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Laufberichte

MARATÓN CIUDAD DE SEVILLA 2011

13.02.11

07:00h  Frühstück mit Evi. Ein paar andere Marathonläufer bedienen sich auch am Buffet, es sind Italiener. Nach dem Frühstück umziehen. Um 08:00h gehe ich zum Taxi, gleich gegenüber vom Hotel ist ein Standplatz. Es hat 7°C, die Sonne wird bald aufgehen. Der Taxler fährt über die Autobahn, so kommen wir an der 5km-Labestelle vorbei. Nach wenigen Minuten sind wir beim Estadio Olímpico de Sevilla.

In den Katakomben des Stadions sind noch nicht viele Leute. Rettungswagen, Feuerwehrautos und sonstige Fahrzeuge stehen rum. Musik aus Lautsprechern, es ist sehr laut, die Akustik in dieser Betonröhre ist furchtbar. Es kommt mir kälter vor als es draußen ist, es zieht auch. Meine langen Sachen will ich noch nicht ausziehen. Nach und nach treffen ganze Laufvereine auf einmal ein, mehrere dieser Horden kennen sich untereinander. Ich betätige mich als Fotograf, das wird gerne angenommen. Fast nur Spanier. Schließlich wird um 09:30h die spanische Marathonmeisterschaft (CAMPEONATO DE ESPAÑA DE MARATÓN) gestartet werden, der Gran Premio de Andalucía.

Im Garderobenbereich ist geheizt. Hier ziehen sich viele LäuferInnen um, reiben sich mit kräftig riechenden Essenzen ein, versehen sich an den neuralgischen Stellen mit Tapes. Das mache ich alles nicht. Ob das ein Fehler ist? Zwei Engländer aus West Yorkshire tragen Hosen die aussehen wie der Union Jack.

09:00h noch eine halbe Stunde bis zum Start. Ich stopfe meine Überbekleidung in den großzügig bemessen Kleidersack und gebe ihn ab. Als Quittung bekomme ich den Stempel „GUARDARROPA“ auf meine Startnummer 957. Ein paar Schluckerl trinken, wieder zur Toilette. Die Leute verteilen sich gut. Es ist nicht unangenehm eng. Da ich mit dem Unter-4h-Ballon starten will, habe ich es nicht eilig zur Startaufstellung. Die meisten Teilnehmer sehen aus, als würden sie spätestens nach 3h15 im Ziel sein.

09:15h Raus in das Stadionoval, es ist riesig, die Ränge sind leer. Auf den Rasen darf niemand. Irgendwo sind Vorturner, die die Teilnehmer zu Aerobic animieren. Ich treffe Sandra aus Jena vom Vortag. Sie studiert in Madrid und will heute erstmals unter 5h laufen. Vom Deutsch wird Manuel, ein 30jähriger Vorarlberger, angezogen. Er ist bisher den 3-Länder-Marathon am Bodensee gelaufen. Heute will er unter 4h kommen. Wir wünschen uns gegenseitig gutes Gelingen. Ich werfe meinen Pullover weg, ich werde kurz-kurz laufen.

09:30h START. Der  XXVII MARATÓN CIUDAD DE SEVILLA 2011 hat begonnen. Ich stehe in der Gruppe beim 4h-Schrittmacher, die Finger sind kalt. Da sehe ich, dass der Unter-4:30-Ballon VOR uns ist! Na super. Nach knapp drei Minuten bin ich an der Startlinie.

Hinter mir ist . . . keiner mehr. So bin ich einer der Allerletzten im 4.600-Läufer Starterfeld (so viele sind angemeldet), der über die Zeitmatte läuft. Gut 100m, dann durch das Südtor raus aus dem Stadion. Denkste! Wir stehen. In den Katakomben ist es ohrenbetäubend laut. Alle brüllen, macht man scheinbar so beim Start in Sevilla. So es geht weiter bergauf. Wieder Stillstand. Noch immer ist es furchtbar laut. Es geht weiter bergauf raus ins Freie, Wie viel Zeit haben wir da hinten verloren? Eine Minute vielleicht? Es ist noch sonnig. Laut Wetterbericht hätte es regnen sollen.

Etwa 200m vor mir sehe ich die beiden Ballonpaare 4h und 4:30 nebeneinander tanzen.
Zum Überholen ist es hier zu eng. Rauf auf den Gehsteig, Achtung, sehr hoher Randstein! Recht locker nähere ich mich den Ballons. Jetzt wird es enger, wir laufen die Autobahnabfahrt rauf. Da kommt uns in dem Gewusel einer entgegen! Ja spinnt der? Er hat seine Flasche verloren. Ich sehe links das pinkfarbene Shirt von Sandra. Die wollte ich unterwegs eigentlich nicht sehen.

