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Laufberichte

Valencia Marathon: Un Maratón de Oro

 

„Valencia es Oro“ - daran lässt das Heer der in goldglänzende Wärmefolie gehüllten Läufer im Zielbereich keinen Zweifel. Der Slogan für den 36. Marathon in Spaniens drittgrößter Stadt spielt darauf an, dass man in diesem Jahr erstmals die Bedingungen zum Erhalt des IAAF-Gold-Labels erfüllt. Rund 16.000 Finisher zählt der „Maratón de Valencia Trinidad Alfonso EDP“, parallel gibt es einen 10-km-Lauf, der zur gleichen Zeit startet und den mittleren und letzten Teil der Hauptstrecke mitbenutzt.

Nach dem schönen Bericht von M4Y-Reporter Andreas Greppmeir aus dem letzten Jahr war mir klar, dass ich der ostspanischen Metropole zwischen Costa Blanca und Costa del Azahar auch einmal einen Besuch abstatten muss - zumal Judith und ich jetzt auch schon ein ganzes Bündel Marathons auf der iberischen Halbinsel absolviert haben. Eine günstige Reisemöglichkeit ergibt sich durch die Airline Transavia, die dieses Jahr ihren Betrieb aus München aufgenommen hat und einen sehr günstigen Flug nach Valencia anbietet. Und so sind wir schon freitags unterwegs zum ersten Lauf des Winters. Aus dem Infoheftchen im Flugzeug erfahre ich, dass eine Stewardess im Schnitt 141 Flüge im Jahr betreut und dabei 2121 Mal den Mittelgang abläuft, was immerhin 63 km ergibt. Reisen bildet.

2,5 Stunden trennen uns von strahlendem Sonnenschein und Temperaturen um 25 Grad. Schon am Flughafen empfängt uns ein Stand des Valencia Marathons. Viele Läufer kommen aus dem Ausland: 1.700 Italiener, 600 Franzosen, 583 Briten, 575 Belgier und 535 Niederländer. Das deutsche Kontingent nimmt sich mit 225 Teilnehmern eher bescheiden aus, die Schweiz ist mit133, Österreich mit 26 Läufern vertreten. Dazu kommt der 10k mit 7.800 Startern in ähnlicher internationaler Zusammensetzung. Wir erhalten ein dickes Hochglanz-Marathonjournal, die wichtigsten Infos für die nächsten Tage und einen Plan der Laufstrecke samt Ankündigung kostenloser Shuttles. Bis um 16 Uhr ist am Sonntag für Läufer wie Zuschauer die Nutzung der städtischen Busse gratis. Das verdient schon mal eine Goldmedaille.

 

 

Mit der neuen Metro geht es günstig in 20 Minuten zum Nordbahnhof, der sich paradoxerweise im Süden der Altstadt befindet. Dann zu Fuß weiter ins Hostal an der Kathedrale. Da merkt man doch, dass die Stadt nicht klein ist. Immerhin zählt sie fast 800 000 Einwohner. Mich beeindruckt wieder einmal, wie man innerhalb kurzer Zeit in einer ganz anderen Kultur ankommen kann. Und es ist auch noch länger hell als zu Hause, weil Spanien zwar viel westlicher liegt, aber dennoch der mitteleuropäischen Zeitzone angehört.

Wir beschließen, noch abends unsere Startunterlagen abzuholen. Eine gute Idee, wie wir angesichts der endlosen Schlangen am nächsten Tag feststellen werden. Vier Kilometer durch den Fluss Turia oder besser den Park, der nach der Verlegung des Flusslaufs in Folge des verheerenden Hochwassers von 1957 entstanden ist. Nach dem Bau der Umleitungsstrecke war hier eigentlich eine Stadtautobahn geplant. Man entschied sich dann doch für einen fünf Kilometer langen Grüngürtel, dessen Realisierung 1981 begonnen wurde. Hier gibt es auch eine markierte und beleuchtete 5 km lange Laufstrecke, auf der sich viele Sportler austoben. Da so viel los ist, vergesse ich schnell meine Bedenken, einen Park bei Dunkelheit zu betreten.

In der Ferne tauchen die Umrisse der Ciudad de las Artes y de las Ciencias auf (katalanisch: Ciutat de les Arts i de les Ciències, deutsch: Stadt der Künste und der Wissenschaften), monumentale, postmoderne Glas- und Betonpaläste, die der in Valencia geborene Star-Architekt Santiago Calatrava von 1991 bis 2006 geschaffen hat. Dazwischen viel Wasser in blauen Becken. Links und rechts davon Wohnhochhäuser, fast wie die Skyline von Singapur. Alles ist gut ausgeschildert. Wir müssen ins naturwissenschaftliche Museum „Museo de las Ciencias Príncipe Felipe“, wo uns ein Foucaultsches Pendel empfängt. Da fällt mir ein, dass ich auch mal wieder in Deutsche Museum gehen sollte, wo ein ebensolches zu sehen ist. Wenigstens ist es nun wieder sicher, dass sich die Erde noch dreht.

Ein bisschen fühle ich mich an italienische Bürokratie erinnert, als ich beim leeren Stand neben unserem Startnummernbereich vorstellig werde. Ich möge mich doch bitte in die Schlange nebenan einreihen. Also dann nach links. Kontrolliert wird der Personalausweis sehr genau. Nur mit passender Ausweisnummer erhält man die Startunterlagen.

