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Laufberichte

Nürburgring-Lauf: Mit Lust durch die „Grüne Hölle“

20.08.11

Historische Fotos: Gustav Schröder (rheinruhr-foto.de)

Nürburgring – wie viel Phantasie und wie viel Zauber liegt in diesem Wort. Und wie wundersam ist die Geschichte des kleinen Jungen, der Wolfgang hieß.

Bei wem diese beiden leicht verfremdeten Sätze verständnisloses Kopfschütteln auslösen, dem sei gesagt: Sie leiten einen der berühmtesten und den letzten von Walt Disney noch selbst produzierten Zeichentrickfilme der Disney-Studios über Rudyard Kiplings „Das Dschungelbuch“ ein. Natürlich liegt der Zauber im Dschungel und der kleine Junge heißt Mogli, aber, wenn ich mich so umschaue, bin auch ich heute in der tiefen Eifel von grünem Dschungel umgeben und Mogli wurde von einer WOLFsfamilie großgezogen. Paßt also.

Und in der Tat ist die Rennstrecke, die wir heute unter unsere Laufschuhe nehmen werden, von Mythen umrankt wie kaum eine zweite. Die ersten Ideen zum Bau stammten aus dem Jahre des Heils 1904, weil man erkannt hatte, daß es vielleicht eher suboptimal ist, Autorennen auf öffentlichen Straßen auszutragen. Selbst Kaiser Willi II persönlich, der immer für spektakuläre Dinge zu haben war, engagierte sich und schnell kam man auf die Eifel als geeignetes Gelände, da sie über eine niedrige Besiedlung, Hochflächen und Täler sowie einige große ebene Flächen verfügt. Die extremen Steigungen und Gefälle waren ideale Voraussetzungen für eine Rennstrecke mit großen Höhenunterschieden.

 

Baugeschichte des Nürburgrings

 

Nach dem Abflauen des Renninteresses nach 1907 und dem ersten Weltkrieg wurde die Idee wieder aus der Versenkung geholt und die strukturschwache und nur gering industrialisierte Eifel rückte erneut ins Rampenlicht. Unter Federführung des ADAC bauten bis zu 2.500 Arbeiter die nach der ruinösen Nürburg benannte Strecke, die wie einige Ortschaften innerhalb der Nordschleife liegt. Nord- und Südschleife sowie die Start- und Zielgerade sollten zusammen 32,7 km lang werden. Schon damals schaffte man es, die ursprünglich veranschlagten Baukosten letztlich um über 60 % zu übertreffen.

1925 begann der Bau der langen „Gebirgs-, Renn- und Prüfungsstrecke“, die am 18. Juni 1927 eingeweiht wurde. In den folgenden Jahren wurde die Südschleife nur selten genutzt, so daß die Rennen überwiegend auf der Nordschleife ausgetragen wurden. Da die Rennautos immer schneller wurden, war die Strecke trotz einiger Umbaumaßnahmen letztlich der Technik nicht mehr gewachsen. Schon etliche Fahrer waren tödlich verunglückt und beim definitiv letzten Rennen 1976 erlitt Niki Lauda seinen schweren Brandunfall.

Nicht ganz zufällig sang Reinhard Fendrich in seinem berühmten Lied „Es lebe der Sport“:

Explodieren die Boliden,
ist das Publikum zufrieden.
Ja ein flammendes Inferno
schaut man immer wieder gern o.

1984 wurde die neue, wesentlich kürzere (5,1 km) Grand Prix-Strecke eröffnet, die, noch einige Male verbessert, heute Schauplatz für uns motorlose Helden sein wird. Nordschleife plus leicht verkürzte Grand Prix-Strecke, insgesamt 24,4 km mit rund 500 Höhenmetern gilt es für uns heute zu bewältigen.

 

Nürburgringlauf – die Idee

 

1978 war läuferisch so manches anders als heute. Es gab z.B. noch keinen der beliebten Städte-Marathons in Deutschland, die aktuell teils zehntausende Läufer anziehen. Der größte Marathon seinerzeit, ich habe es im Bericht zur Hornisgrinde letztens erst erwähnt, war der Schwarzwald-Marathon in Bräunlingen mit 2.000 Teilnehmern. Die meisten Volksläufe mit bis zu 2.000 Startern fanden in versteckten Waldgebieten unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Manfred Steffny hatte 1977 die kühne Idee, den seinerzeit wirtschaftlich schwächelnden Nürburgring zu Laufzwecken zu mieten. 22,8 km sollten dabei zu überwinden sein. Unterstützt wurde er dabei vom unvergessenen Dr. Ernst van Aaken (beide zeichneten für die ersten fünf Austragungen verantwortlich) und maßgeblich durch die damalige LG Andernach-Neuwied (heute LG Rhein-Wied) unter Leitung des auch heute noch rührigen Johannes Kessler. Würde dieser Plan aufgehen?

Ein Jahr später, zum Renntermin, einem goldenen Oktobertag, wurde die Organisation von 1.200 Nachmeldern (!) geradezu überflutet. Insgesamt 5.300 Läufer und Wanderer brachten der Zeitnahme, noch ohne EDV (!), beträchtliche Zielstaus im mittleren Leistungssegment. Aber was sollte es – der Durchbruch war gelungen! Radio und Fernsehen berichteten ausführlich, Sponsoren interessierten sich und die Läufer kamen wieder.

Nach fünf Austragungen zog sich Manfred Steffny zurück und der Leichathletikverband Rheinland unter Geschäftsführer Gerhard Paech (die letzten beiden Male unter seinem Nachfolger Achim Bersch) sowie der Sportbund Rheinland übernahmen 1983 die Verantwortung. 2001 war dann aber erst einmal Schluss mit lustig: Aufgrund von Schwierigkeiten mit der Terminfindung, den Sponsoren, dem Finanzamt und nicht zuletzt der damaligen Geschäftsführung des Nürburgrings, die wesentlich in die derzeitigen höchst fragwürdigen Fehlplanungen involviert war, musste der Lauf abgesagt werden und ruhte für die nächsten drei Jahre.

2004 streckte mit der Eventwerkstatt und Hanns-Martin Fraas ein Profi den Kopf aus der Deckung und reanimierte den Lauf. So konnte auch der heldenhafte Autor in den Jahren 2005 und 2006 seine Visitenkarte am Ring abgeben. Und schaut heute nochmals nach dem rechten.

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