So, jetzt sind wir auf der Autobahn, wir haben eine 3km-Gerade vor uns. Ich laufe rechts außen vorbei und bremse mich auf Höhe des Unter-4h-Ballons ein. Ging ja recht lässig, ich bin zufrieden. Das Tempo ist moderat.

Auf der anderen Richtungsfahrbahn überholt uns ein Polizeiauto mit Blaulicht. Kurz darauf kommt es zurück. Ein Einsatzfahrzeug im Rückwärtsgang, das war mir neu! Und schon kommt uns ein Rudel schwarzer Gazellen entgegen. Nach einer Lücke ein Rudel weißer Gazellen. Am Ende der Geraden runter von der Autobahn, zwei mal links und auf der Gegenfahrbahn zurück Richtung Stadion. Dabei sehe ich, dass ich schon einige Hundert Leute überholt habe. Vor mir zwei Engländerinnen, sechs Läufer aus Catalunya mit quietsch-gelben Shirts, ein alter „HENRI“. Unser 4h-Schrittmacher läuft einem weiblichen Knackarsch in Grün nach. Ein Spanier in weiß (Rafael Carlos) fällt mir auf, so groß wie ich, keine 70kg. Was macht der da hinten?

Wir passieren die 5km-Labestelle. Ich habe ein flaues Gefühl im Magen. Das akzeptiere ich nicht so früh im Rennen! Ich nehme nichts von der Labestelle, sondern einen Schluck aus meiner 0,75l Römerquelle-Flasche, so wird sie leichter. Es kleben ja auch noch zwei Power-Gel-Beutel dran.  Bei km5 haben wir 3min Vorsprung, d.h. wenn wir die 5:40/km weiterlaufen, sind wir in 3:57 im Ziel.

So, runter von der Autobahn, am Stadion vorbei durch recht unattraktives Industriegebiet. Schön flach ist es. Ich laufe seitlich versetzt knapp vor dem 4h-Schrittmacher. Wir steuern auf die 10km zu. Evi wird mich da erwarten, beim Unter-4h-Ballon. Hoppla, der ist zurück gefallen. Ich nehme etwas das Tempo raus.

Rafael Carlos schließt auf. "Bist du Deutscher?"  fragt er.
" Mein Shirt ist aus Deutschland, ich aus Österreich". 
"Aber du sprichst deutsch oder?"  
"Ja klar."

Wir wünschen uns alles Gute. Ich sehe Evi auf der Brücke (Puente de la Barqueta), sie mich auch. Ich laufe auf sie zu, Evi knipst, es geht mir gut.

Bei km10 haben wir die gleichen 3min Vorsprung wie vorhin. Der Schrittmacher wird mir immer sympathischer. Wir werden angefeuert. VENGA und ANIMO, aber auch CAMPEONE!
Es geht zum ersten Mal über den Guadalquivir, wir laufen nun stadtauswärts. Biegen zwei Mal rechts ab und sind nach etwa 16km an der Altstadt. Außen an der Altstadt entlang. Die rechte Spur ist für den Autoverkehr reserviert, dieser kommt kein bisschen voran, dennoch haben - glaube ich - alle den Motor laufen. Unglaublich. Und der Sprit ist auch nicht billiger als bei uns. Hier sind wieder viele Zuschauer. Eine Autobusladung der Catalunyas-Fans, auch in „Uniformen“, feuert ihre Corredores (=Läufer) an. Als mich Evi bei km17 „abschiesst“ ist alles in Ordnung. Ich drücke mir das erste Power-Gel rein und spüle es runter.

Spitzkehre, fast am Bahnhof vorbei und nach einem ½ -Kreis in die Avenida de Kansas City. Jetzt immer gerade aus und wir kämen zum Flughafen. Die Fahrbahnen stadtauswärts gehören uns, die Nebenfahrbahn ist verstaut, ein paar Fahrer in den Autos sind wütend, sie hupen. Einige der Läufer wollen das als Anfeuerung verstehen und rufen GRACIAS. Viele der Läufer haben zu viel Flüssigkeit in sich und sie schlagen sich in die Büsche, die es da kaum gibt. So fehlen plötzlich 4 der „Catalunyas“. Sie kommen nach und nach wieder. Auch die Engländerinnen sind noch da, Henri und Rafael Carlos auch, auch der grüne Knackarsch.

Nach etwa 3km geradeaus und zwei Rechtskurven der Halbmarathon. Zwischenzeit um 11:30h passt genau. Einen Hauch unter 2h für die erste Hälfte. Bisher habe ich mich geschont, ich könnte eigentlich munter drauflos laufen, und tue das auch. Die erste Sicherheitsnadel reisst aus.

