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Laufberichte

Grand Marathon International de Casablanca

26.10.14 Special Event
 

Der Hollywood Filmklassiker "Casablanca" aus dem Jahre 1942 mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann in den Hauptrollen wurde zum Inbegriff eines Mythos, das der größten marokkanischen Stadt bis heute anhaftet. Millionen Menschen in aller Welt verbinden damit Liebe, Romantik und Fernweh. So gesehen könnte man meinen, dass der dortige Marathon eine besondere Anziehungskraft auf ausländische Teilnehmer haben sollte.

Ich selbst bin schon öfters in der mit dem Umland ca. 3,7 Millionen Einwohner zählenden Metropole am Atlantik gewesen. Die meisten Kreuzfahrtschiffe machen dort einen verlängerten Tagesaufenthalt, weil die Liegegebühren im Vergleich zu europäischen Häfen günstig sind. Marokko habe ich als Tourist auch im Landwege bereist, das liegt aber vier Jahrzehnte zurück.

Im Jahre 2011 bin ich die ca. 10 km vom Hafen bis Ain Diab entlang der Corniche vorbei an der Moschee Hassan II gejoggt. An einer Hauswand war ein vergilbtes Plakat affichiert, das auf den Casablanca-Marathon hinwies. Seit damals reifte in mir der Entschluss, dort einmal zu laufen. Drei Jahre danach ist es soweit, ich habe mir 8 Tage Resturlaub genommen und verbinde damit eine Wiederentdeckungsreise, die mich auch in andere marokkanische Städte führen wird.

Was mir am ersten Tag auffällt, ist der Bauboom: neue Hochhäuser sind entstanden, Geschäftszentren, Hotels wurden errichtet, Prunkstück der Stadt ist eine 31 km lange Tramway, mit der man in einer ¾ Stunde z.B. vom Place Mohamed V im Herzen von Casablanca direkt an die Plage Ain Diab fährt. Früher musste man mehrmals in Busse umsteigen, die Fahrt dauerte „ewig“. Auch sind weit mehr lokale rote Taxis unterwegs als vor einigen Jahren, die preislich günstig sind. Die Kehrseite des Wachstums von Casablanca ist der extrem starke Autoverkehr, der zu einer hohen Luftverschmutzung geführt hat. Überall in der City stinkt es nach Abgasen, deren Partikel die Atemwege  schädigen.

Jene, die sich eine Villa in einem der Nobelviertel wie Anfa oder gleich direkt in Strandnähe leisten können,  bekommen die frische Atlantikluft mit einem dauerhaften leichten Westwind zugeführt. Der beißende Gestank der Autoabgase war schon am ersten Tag in meinem zur Senior Suite upgegradeten Quartier im 5. Stock des Hotels Park Suites in der Av. Hassan II zu riechen, ich schloss auch am Tag die Balkontür.

Marokko ist staatspolitisch eine konstitutionelle Monarchie mit König Mohammed VI an der Spitze.  Mit seinem parlamentarischen Zweikammersystem, verfassungsmäßig garantierter Pressefreiheit und einer liberalen Wirtschaftspolitik ist  das seit 1956 unabhängige Land pro-westlich ausgerichtet. Die Franzosen als ehemalige Kolonialherren sind ein wichtiger Handelspartner, viele Bauprojekte wie die noch in Planung befindliche TGV-Strecke von Casablana nach Tanger stehen unter französischer Aufsicht. Die Amerikaner sind in Marokko im Erdölgeschäft und im Bergbau engagiert. Englisch wird auch in den Schulen immer bedeutsamer, obwohl Französisch Amtssprache ist.

Die Landeswährung ist der marokkanische Dirhan (Dh), derzeit bekommt man für einen Euro zwischen 10 und 11 Dh in den Wechselstuben. Ein Einzelticket für die Fahrt mit der Tram kostet für die gesamte Strecke 7 Dh, Kurzstreckenkarten gibt es nicht. Essen kann man ab 30 Dh, eine Coladose kostet 5-6 Dh, die Startgebühr für den Marathon betrug 30 Euro, also rund 310 Dh.

Mir ist schon vor Jahren bei den Kurzbesuchen aufgefallen, dass die Gegensätze zwischen arm und reich größer geworden sind. Für viele Menschen gibt es keine soziale Absicherung, Familien haben daher viele Kinder, die später die Eltern unterstützen sollen. Abseits vom Zentrum der Millionenstadt Casablanca herrscht Armut, tausende leben in slumartigen Behausungen, die wegen Bauspekulationen abgerissen werden. Nicht immer erhalten die Bewohner dann Ersatzunterkünfte.

Daran denke ich auch, als ich bereits am Freitagnachmittag das Startpaket in einem Nebengebäude des Complex sportif abhole. Der Chip ist als dünnes Metallplättchen in die Startnummer integriert. Allen Finishern werden nach dem Zieldurchlauf eine Medaille in unterschiedlicher Ausformung und Größe, je nach Bewerb, und ein Funktionsshirt in Aussicht gestellt. Auf dem Programm stehen neben dem 7. Internationalen Marathon auch ein Halbmarathon und ein Staffellauf.

Bei der Nummernausgabe in einem kleinen Nebenraum spricht mich eine Marokkanerin an. Sie war vor drei Jahren beim Vienna City Marathon dabei und fand den Kurs und die Stadt so schön. Das hört man gerne, vielleicht liest diese Zeilen auch Herr Konrad, der die Veranstaltung seit mehr als einem Jahrzehnt bestens managt.

