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Laufberichte

Badwater-Ultramarathon: Hubert Karl läuft Rekord

16.07.08
Autor:

Ludwig Freter und Edgar Karl (Supporter)

Der Badwater-Ultramarathon - ein Lauf über 216 km inmitten der Wüste von Kalifornien. Dieser Herausforderung stellen sich jährlich ca. 90 Läufer und Läuferinnen aus der ganzen Welt. Das Hauptkontingent der Starter kommt aus den USA, aber auch aus Neuseeland, Australien, Brasilien, Marokko, Frankreich und aus Deutschland reisten die Teilnehmer an, um das Tal des Todes (Death Valley) vom 86m unter dem Meeresspiegel gelegenen Badwater-Punkt - dem tiefsten Punkt der westlichen Hemisphäre - aus zu durchqueren und das Mount Whitney Portal in der Sierra Nevada zu erklimmen. Dabei steht den Athleten ein Zeitlimit von höchstens 60 Stunden zur Verfügung, diesen Lauf unter geradezu lebensfeindlichen Bedingungen zu meistern. Aber nicht nur die Distanz von 135 Meilen - also 216 km - allein, sondern vor allem die Hitze und auch die 4300 Höhenmeter, die insgesamt über 3 Pässe hinweg zu bewältigen sind, machen diesen Lauf zu einem der härtesten seines Genres. Vergleichbar ist dieser Wettkampf in etwa mit einer 216 km langen Besteigung des Mont Blanc, bei Temperaturen, die 1913 mit 56,7 ° C den Hitzerekord in der Welt aufstellten und nur noch einmal 1922 in der lybischen Wüste in Azeria mit 57,8 ° C durch heißere Temperaturen überboten wurden. Diese extreme Hitze verhalf diesem Tal auch zu seinem Namen, da so mancher früher Siedler „ohne Klimaanlage“ sein Leben lassen musste.

Death Valley - Steinwüste, ausgedörrte Salzseen, Sanddünen und vor und unter den Läufern bis zu über 70 ° C heißer Asphalt.

“Gibt es denn da noch jemanden, der so etwas freiwillig auf sich nimmt?”, wird sich nun der eine oder andere fragen; und die Antwort lautet “ja!”. 

Hubert Karls Wunsch für seinen 50. Geburtstag war es an diesem außergewöhnlichen Rennen teilzunehmen. Wobei er sicher schon im Voraus wusste, was auf ihn zukommen wird, da er in der Ultraszene schon lange kein unbeschriebenes Blatt mehr ist. Bereits 25 Jahre ist er Läufer und seit er 1989 seinen ersten Ultramarathon finishte, ein so genannter Ultraläufer, der mittlerweile an über 110 solcher Wettkämpfe teilgenommen hat. Hierzu zählt auch der Spartathlon, den der Läufer des TV Zeil inzwischen 12 mal bewältigt hat und der mit seinen 245 km zusammen mit dem Badwater-Ultramarathon um den Titel des härtesten Nonstop-Rennens der Welt wetteifert. 


Von diesem Gesichtspunkt aus gesehen ist es also kaum verwunderlich, dass sich Hubert in seiner sportlichen Karriere zumindest einmal dem Abenteuer Badwater stellen wollte.

Bis es aber so weit war, mussten schon zum Jahreswechsel etliche Vorkehrungen getroffen werden. Bewerbungen mussten auf Englisch verfasst und zusammen mit Nachweisen, solchen körperlichen Belastungen auch standhalten zu können, an den Veranstalter geschickt werden. Auto und Hotels für jeweils 3 Personen mussten gebucht werden - denn 2 Crew-Mitglieder bzw. Supporter und ein Begleitfahrzeug sind pro Läufer vorgeschrieben. Hierfür erklärten sich sein Stiefsohn Ludwig Freter und sein Bruder Edgar bereit und beide versuchten Hubert so gut wie möglich zu unterstützen.

Trainingsvorbereitung

Natürlich zählt zur Vorbereitung auf den Badwater-Ultra neben den Formalien auch eine gesunde Ernährung und ein ausgiebiges Training. So bildeten die Monate Mai und Juni den Grundstock als Trainingsaufbau mit zahlreichen Wochenkilometern und zusätzlich die Teilnahme am Rennsteiglauf im Mai über 73 km und zwei längeren Trainingseinheiten von je 50 km. 