11:41h meine Oberschenkel melden sich, gleichzeitig. Erst km23. Unangenehm. Auf der breiten Avenida galoppiert ausgelassen ein hellbraunes Pony. Es quert unsere Strecke und läuft nun rechts von uns unter den Bäumen auf und davon. Das Tier dürfte Freude haben. Ich nicht. Ich gehe ein paar Schritte und erhole mich recht schnell. Als die 5 Catalunyas mich überholen – da fehlt einer – laufe ich mit denen mit. Der 4h-Schrittmacher ist auch da! Und läuft mir davon. Sch . . . ade. Nach 27km plötzlich buckliges Straßenpflaster. Das kann ich aber
ganz und gar nicht gebrauchen. Es tut richtig weh in den Oberschenkeln! Und in Linz müssen wir heuer zweimal die Landstraße entlang! Keine gute Idee, Ewald! Aber das habe ich ihm in Berlin eh schon gesagt.  

Zu meiner Freude ist das Straßenpflaster keine 100m lang. Ich versuche, mich nicht überholen zu lassen und siehe da, ich bin wieder an meinem Schrittmacher dran. Na also, geht doch! Der hat nun gar keinen Ballon mehr, nur mehr ein Schnürl baumelt von der rechten Schulter. Meine zweite obere Sicherheitsnadel reißt aus. Das kenne ich aus Berlin. Bevor ich sie verliere, reiße ich die Startnummer ganz ab und habe sie von nun an in der Hand.

Es wird windig, und bewölkt, es hat 11 Grad, sehe ich. Bei km30 eine Labe. Es gibt wie immer Wasser, geachtelte Orangen und Limo. Der Schrittmacher greift sich eine Flasche und füllt in seine Flasche um, die er hinten im Bund eingeklemmt hat. Laufend! So übersieht er ein Loch um Asphalt und böckelt um. Ich bin einen Schritt hinter ihm. Wenn der gestürzt wäre, ob ich ausweichen hätte können?

Das zweite Power-Gel ist fällig, 4km früher als üblich. Die Römerquelle-Flasche werfe ich weg. Wir laufen nun am Ufer des Guadalquivir stadteinwärts. Nach einem ¾ -Kreis überqueren wir wieder den Fluss. Die Sonne kommt raus, etwas.

12:32h - Wir passieren km32. Manuel aus Vorarlberg spricht mich an. „Wie geht es dir?“ Gar nicht gut, die Oberschenkel! „He, nur mehr 10km, wir haben 3min Vorsprung! Du schaffst das!“ Ich zweifle, aber er hat ja recht. Ich habe Vorsprung. 6min/km ab jetzt reichen schon. Das wäre doch gelacht. Außerdem hat mich in Graz der 4h-Ballon erst bei km36 überholt, und heute bin ich besser, keine Frage! Und ich habe Evi im Ziel und viele Freunde in Linz, die mir die Daumen halten und die mich endlich unter 4h im Ziel haben wollen! Der Stadtteil Triana ist ein Wohnbezirk, nun sind viele Leute am Straßenrand und halten uns für Campeones!
Das rufen Sie mir zu. CAMPEONE! ANIMO!

Manuel ist auf und davon, Rafael Carlos ist weg, nur mehr 2 Catalunyas zu sehen, eine Engländerin ist weg, HENRI ist wieder da. 100m vor mir der Schrittmacher, der zum Glück eine auffallende Schirmkappe trägt. Bei km36 für 2km wieder über den Fluss, flussaufwärts und über die Puente de la Barqueta zurück zum Stadion. Ich brauche was zum Trinken. Etwas mit Zucker, mir wird nämlich schlecht. Das Tempo passt noch, viele gehen jetzt. Leichte Steigung vor Labe 40km. Ich frage das Mädchen „Con azucar?“ Sie sagt Agua! Glaube ich nicht! Gott sei Dank, es ist farblose Limo. Ich nehme drei Becher, bei allen ist gerade zwei Finger breit was drinnen. Als wäre es Whisky!

Ich laufe wieder, das Stadion ist in Sicht und es sieht gut aus. In der Beschreibung habe ich was von Porta Sur und Porta Norte gelesen. Bei Porta Sur sind wir raus. Jetzt direkt zum Nordtor wäre aber zu kurz. 41km. Verdammt, wir müssen noch einmal rund um das Stadion. Das könnte knapp werden. Das Stadion ist rechts von uns. Weiter unten unter der Autobahn
(auf Stelzen) durch und daran entlang. Ich gehe ein paar Schritte und sammle Kräfte. Weniger als 1km nur mehr!

13:25h - Da überholt mich ein Geher!!  Also das geht keinesfalls! Ich überhole ihn und sehe zu meiner Freude, wir laufen durch das Südtor ins Stadion. Uff!