Ein Stockwerk tiefer gibt es eine prall gefüllte Tüte mit schönem blauem Laufhemd und vielen weiteren Zugaben: Energieriegel, Kaugummi, Waschmittel, Duschgel mit Olivenöl, Anti-Blasen-Stick für die Füße, Stirnband, Chips, eine Dose Radler-Getränk und und und... Die kleinen Zahnpastatuben kann ich gut auf Reisen verwenden.

Die Marathonmesse versorgt uns u.a. mit Infos über Laufveranstaltungen in Spanien und Düsseldorf. Nicht nur die gängige Sportkleidung und -ernährung gibt es hier zu kaufen, sondern auch speziellen Sportschmuck, abgestimmt auf unterschiedliche Disziplinen. Vor dem Gebäude spielt eine Rock-Band.

Samstag steht Sightseeing auf dem Programm. Unter anderem besteigen wir „El Micalet“, den gotischen Turm der Kathedrale und das Wahrzeichen Valencias, und besuchen die zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärte „Lonja de la Seda“, in früheren Jahrhunderten Drehscheibe des Seidenhandels. Im Museo de Bellas Artes, das eine der bedeutendsten Gemäldesammlungen Spaniens beherbergt, ist der Eintritt frei. Mittags geht es noch mal auf die Marathonmesse zur Paella-Party. Für den Gutschein aus der Startertüte erhält man eine valencianische Huhn-Paella samt Obst und Amstel-Radler. Begleiter können das Paket für 5 Euro erwerben.

Dann fahren wir ans nahe Meer. Ein riesiger Sandstrand liegt vor uns. Einige wenige Wagemutige springen in das 19 Grad warme Wasser. Ich nehme mir das für den Sonntagnachmittag vor. In den unzähligen Restaurants am Paseo Maritimo tafeln die spanischen Familien und viele Marathonreisegruppen. Auf jeden Fall zu empfehlen. Wir gönnen uns die ortstypische Erdmandelmilch „Horchata“ („Orxata“), die traditionell mit „Fartons“, einem länglichen Hefegebäck, angeboten wird. Per Trambahn geht es zurück in die Altstadt, wo wir im Lokal La Strada italienische Pasta genießen – wie dies auch größere Läufergruppen aus unterschiedlichen Ländern tun. Zurück im Hotel bescheinigt uns meine Garmin Vivoactive Laufuhr samt Fitnesstracker, 20 Kilometer und 100 Höhenmeter zu Fuß zurückgelegt zu haben.

Ich liebe diese Reisen: Valencia ist eine Stadt mit wunderschönen Häusern, schön renovierten Sehenswürdigkeiten und tollen Parkanlagen. Überall gibt es einladende Lokale. Kleiner Tipp: das Viertel Eixample/Ensanche, eine rasterförmige Stadterweiterung aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert mit vielen attraktiven Altbauten und schicken Geschäften. Die ehemalige Markthalle Mercado de Colón ist heute ein Einkaufstempel mit diversen Restaurants und Cafés - und sonntäglicher Live-Musik, wie wir feststellen konnten. Da braucht Valencia sich nicht hinter Barcelona zu verstecken.

 

 

 

Der Marathontag

 

Wie schon oft geschrieben, hat der Spanier einen nach hinten verschobenen Tagesablauf: Die meisten Restaurants öffnen spät und freitags und samstags wird lange gefeiert. Das müssen wir in unserem Hostal einmal mehr leidvoll erfahren. In einem Gässchen ohne Autoverkehr wird unter unserem Fenster bis um 4:00 Uhr früh laut palavert. Um 5:00 Uhr hält der Nachtportier auf der Straße einen ausführlichen Schwatz mit einem Gast, kurz danach klingelt unser Wecker. Schön, dann müssen wir halt unausgeschlafen zum Start.

An der Bushaltestelle wartet schon ein Grüppchen Läufer auf den angekündigten Shuttleservice. Fährt der woanders oder sind wir gar zu spät dran? Nach 15 Minuten rauscht ein fast leerer Bus mit einigen Sportlern vorbei. 10 Minuten später dann zwei volle Busse. Judith macht sich nach 30 Minuten Warten zu Fuß auf den Weg – und erwischt ganz nebenbei einen Wagen der Linie 1.

Anscheinend sagt ein IAAF Gold Label noch nichts über die Qualität des Marathons für Läufer jenseits der Elite aus. Es fordert unter anderem:

die Teilnahme von fünf Sportlern aus fünf Nationen, die unter 2:10 h laufen können,
Frauen unter 2:28 h

große Anzeigentafeln mit Übertragung des Laufs für Zuschauer

eine autoverkehrsfreie Laufstrecke

eine Fernseh-Liveübertragung in mindestens fünf Länder

Pacemaker

Verpflegung während des Laufs

viele Doping-Kontrollen

internationale Beobachter

ausreichende medizinische Versorgung

 

Ebenso wie der Valencia Halbmarathon hat der Valencia Marathon seit diesem Jahr das Gold Label.

Für mich als Läufer mit einer Zielzeit von mehr als 2:10 Stunden wäre ein reibungsloser Transfer durchaus Gold wert. Wegen der spärlichen Busfrequenz bin ich so sauer, dass ich kurz darüber nachdenke, nicht zu starten. Aber damit treffe ich eigentlich nur mich selbst. Ich trotte also eine Stunde vor dem Start los. Busse kommen jetzt gar keine mehr vorbei. Auch die stimmungsvolle Morgendämmerung kann mich nicht erfreuen. 45 Minuten Fußmarsch. Im Startbereich dann keine Schwierigkeiten, alles ist sehr gut ausgeschildert. Man kann mit 20.000 Teilnehmern umgehen. Keine Wartezeit bei der Taschenabgabe. Noch 15 Minuten.

 

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