gute Verpflegung, sehr günstige Teilnahmegebühr, wenige Zuschauer, keine Musikkapellen, Busverbindung zum Flughafen Bologna, Hauptstrecke der Bahn.

P.S. Einige Internetseiten auch auf Englisch. Der Umschaltknopf war dieses Jahr ganz unten rechts.

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