Aufpassen, es geht relativ steil bergab und meine Oberschenkel sind nicht mehr die frischesten. Also langsam. Als ich auf der dämpfenden Laufbahn ankomme, sind meine Beine wie neu. Ich lege einen Sprint hin, überhole Läufer um Läufer. Vor Beginn der 200m-Kurve laufen zwei Italiener umschlungen. Es wird eng, denn nur auf den beiden äußersten Bahnen darf gelaufen werden. Ich laufe innen an Ihnen vorbei und sehe 150m vorm Ziel erstmals auf die Bruttozeit, sie springt um auf 3:59:24. GESCHAFFT, so eine Freude. Endlich! Ich werde auch Brutto unter 4h im Ziel sein. Kein Brutto/Netto-Rechnen, wenn ich im Ziel bin werde ich das Ziel erreicht haben, das ich mir im Sept. 2002 gesetzt hatte. Keine Diskussion!

13:30h Nach 3:59:42 bin ich im Ziel und glücklich! Wir werden in Zielkanäle geleitet, dann zur Chip-Zeitnehmung wird auch noch der Balkencode auf der Startnummer eingelesen. Der Typ vor mir hat seine Startnummer nicht mehr dabei. Das macht Probleme. Schließlich wird das gelöst und ich bin nun ganz im Ziel. Und ganz gerührt. Ich sehe Evi auf den Rängen, mit dem orangen Schal ist sie nicht zu übersehen, sie winkt mir zu und freut sich mit mir. Ich brülle: „Ich hab’s geschafft!“  Netto in 3:57! Ich bin völlig überwältigt und bekomme nasse Augen.

Die Finisher werden in die Katakomben geleitet. Ein Mädchen will mir ein Badetuch umhängen. Erst die verschwitzten Shirts ausziehen! Da lehnt der Schrittmacher, ich bedanke mich mit einem Nicken und Gracias: „De Nada“, sagt er: „Gern geschehen.“

Eine Schülerin stürzt sich auf meinen rechten Schuh und montiert den Chip ab. Eh klar, wieder einfädeln kann ich mir das Schuhband selber!  Ich dehne meine Oberschenkel etwas und kann mein Glücksgefühl kaum fassen. Und bekomme die Erinnerungsmedaille umgehängt.

Da kommt ein älterer Mann auf mich zu, reißt einen Schnipsel aus meiner Startnummer raus und übergibt mir einen Finisher-Bag. Ich hole meinen Kleiderbeutel, dafür wird mir der nächste Schnipsel aus der Startnummer entfernt.  Ich strahle und habe alle Zeit der Welt.
An einem Absperrgitter dehne ich die hintere Oberschenkelmuskulatur als eine Schwarze auf mich zukommt. „Wie geht es dir? Wo kommst du her?“,  will sie wissen, auf Deutsch. Mit meinen hellen Haaren falle ich hier auf, kommt mir vor. „Danke, sehr gut, und selber? Aus Österreich. Woher kommst du?“ „Aus der Dominikanischen Republik, aber ich lebe schon lange in Deutschland.“ Reina lächelt mir noch zu und verschwindet.

Ich ziehe mich um, geduscht wird im Hotel. Ich sehe mich nach Trinkbarem um, finde einen Waggon wo Bier sin alcohol ausgeschenkt wird. Da steht auch Rafael Carlos aus Sevilla. Nein, leider, bei ihm ist es nichts mit unter 4h geworden, er hat 4:05 gebraucht weiß er schon. Jetzt sucht er seinen Bruder.

Ich esse einen Apfel und mache mich auf den Weg raus aus den Katakomben und werde auf die Ränge geleitet, wo ich bald Evi finde.

Manuel N. hat es mit 3:49 ins Ziel geschafft, auch Sandra S. erreichte ihr Ziel, in 4:57! Ganz kurz vor Rennschluss! 

16:00h etwa: Der angekündigte Regen kam auch noch, in Form eines Wolkenbruchs. Aber da waren wir längst im Hotel!

Mehr zum Thema

Im Startgeld von nur 20,- EURO waren inklusive:

Markenlaufshirt von JOMA
Markenlaufhose von JOMA
Markenstirnband von JOMA
Chip-Zeitnehmung (sogar ohne Pfand)
Nudelparty am Vortag UND Nudelparty nach Rennschluss!
Essen und Getränke nach dem Zieleinlauf
Erinnerungsmedaille (Metall mit emailliertem Logo auf Vorder- und Rückseite  )
Schlüsselanhänger mit Logo des Laufes, eine Anstecknadel mit Logo des Laufes,
weißes Badetuch mit aufgedrucktem Logo des Laufes
Finisher-Bag: mit etwas zum Trinken, Kuchen, Schokolade, Apfel
Alle 5km Labestellen mit Wasser, Orangen und Limo, dazwischen ab km10 Wasser.
witzigerweise: Keine Sicherheitsnadeln!

 


 
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