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Laufberichte

Spartathlon, der antike Botenlauf

30.09.11

Sechsmal die Marathondistanz

 

Akropolis Athen, Freitag, 30.September 2011, 7:00 Uhr. Es ist noch dunkel, ein schöner Septembermorgen kündigt sich an, noch etwas frisch für kurze Hosen und leichtes T-Shirt. Die Melodie Akropolis Adieu geht mir im Kopf herum.

Denke an die Antike, die Geschichte der Griechen, auch an die Schlacht von Marathon (490 c. Chr.). Den Botenläufer Thersippos, der nach gewonnener Schlacht bei  Überbringung der freudigen Siegesbotschaft in Athen tot zusammengebrochen sein soll. Zu seinen Ehren gibt es heutzutage den Marathonlauf. Nun stehe ich hier, mit gut 350 angemeldeten Läuferinnen und Läufern aus allen Herren Ländern. Nicht wegen dem Lauf von Marathon – oder doch? In der auswegslosen Situation brauchten die Athener - so die Legende - dringend Hilfe im Kampf gegen die anrückenden Perser. Der Botenläufer Pheidippides soll die ersehnte Unterstützung bei den Spartanern erbitten. Der Überlieferung folgend durfte er seinerzeit nur bei Vollmond und bei Tag laufen. Für die 246 km lange Strecke von Athen nach Sparta also weniger als 36 Stunden. Nun wollen wir dem historischen Botenläufer nacheifern. Morgen, bis Sonnenuntergang müssen wir Sparta erreichen.

Athen im Jahre 2011 ist eine laute pulsierende Metropole mit reichlich Straßenverkehr. Stinkend, hupend, laut, eben südländisch impulsiv. Mit dem Startschuss punkt 7:00 Uhr geht es rein in genau dieses Verkehrsmonster. Die Organisatoren sehen das gelassen, sie sperren einfach mitten im morgendlichen Berufsverkehr die Straßen für unseren Läufertross. Nach der Innenstadt geht es auf dem Standstreifen der Stadtautobahn raus aus dem Getöse. Pheidippides hatte es vor 2.500 Jahren bei seinem Botenlauf sicherlich beschaulicher.

Ein für Ultras hohes Anfangstempo müssen wir vorlegen, denn die Zeitlimits sind recht anspruchsvoll bemessen. Ein Großteil der Teilnehmer wird später daran scheitern. Na ja was heißt anspruchsvoll? Marathon in etwa 4 Stunden, das schafft doch jeder einigermaßen trainierte Läufer. Beim Abschlusstraining vor zwei Wochen am Ulmer Einstein- Marathon kam eine gute halbe Stunde weniger heraus, und das obwohl ich von zu Hause los gelaufen bin und danach noch eine ordentliche Anschlussrunde mit zusammen gut 68 km gedreht habe.

Aber wenn man sechs Marathons am Stück laufen will, muss man mit seinen Möglichkeiten haushalten. Nach dem ersten Marathon wird einem die ganze Dimension des Laufes erst richtig bewusst. Noch über 5 Marathons oder noch 2mal ein gepflegter Hunderter liegen noch vor einem. Die Laufbedingungen sind in diesem Jahr für griechische Verhältnisse optimal. „Nur“ 27 grad in der Nachmittagssonne, kein Regen und eine angenehme Luft.

Der erste große Meilenstein ist die Überquerung der Straße von Korinth. Die Sonne brennt gnadenlos. Kaum Schatten in der dürren griechischen Landschaft. Schütte Unmengen Wasser in mich rein oder über mich hinweg. Dennoch, viel zu früh wird es dunkel. Ich habe zu optimistisch geplant und meine Lampe deutlich zu spät deponieren lassen. Habe nicht damit gerechnet, dass das ständige Auf und Ab entlang der Küste so viel Tempo kostet. Laufe also lange Zeit ohne Lampe in Dunkelheit der Landstraße entlang. Eine wunderschöne Nacht, beleuchtete Felsen, höre laute Grillen am Straßenrand, treffe immer wieder auf andere Läufer.

