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Laufberichte

Prima Maratona dell'Isola d'Elba

08.05.16 Special Event
 

Reif für die Insel
 

Die Insel Elba, den Verbannungsort Napoleons, stellte ich mir im Geschichtsunterricht düster vor. Jahre später reisten wir mit unserer jungen Familie zum herbstlichen Strand- und Wanderurlaub dorthin und verliebten uns auf den ersten Blick in das zu 53% naturgeschützte Eiland. Etwa zwei Dutzend Mal verbrachten wir seither Herbstferien oder über Auffahrt erste Frühsommertage auf Elba, hunderte schöne Trainingskilometer kamen dabei zusammen. Der Legende nach soll Aphrodite ihre Kette zwischen Korsika und der Toskana fallen gelassen haben. Aus sieben Perlen entstand der toskanische Archipel mit Elba als größtes Schmuckstück.

Per Zufall entdeckten wir, dass 2016 am Sonntag nach Auffahrt der allererste Elba (Halb)-Marathon stattfinden sollte. Sofort war für meinen Mann Andreas und mich klar, dass wir diesen Marathon unbedingt laufen wollen (trotz mühsamem Anmelde-Prozedere: runard auf finnischem Portal lösen und Gesundheitszertifikat einreichen). Freund Hugo samt Familie waren ebenfalls sofort begeistert. Der Halbmarathon sollte für Vater und Sohn der erste gemeinsame Wettkampf werden.

 

Anreise und Vorbereitungstage

 

Die Menschen der Jungsteinzeit gelangten trockenen Fußes nach Elba. Die Landbrücke verschwand erst vor 13'000 Jahren wegen dem steigenden Meeresspiegel. Heute nimmt man von Piombino aus die Fähre, oder fliegt ab einigen europäischen Flughäfen ein. Wir wählen den Seeweg und liegen bald nach der einstündigen Überfahrt im Süden der Insel am noch fast menschenleeren Strand von Lacona. Erholsame Vorbereitungstage beginnen.

Der erste Morgen strahlt wie aus dem Bilderbuch. Ein lockeres Test-Läufchen führt zum vier Kilometer entfernten Pinienkap und zurück. Im Strandrestaurant „Miramar“ strecken wir darauf bei Kaffee und Croissants gemütlich die Beine aus. Auf der Rundfahrt um den Inselwesten besichtigen wir einen Teil der anspruchsvoll hügeligen Marathon-Strecke und die Kirche von Chiessi, bei der wir den Wendepunkt vermuten. Angesichts der vielen Wander-Wegweiser juckt es in den Füssen. Nach einer köstlichen Stärkung mit (Tinten)-Fisch, Kartoffeln und einem Schlückchen Inselwein erlauben wir uns einen Spaziergang zur Wallfahrtskirche Madonna del Monte beim Bergdorf Marciana Alta und einen Bummel durch die verwinkelten Gassen des benachbarten Poggio.

 

 

Anderntags sind die Beine energiegeladen. Anlässlich einer abenteuerlichen Passfahrt im Nordosten „müssen“ wir eine kilometer-kurze Gipfeltour auf den Monte Strega unternehmen. Felder rosa- und weißblühender Zistrosen säumen den rostroten Schotterweg. Beim höchsten Punkt gibt es 360° Aussicht auf die maximal 18 x 27 Kilometer messende Insel. Schon die Etrusker, Griechen und Römer stritten sich um die roten, an Eisenerz reichen Hügel. Das Holz der Wälder verschwand in den Hochöfen, immergrüne Macchia breitete sich aus. Unsere Energiespeicher füllen wir im Bergdorf Rio nell’Elba. Wir finden in einer Seitengasse ein winziges Restaurant. Eine Karte existiert nicht. Es gibt was es hat - Spaghetti al ragu und Salat. Beides schmeckt ausgezeichnet!

 

Startnummerausgabe

 

Endlich dürfen wir am Samstag Marathon-Luft schnuppern und uns im Zielort ein Bild vom erstmals stattfindenden Lauf machen. Die Startnummern-Ausgabe ist zentral beim Rathaus von Marina di Campo untergebracht. Der Starterbeutel enthält Nummer mit Chip, Sicherheitsnadeln, Schwamm, eine Flasche Wasser, Pasta-Party-Gutschein und einen Infoflyer. Anhand der ausgehängten Startliste zählen wir etwa 250 gemeldete Marathonis und schätzen doppelt so viele Halbmarathon-Läufer. Eine Gruppe Nordic-Walker wird mit ortskundigem Führer ohne Zeitmessung auf einem 11 km langen Naturpfad unterwegs sein.