Außerdem erwiesen sich die Berichte und Tipps, die man sich von ehemaligen Teilnehmern und Betreuern eingeholt hatte als sehr hilfreich, bevor es am 3. Juli mit dem Flugzeug von Frankfurt aus Richtung Las Vegas gehen konnte.

Dort angekommen musste man erst einmal mit den vorherrschenden 42°C zurechtkommen, ohne auch nur an größere Aktivitäten, wie laufen zu denken. Doch die verbleibenden 10 Tage bis zum Start des Laufes wurden von Hubert dann noch dazu genutzt, sich zu akklimatisieren und um nicht aus dem Training zu kommen. Verbunden mit einer 3000 km Rundreise durch die Weststaaten war es ihm so z.B. auch möglich Trainingsläufe von jeweils 3 Stunden in so verblüffenden und wundervollen Kulissen, wie dem Arches National Park und dem Bryce Canyon zu absolvieren, bevor er sich noch direkt im Death Valley gelegenen Ort Furnace Creek an die dortige Hitze gewöhnen und dort nochmals drei Tage jeweils eine Stunde trainieren konnte. 

Bedeutende Dinge geschehen bei der Anpassung an die Hitze: Herzschlag, Körpertemperatur und der Salzgehalt im Schweiß sinken unter Belastung, während die Schweißrate zunimmt.

Essen und Trinken

sind einer der Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Absolvierung eines Ultras, insbesondere bei Extremläufen wie diesem. Nicht die Beine, sondern Magen und Darm bestimmen oft den Ausgang. In der Lage zu sein, genügend Flüssigkeit aufzunehmen, ist einer der zentralen Punkte beim Badwater Ultra. Mit 50 l vorbereiteten Getränken, wie einer Elektrolytlösung aus Kalium und Natrium, mit Kochsalz angereicherten Anis-Kümmel-Fenchel Tee, Trinkwasser das ebenfalls mit 600 mg Kochsalz pro Liter angereichert war, einem löslichen Kräutertee gegen Unterzuckerung, drei Sixpacks alkoholfreiem Bier und Coca Cola sollte der Flüssigkeitsbedarf gedeckt werden. Als Essengrundlage dienten Brote mit vegetarischen Kräuteraufstrichen, sowie Obst und  verschiedene Riegel und Waffeln.  

Und somit konnte es für Hubert und seine Crew von nur zwei Mann und einem voll getankten Fahrzeug - wohingegen nahezu alle anderen Teilnehmer mindestens 3 Betreuer und meist zwei oder drei Supportfahrzeuge hatten - und 2 Kühlboxen voll Eis und Handtüchern im Gepäck am morgen des 14. Juli losgehen.

Start an der Lache Badwater

Kein schlechtes Wasser, keine giftige Pfütze. Nur Salzwasser, erbarmungslos der Sonne ausgesetzt und dennoch auch an diesen für uns so unwirtlichem Ort – Leben: Salzschilf, Insekten, Gliederfüßer und eine spezielle, nur hier vorkommende Schneckenart. Ein paar Meilen entfernt, im Salt Creek, der von Quellen gespeist wird, lebt der Salt Creek Pupfish, der nirgendwo sonst existiert. Über Jahrtausende hat er sich langsam angepasst als der große See, der einmal das Death Valley bedeckte, allmählich austrocknete, zur Salzwüste sich wandelte, die zurückbleibenden Tümpel immer salzhaltiger wurden.  