Ich laufe gerne bei Nacht, alle Alltagssorgen bleiben verborgen. Am Horizont eine gelbe Lichterkette von der hell beleuchteten Autobahn. Dann Serpentinen mit einem unendlich lang anmutenden Anstieg. Bergauf bin ich längst zum Wandersmann degradiert. An einem der 75 Versorgungsposten geht es links ab. Jetzt kommt es knüppelhart, ein steiler Geröllweg. Der Schlussanstieg zum Sangas-Pass in etwa 1100 m Höhe zieht die letzten Kräfte aus dem geschundenen Körper. Unterwegs Läufer auf Steinen sitzend, ist ihnen wohl zuviel. Ein paar geben auf und gehen zurück zum Verpflegungsposten. Dort wartet schon der Besenwagen. Mehrmals muss ich die Hände zu Hilfe nehmen, um nicht nach hinten abzurutschen. Habe heute Nacht wohl einen wachsamen Schutzengel, alles geht noch einmal gut.

Endlich oben, ein eisig kalter Wind weht mir um die Ohren. Was für ein Kontrastprogramm zur Nachmittagshitze. Verlasse daher schnell den ungastlichen Ort. 168 km liegen hinter mir, nur noch zwei Marathondistanzen bis Sparta.

Wer hier durch ist, hat gute Chancen das Ziel zu erreichen, sagen erfahrene Teilnehmer. Das macht mir Mut. Es geht mir nach dem langen Anstieg wieder besser. Leichter wird es erst einmal nicht, denn nach dem steinigen Abstieg geht es ständig rauf und runter, mitunter mit mehreren hundert Höhenmetern. Der Randstreifen entlang der Straße ist stark nach außen geneigt. Das bereitet mir immer mehr Probleme am linken Knie. Stechende Schmerzen stellen sich ein und immer noch ein ganzer Marathon bis Sparta.

Zur Motivation habe ich nach jeder Marathondistanz ein „Belohnungsbier“ deponieren lassen. Habe also immer ein überschaubares, will sagen erreichbares, Zwischenziel vor Augen. Das Bier bei km 200 lasse ich stehen. Ich will einfach nur noch „heim“ ins Ziel.

Die letzten 10 km dann versöhnlicher. Nicht nur wegen dem abfallenden Gelände, sondern vor allem wegen dem Respekt, den einem die hupenden Autofahrer und die Menschen am Straßenrand entgegenbringen. Etwas vor dem Ziel warte ich auf Jürgen. Wir sind nun fast die ganze Distanz gemeinsam gelaufen. Er läuft etwas flotter, verpflegt dafür  aber deutlich länger als ich, so dass er immer wieder mal vor oder hinter mir ist. Wir wollen gemeinsam einlaufen.

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Finale ist an der Leonidas Statue in Sparta, die Zeit stoppt mit dem Berühren der Füße. Bin überglücklich, bekomme einen Lorbeerkranz auf den Kopf. Eingerahmt von ein paar netten Nixen noch ein paar Erinnerungsfotos. Die Schuhe werden mir ausgezogen und ich lasse die kultvolle Fußwaschung über mich ergehen. Ein schönes Gefühl.

Die angebotene medizinische Versorgung brauche ich nicht, es geht mir verhältnismäßig gut, keine Blasen oder sonstige Beschwerden. Überglücklich genieße ich mit knapp 150 weiteren Finalisten die Siegesfeier auf dem Marktplatz.

Am nächsten Tag werden wir mit dem Bus zurück nach Athen gebracht. Meist auf der Laufstrecke. Über 3,5 Stunden Fahrzeit. Zum Abschluss gibt es noch ein festliches Bankett in Athen mit der offiziellen Siegerehrung.

 


 
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