 

 

Der Zielbogen steht bereits in der Fußgängerzone Via Roma bei der Piazza del Comune vor dem Rathaus. Der rote Teppich ist ausgerollt, und die festliche Beflaggung flattert zwischen den ocker-, gelb- und rosafarbenen Häusern der Altstadt im Wind. Erst ein Messestand steht. Gemütlich bummeln wir durch den beliebtesten, größten und mondänsten Ferienort der Insel, der alles bietet, was das Touristen-Herz begehren kann: einen fast zwei Kilometer langen Sandstrand, verwinkelte Gassen, Restaurants, Bars, Cafés, Gelaterias, teure Boutiquen, Souvenirläden, Lebensmittelgeschäfte, Hotels, Appartements, Campingplätze im Pinienhain und einen Fischerhafen samt pisanischem Turm, der an die Zeit der Piratenüberfälle erinnert. Gegen Mittag suchen wir Schatten. Die Sonne sticht intensiv vom Himmel, Schleierwolken ziehen auf, ein Wetterwechsel ist angekündigt, der Wind bläst feuchte Luft von Süden heran.

 

Weg zum Start

 

Dichtere Wolken verdecken den Himmel und das Autothermometer zeigt auf der Fahrt nur 14° an. Kurz nach sieben Uhr kommen wir in Marina di Campo an und können die Autos problemlos auf dem zentralen Parkplatz abstellen. Wie immer, wenn Regen erwartet wird, vernebeln stinkende Rauchschwaden von Mottfeuern die landwirtschaftlich genutzte Ebene. Doch der Förster fährt schon los um Ordnung zu schaffen.

Gleich neben dem Parkplatz starten Schulbusse, welche die Läuferschar zum sechs Kilometer entfernten Start nach Procchio bringen. Der Ort liegt im Norden an der schmalsten Stelle der Insel. Direkt hinter dem Strand gibt es auf der Via del Mare Platz für die Startaufstellung. Laute Musik dröhnt aus großen Boxen, es wird getanzt, gelacht, pausenlos geplappert, fast ausnahmslos Italienisch. Nur sechs Ausländer werden in der Marathon-Rangliste erscheinen (19 sind beim Halbmarathon dabei). Eine Drohne filmt die bunte Sportlertruppe, welche begeistert in die Kamera winkt. Die erwartungsvolle Stimmung wird auch nicht durch die Durchsage getrübt, dass der Start um eine Viertelstunde verschoben werde. Die Kapazität der Busse reicht nicht aus, alle Läufer rechtzeitig an die Startlinie zu bringen.

 

Vom Start quer über die Insel

 

„Cinque, quattro, tre, due, uno, vai“ - eine Trillerpfeife schickt uns um 9:01 Uhr auf die Strecke. Zäh fließt das Feld südwärts eine enge gepflasterte Gasse hinan und auf die breitere Hauptstraße hinaus. Eile ist nicht angesagt, während wir den Touristenort ohne historische Vergangenheit, der um einen Verkehrsknotenpunkt entstanden ist, verlassen. Der erste Kilometer hält 50 Höhenmeter bereit, der Kurs zeigt gleich sein wahres Gesicht! Auf dem "Pass" Colle di Procchio feiern uns Anwohner nach 1.2 km mit viel Applaus und begeisterten Zurufen. Während der bunt gemischte Strom der Marathon- und Halbmarathonläufer den Hügel hinab fließt und sich in die Ebene von La Pila ergießt, wird immer noch munter gelacht und geplaudert.

 

 

Nach 3 km versteckt sich Elbas kleiner Verkehrs-Flughafen hinter hohem Schilf. In der Ebene angekommen, muss eine vernünftige Geschwindigkeit her, haarscharf weniger als vier Stunden möchten wir bis zum Ziel benötigen, 5:40-Min./km sind im Schnitt gefragt. Die Füße tragen uns etwas schneller entlang der meist verdeckten Piste zu km 4. Der Puls bleibt ruhig. Doch was kommt später noch? Wie sehr werden uns die Hügel der Panoramastraße an der felsigen Südwestküste fordern? Der Respekt vor der Strecke mahnt zur Vorsicht!

Helfer mit Leuchtwesten leiten uns sicher über die Hauptstraße und feuern uns an. Unter mächtigen Pinien und Palmen geht es dem Meer entgegen, die Hotels verschwinden hinter der Vegetation oder hohen Mauern. Nach 5.5 km sind wir am Meer und können fast einen Kilometer lang mit fantastischer Aussicht auf den alten Hafen dem goldgelben Strand von Marina di Campo entlang laufen. Kurz nach dem 6. km Schild biegen wir nach rechts in die gepflasterten Altstadtgassen mit den pastellbunten Häusern ein. Ein schneller Blick nach rechts erhascht die lange Zielgerade mit dem roten Teppich. Bis zum großen Moment müssen wir uns noch 35 km lang gedulden!

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