Die Teilnehmer für den 31. Badwater-Ultramarathon wurden nach Leistungsstärke in drei Gruppen eingeteilt, die im Abstand von jeweils zwei Stunden zwischen 6 und 10 Uhr morgens starteten. Hubert wurde nach Prüfung seiner Bewerbungsunterlagen der stärksten Gruppe zugeordnet und startete somit um 10 Uhr. Beim Start herrschten „nur“ 36 ° C. Jedes Team und jeder Läufer hatte dabei seine eigene Taktik dieses Rennen anzugehen. Unsere Betreueraufgabe bestand darin, Hubert jede Meile, also alle 1,6 km, durch nasse eisgekühlte Handtücher auf Kopf und Schultern kühl zu halten, ihn mit Wasser zu besprühen und ständig mit Trinken zu versorgen um ihn vor Dehydration und Austrocknung zu schützen. Für ihn war es dabei ganz wichtig seinen Natrium-Kalium-Haushalt im Gleichgewicht zu halten, um nicht alles getrunkene einfach wieder durch den Urin zu verlieren. Außerdem war für ihn klar, dass er die ersten 27 km bis zum ersten Checkpoint bewusst über drei Stunden laufen würde, um sich in der Hitze nicht schon zu Beginn zu verausgaben. Und so lies er sich auch nicht von den verhältnismäßig kühlen Temperaturen beim Start dazu verleiten schneller zu laufen und passierte nach drei Stunden und fünf Minuten den ersten Kontrollpunkt in Furnace Creek. 

Die Kontrollorte Furnace Creek, Stovepipe Wells und Panamint Springs sind die einzig möglichen Anlaufstationen um wieder Proviant, Eis und Wasser zu beschaffen. Diese kleinen Oasen sind mit einer Tankstelle, einem Krämerladen, und einem Motel bestückt. Der nächst größere Ort auf der ganzen Strecke ist Lone Pine nach 195 km am Fuße des Mount Whitney.

Die anfängliche leichte Anspannung seitens der Betreuer war nun verflogen und es hatte sich ein Rhythmus aus sprühen, Getränke reichen und Handtücher wechseln eingespielt, der sich bis zum nächsten Checkpoint Stovepipe Wells jede Meile wiederholen sollte. Die Temperatur war mittlerweile auf 49 ° C gestiegen und die ständig wechselnden Handtücher an Huberts Körper waren ein Garant für die gute Versorgung seiner Muskulatur, denn je besser die Kühlung, umso mehr Blut steht zur Versorgung der Muskeln zur Verfügung. 

In Stovepipe Wells wurde erstmals nach 67 km der Meeresspiegel überschritten und von hier aus ging es dann 27 km lang den Townes Pass auf 1511 Meter hoch. An diesem Pass zahlte sich Huberts Rennstrategie dann aus. Denn diejenigen, die sich ihre Kräfte nicht wie er gut eingeteilt hatten, wurden nun am späten Nachmittag einer nach dem anderen überholt und alles schien bestens zu laufen. Doch nachdem ein Drittel des Passes geschafft war wurde von den Organisatoren bekannt gegeben, dass aufgrund heftiger Gewitter, die sich schon den Tag zuvor angekündigt hatten, die Strecke nicht wie vorgesehen bis zum Mount Whitney zu Ende gelaufen werden könne und man stattdessen den zweiten Pass wieder zurück laufen müsse um zu finishen. 

Diese Nachricht war natürlich eine ziemliche Enttäuschung für alle Läufer, da man keine abgespeckte Version der Originalstrecke laufen wollte; man ist ja gestartet, um sich an dem angeblich härtesten Rennen der Welt zu messen und nicht an dessen alternativer Route. Doch kurz vor der Dunkelheit kam die gute Nachricht seitens der Rennleitung: “The original cours is reopened” und Hubert konnte neue Motivation für den Rest des Berges schöpfen. 


Nach einer schier endlos erscheinenden Steigung war er dann auf der Höhe des Townes Passes angekommen, und nun ging es eine ebenso nicht enden wollende Strecke bergab hinunter nach Panamint Springs. Dort angekommen erwartete uns dann eine erfreuliche Überraschung. Hubert hatte sich seit den Morgenstunden, als er noch einer der letzten war, den achten Platz in der Gesamtwertung erlaufen. Mit dieser frohen Botschaft im Hinterkopf ging er dann hoch motiviert den ihm bevorstehenden Darwin Off-Pass an, der sich jedoch nicht viel später als ganz harte Prüfung herausstellte. Denn im Dunkel der Nacht zogen sich die Serpentinen endlos hin und Hubert hatte mit Müdigkeit zu kämpfen und nach über der Hälfte der Strecke ruhte er sich dann das erste Mal im Auto sitzend aus. Doch schon nach einer Viertelstunde ging es weiter und nach einer kleinen Ewigkeit konnte er den über 1600 m hohen Pass dann hinter sich lassen und erreichte kurz nach Sonnenaufgang den Checkpoint bei Darwin, wo die nächste gute Nachricht schon wartete. Zwei der Läufer, die vor ihm waren, waren bereits mit der Acht-Uhr-Gruppe gestartet und so bestand eine reelle Chance auf Platz sechs. 

