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Laufberichte

Wintertraining: Schnee und Rodel gut

31.01.10

Sonntag, 31.Januar. Nachdem ich mich heute Morgen eine halbe Stunde damit beschäftigt habe, den frisch gefallenen Pulverschnee der letzten Nacht zu bändigen, stehe ich vor der entscheidenden Frage des Tages:  Krieche ich wieder zurück ins Bett und verbringe den Rest des Vormittages mit Lesen und Herumdösen, oder versuche ich es mit einem kleinen Lauf?

Die Variante, sich wieder zur besten Ehefrau von allen ins Bett zu kuscheln hat vieles für sich. Nicht zuletzt plädieren auch die Überreste der vergangenen Nacht dafür. Die Feier von Manfreds 50. Geburtstag war erwartungsgemäß feucht-fröhlich verlaufen, der Auftritt unserer Band dort kam ebenfalls gut an. Alles in allem also ein schöner Abend, der erst ein gutes Stück nach Mitternacht sein Ende in einer abenteuerlichen Autofahrt auf schnee- und eisbedeckten Straßen gefunden hatte.

Falls jetzt jemand ob der Verknüpfung von „feucht-fröhlich“ und  „Autofahrt“ kritisch sein weises Haupt schüttelt, so kann er beruhigt sein; Gut, dass meine Frau auch ohne Alkohol gerne und lange feiern kann.

Der eigentlich für heute eingeplante Insellauf in Königswinter wird jedenfalls ohne mich auskommen müssen. Die 15 Kilometer-Strecke von Königswinter rund um die Rheininsel mag zwar reizvoll sein, heute ist mir aber eher nach Ruhe. Als  Mitverantwortlicher für einen Volkslauf und Ausrichter eines Läufercups  müsste ich eigentlich das hohe Lied des gemeinsamen Lauferlebnisses singen. Heute nicht, lass heute die Anderen siegen, heute denke ich einmal nur an mich.  Ein Genusslauf ist also angesagt.

Später erfahre ich, dass der Insellauf aufgrund der Witterungsverhältnisse ganz kurzfristig abgesagt werden musste. Schade für die Mannen vom SSF Bonn rund um Michael Scharf. Viele Stunden ehrenamtlicher Arbeit fallen plötzlich dem Wettergott zum Opfer. Hoffentlich halten wenigstens die Sponsoren und Inserenten still.

Schnell schlüpfe ich in meine Laufsachen und hoffe, dass die Goretex-Schuhe hoch genug sind. Knapp 15 cm Neuschnee; das sollte gerade so reichen. Vorbei am Dammwildgehege, in dem der weiße Hirsch mir inmitten seiner Damenriege aufmerksam zuschaut, beginne ich meine Runde. Nach einem knappen Kilometer ist es so weit, dass ich die geteerten Wege verlasse und biege rechts ab hinein in eine lange, gleichmäßige Steigung, hoch auf das, was man hier unter einem Berg versteht.

Offenbar war seit Tagen kein Mensch mehr auf diesem Weg unterwegs. Völlig unberührt zieht sich der Pfad die ersten paar hundert Meter am Waldrand entlang hoch in Richtung auf die Sonne zu. Unter meinen Schuhen knirscht der Schnee, einzelne Kristalle funkeln wie kleine zufällig verstreute Diamanten an der Oberfläche. 

Aus den Büschen heraus zieht sich plötzlich eine frische Spur den Weg hinauf.  Vor kurzer Zeit erst ist hier ein Fuchs den Weg hinauf gelaufen. Unverkennbar die Trittfolge. Über mehr als einem Kilometer folge ich den Spuren des Tieres bergauf, bis Reinecke, warum auch immer,  einen scharfen Haken nach links in die Büsche schlug und meinen Weg wieder völlig unberührt vor mir liegen lässt.

Vorbei an der Lohrsdorfer  Hütte, die still und einsam über Ahr- und Rheintal hinweg in Richtung Westerwald blickt laufe ich weiter durch eine völlig veränderte Welt. Zu allen Jahreszeiten bin ich hier vorbei gekommen, immer hatte die Natur mir einen anderen Anblick zu bieten.

Mittlerweile folge ich der Spur eines Skilangläufers. Den Spuren seiner Stöcke nach fährt er in dieselbe Richtung wie ich. Wie mag es sein, am Berg gegen einen Skifahrer anzutreten? Mit Stolz und Belustigung denke ich an die Blicke diverser Mountainbiker, die ich in der Vergangenheit bergauf als Läufer überholen konnte. Ob das auch mit Skifahrern funktioniert?   Die Probe bleibt offen, als der unbekannte Skifahrer seinen Weg von meinem trennt.

Vorbei an den Orchideenwiesen geht es in sanftem bergauf und bergab in Richtung Köhlerhof. Ob auch heute auf dem anerkannt schönsten Golfplatz im Rheinland  wieder Leute mit groß karierten Hosen und sündhaft teuer aussehenden Blazern ihren Golfkarren durch die Gegend schieben (lassen)? Sind die Golfspieler Beckenbauer und Carpendale schneefest? Scheinbar nicht. Weder des Kaisers Hubschrauber, noch der rote Ferrari stehen heute dort. Obwohl meine Laufstrecke mitten durch den Platz führt, ist heute kein einziger Golfer zu sehen. Vielleicht fliegen die neongelben oder knallgrünen Winterbälle in St. Moritz ja eleganter.

Nur am Clubhaus stehen ein paar wenige Autos. Möglicherweise ein paar Unverzagte im  Theorieunterricht? Passenderweise springt mein iPod weiter zu Coldplay´s  „Viva La Vida“. Laut und fröhlich singe ich den Refrain mit: „When I rule the world!“. Verdammt, kann das Leben schön sein.

Aber schon das nächste Lied erinnert mich daran, dass ich noch sonntägliche Pflichten und Aufgaben habe. Auch wenn der Titel mittlerweile etliche Jahre  auf dem Buckel hat, sind die 11:42 Minuten von „The End“ immer noch fest im Speicher meines Players verankert.

Also dann, nächste Möglichkeit links. Runter von dem befestigten Wirtschaftsweg auf einen noch völlig unberührten Feldweg. Ein Schwarm Krähen beobachtet mich von der Mitte eines Feldes aus misstrauisch und ist froh, dass ich ihnen das lästige Auffliegen erspare. Viel zu schnell bin ich wieder an meiner Haustüre, ziehe die Schuhe aus und gehe ins Wohnzimmer.

„Und, wie war es?“ empfängt mich meine Frau. Herrlich!

 


 
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