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Laufberichte

Beaujolais Marathon

17.11.12

Der Start ist einige hundert Meter entfernt. Die VIP-Läufer dürfen über eine Seitenstraße an das vordere Ende des Felds, der Rest muss sich hinten anstellen. Wer zu spät kommt, hat Pech gehabt. Es wird wiederum versucht, die Stimmung anzuheizen. Drei Minuten vor dem Start entschließen sich die Moderatoren, dass sie eine Gedenkminute einlegen wollen. Den Anlass verstehe ich akustisch leider nicht, und die Läufer ganz am Ende des Felds bekommen gar nichts mit, sodass sich der Geräuschpegel nur etwas senkt. Die Gedenkminute wird mit einem „Merci“ abgebrochen und die Stimmung wieder angefacht. Mit Böllern und Konfetti geht’s pünktlich los. Ein kleiner Bogen durch Fleurie und dann raus auf die Weinfelder. Die Zuschauer sind begeistert, machen super Stimmung, aber bald sind wir auf den Beaujolais-Feldern allein unserem Schicksal überlassen.

Das Lieblingsthema der Moderatoren war die Warnung vor der Strecke: „Die ersten zwei Kilometer verlaufen bergab, haltet euch bitte, bitte zurück.“ Jetzt verstehe ich warum. Das Gefälle ist nur sanft, aber sehr verführerisch. Es läuft von selbst. Das Tempo ist gemütlich, aber trotzdem höher als geplant.

Mit dem Wetter ist es so eine Sache. Es ist grau und trist. Die ganze Woche schon haben die Wetterfrösche Sonnenstunden en masse vorhergesagt, gesehen habe ich sie nur minutenweise. Abends war die Vorhersage dann auf „den ganzen Tag Nebel bzw. Hochnebel“ korrigiert. Toll, das kann meine Glaskugel auch... Deshalb mache ich mir wenig Hoffnung auf Wetter-Besserung.

Der Lauf ist Teil einer ganzen Reihe von Veranstaltungen in diesen Tagen. Allen gemeinsam ist das Feiern des neuen Weins. Deshalb auch der Slogan „Le Beaujolais nouveau est arrivé“. Die Kehrseite der Geschichte, die Felder sind gnadenlos leergeputzt. Die eine oder andere Traube ist noch zu sehen, aber sonst ist alles kahl. Der Anblick passt (leider) zum Wetter. Aber es ist auch Abwechslung geboten. Viele sind kostümiert am Start. Von dezent und gut geeignet zum Laufen bis zu „wow, wie kann man so überhaupt laufen“ ist alles dabei. Comic-Gallier, Wikinger, Vampire, die Blues Brothers, und so weiter. Kurz vor mir biegt eine 8-köpfige Seilschaft in einen Feldweg ab, um sich geschlossen zu erleichtern. Die einzige Dame in der Gruppe wirkt sehr gefasst. Dank der fixen Seilverbindung bleibt ihr auch kaum etwas anderes übrig.

Kilometer 5. Wir erreichen das erste Weingut. Durch ein Tor geht es hinein in den Vorhof des Guts. Für Musik, Speis und Trank ist ausreichend gesorgt. Das Feld ist noch ziemlich dicht, es herrscht ein ziemliches Gewusel an den Ausgabetischen, deshalb verweilen wir nicht allzu lange.

Die Strecke führt größtenteils auf asphaltierten Feldwegen. Aber nicht ausschließlich. Teilweise wird auf kaum befahrenen Straßen gelaufen. Es wurde vor dem Start explizit darauf hingewiesen, dass man in Frankreich auf der rechten Straßenseite läuft. Die Umsetzung sieht in der Praxis natürlich nicht zwangsläufig so aus. Läufer haben ihren eigenen Kopf. Wir biegen auf einen Grasweg. Endlich Abwechslung für die Füße. Es geht ein paar hundert Meter sanft hinauf, ehe wir wieder auf eine Straße wechseln. Zwar kommen immer mal wieder Alleen und Naturwege, aber dieser Grasweg bleibt das „crossigste“ Stück des ganzen Tages.

Kilometer 10. Das absolute Highlight des Marathons ist das „Château de Pizay“. Kreuz und quer geht es durch einen wunderschön gestalteten Vorhof. Die Heckenschneider müssen Meister ihres Fachs sein. Vor einem Tor nimmt das Tempo rapide ab. Drin steht ein Ordner, weist nach links und ruft „Attention! Escaliers!“ Über etwa 20 Treppen gelangen wir hinab in einen langgezogenen Weinkeller. Der rote Teppich wurde dort extra für uns ausgerollt. Die riesigen Weinfässer auf der rechten Seite interessieren kaum einen. Viel spannender ist die lange Tischreihe, wo auf einer unzählbaren Zahl an Papptellern mundgerechte Stückchen von Kuchen, Käse, Salami, Baguette, Zuckerwürfeln und Obst liegen. Als Getränk gibt es Wasser und natürlich Wein. Vor lauteren Begeisterung werden meine ersten Bilder im Keller gar nichts, und der Rest nicht viel besser. Das Feld ist nun zum Glück weit genug auseinander gezogen, sodass wir uns Zeit lassen können und das Buffet genießen können. Eine Außentreppe führt wieder hinaus in den Vorhof des Weinguts zum zehnten Kilometerschild.

Hungerast und Dehydration sind bei diesem Lauf als Ausrede verboten. Offiziell gibt es „nur“ 9 Verpflegungsstationen („Ravitaillement“). Von den 6 Weingütern, die auf den ersten 22 Kilometern durchlaufen werden, sind nur die Hälfte als „Ravitaillements“ ausgeschrieben, tatsächlich ist aber die Verpflegung in allen Weingütern bestens. Zusätzlich gibt es noch weitere Stände, die nicht in der Streckenbeschreibung vorkommen. Allerdings trügt der Schein. Es gibt an diesen Punkten zwar Verpflegung, aber nur in Form von frischem Beaujolais.

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