Weiterhin lief Hubert sehr konzentriert und kontrolliert und außer Blasen an den Füßen hatte er keine Probleme zu bemängeln, was ihm seinem Ziel, diesen Lauf unter 40 Stunden zu beenden so nahe gebracht hatte, dass er gedanklich sogar noch einen Schritt weiterging. Nur noch ein Marathon war zu laufen, als er dann wenige Meilen von dem Kontrollpunkt am Fuße des Mount Whitney seinen Betreuern mitteilte, was er sich ausgemahlt hatte: Den Badwater unter 30 Stunden laufen. Das hieße die beste Zeit, die ein Deutscher jemals bei diesem Event gelaufen ist, zu unterbieten. Und dieses Ziel, was hinsichtlich der hohen Temperaturen und der anspruchsvollen Strecke für Hubert nahezu unerreichbar schien, war nun im Bereich des Möglichen. 

Stress für die Supporter

Dadurch dass sich unser Läufer fast keine Pause gönnte, waren wir als Betreuer das ganze Rennen ständig unter Dauerstress und hatten immer voll zu tun um ihn optimal zu versorgen.

Zur Mittagszeit erreichte er dann Lone Pine als sechster in der Gesamtwertung und konnte guter Dinge den letzten noch bevorstehenden Pass angehen, vor dem so mancher Läufer erst einmal im Pool bei der Kontrollstation entspannt und Kraft schöpft. Doch das sah Huberts Taktik nicht vor. Er wollte sein Wunschziel erreichen und kämpfte sich mühsam den Berg zum Mount Whitney Portal hinauf. Links und rechts der Straße hatte man einen wunderschönen Blick auf die außergewöhnlichen Felsformationen der Alabama Hills. In dieser Gegend wurden früher viele Western mit John Wayne und auch die Fernsehserie Bonanza gedreht. 

Und endlich war es soweit. Nachdem er abwechselnd von seinen zwei Betreuern fast den ganzen Berg zu Fuß begleitet wurde, nahmen die letzten 20 km bergauf ihr Ende und das Ziel in 2530 m Höhe war erreicht. 


Mit seiner Zeit von nur 29 Stunden und 30 Minuten, wovon er nur 15 Minuten gesessen und geruht hatte, ist er nun der neue Rekordhalter mit der besten Zeit, die sich ein deutscher bis jetzt seit dem ersten Badwater-Ultramarathon 1977 erlaufen hat.

Herzlichen Glückwunsch dafür noch mal von deinem Betreuerteam!

Noch einige Bemerkungen am Rande:

Von den vorbereiteten 50 Litern Flüssigkeit  trank er 36 l.

In den 29,5 Stunden verbrauchte der Läufer 16700 kcal.

In den flachen Teilstücken wurde als höchste Herzfrequenz 130 erreicht und
über die Pässe stieg sein Puls nie über 142 Takte.

Die höchste Temperatur betrug 49 ° C, die niedrigste in der Nacht auf der zweiten Passhöhe 17 ° C.

Vom Veranstalter wurden wir beim Briefing vor den Gefahren durch die Tierwelt gewarnt, hatten aber zum Glück keine Begegnung mit Klapperschlangen und Skorpionen.

Es gewann der Mexikaner Jorge Pacheco das Rennen in 23:20 Stunden vor dem Ungarn Akos Konya, der 23:49 Stunden benötigte und auf dem dritten Platz folgte schon mit Jamie Donaldson aus den USA die erste Frau, die die Strecke in 26:51 Stunden absolvierte!

 


 
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