Den Rest des Freitags und auch den Samstag verbringe ich mit Sightseeing. Mein Lieblingsort in Casablanca ist die Corniche, wo an den kilometerlangen Sandstränden am Atlantik sich auch die Einheimischen vergnügen. An der  Bd. l’Ocean Atlantique wurde erst vor zwei Jahren ein riesiges Einkaufszentrum mit einem Imax-Kino errichtet, in das am Wochenende die Menschen strömen.

Aber laut Programm beginnt der Marathon am Sonntag bereits um 7.30 Uhr, Ausgehen und langes Aufbleiben entfällt daher. Ich bereite mir um 5 Uhr morgens ein Schnellfrühstück zu und nehme danach ein Taxi, das mich zu dem vom Hotel ca. 3 1/2 km entfernten Startbereich bringen soll. Doch der Fahrer nimmt zwei andere Personen mit und will einen Umweg machen. Ich steige aus und laufe zum Start. Aber die Hektik war nicht angebracht. Man lässt sich Zeit, Autobusse mit Läufern kommen nach 8 Uhr, einige erst nach ½ 9. Man startet, wenn es passt. Marokko hat im Vergleich zu Europa eine Zeitverschiebung, die Uhren werden um eine Stunde zurückgedreht. Daher kann es sein, dass man sich beim Marathon an der MEZ orientiert und der französische Charterflieger halt Verspätung hat.

Die Läuferkollegin hat am Freitag erwähnt, dass ca. 150 Marathonstarter registriert sind, beim Halben und der Staffel sind es deutlich mehr. Ich bin der einzige Österreicher, angeblich sollen aber einige Deutsche angemeldet sein. Näheres wusste die an der Organisation mitarbeitende Läuferkollegin nicht.

So gegen 8:45 sind dann alle bereit, genau genommen die zwei Dutzend Polizisten und andere Helfer auf schweren Maschinen, die die Vorhut bilden. Für die Schlussläufer sind Radfahrer im Einsatz, die die langsamen Marathonis bis in Zielnähe lotsen sollen.

An die 200 Läufer machen sich nach einem laut hörbaren Startschuss von der Bd. Med Sijilmassi aus nahe dem Eingang zum Complex sportif auf den Weg. Zunächst führt der Kurs in die rue Ibn Assanaani hinein und weiter in einer Spitzkehre in die Bd. Abdellatif Ben Kaddour. Die rechteckige Strecke verläuft weiter leicht absteigend in Richtung Atlantik. Ich habe mir vorgenommen, heute unter 5 Stunden zu bleiben, fürchte aber, dass es wegen der Startverschiebung um die Mittagszeit sehr heiß werden könnte. An den beiden Tagen, seit ich in Casablanca bin, zeigte das Thermomeer um 14 Uhr 28 Grad an.

Sobald wir auf der zum Hafen verlaufenen Bd. de la Corniche sind, erblickt man die wegen des 200 m hohen Minaretts eigentlich unübersehbare Moschee Hassan II, die der Monarch zu seinem 60. Geburtstag erbauen ließ. Sie ist einer der größten in der islamischen Welt, kann aber an Prunk, Ausstattung und Größe mit der Scheich-Zayid-Moschee in Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht mithalten.

Hinter der Moschee Hassan II wird die 5 km-Marke und die erste Labestelle erreicht, mit 28 Minuten liege ich noch bestens in der Zeit. Nun geht es weiter in einer 180 Grad Wende bei der Casablanca Marina zurück. Der Marathonkurs führt teilweise leicht ansteigend in den Stadtteil Sidi Belyout zur noblen Avenue Hassan II, wo sich mein Hotel direkt neben der österreichischen Handelsvertretung befindet. In Laufrichtung leicht ansteigend zur Rechten erstreckt sich der Parc de la Ligue Arabe.

Die 10 km-Anzeige und die Labestelle sind gut zu erkennen. Ich habe auf den 5 km vier Minuten verloren, das führe ich auf das wellige Terrain und die Abgase in der Luft zurück.  Hinter mir sind geschätzt noch zwei Dutzend Marathonläufer, doch die breite Masse hat sich nach vorne abgesetzt.

Der Kurs verläuft weiter bis zum Staffelwechsel, der nach 12 km erfolgt, im Bd. Ghandi wird dann die 15-Kilometer-Marke erreicht. Der eckige Kurs führt hernach in die Bd. Sidi Abderrahman, wo die gleichnamige Tramway-Station liegt. Anschließend geht es zurück zum Bd. du Lido, an dem wir schon einmal vorbeigekommen sind. Nahe dem Royal Golf Club Anfa wird die 20 km-Marke erreicht.  Der dritte Staffelwechsel erfolgt bei Kilometer22. Obwohl ich für die 20 km mehr als 2:10 benötigt habe, warten immer noch Dutzende Staffelläufer auf ihre Kollegen, die langsamer als ich unterwegs sind.

Eine Stimmung ist während des Marathons eigentlich nicht erkennbar, denn der Lauf findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Niemand applaudiert, keiner schaut zu, auch Angehörige der Läufer sieht man nicht. Es gibt ja nicht wie in europäischen Städten eine Metro oder ein gut ausgebautes Bussystem, mit denen man den Läufern folgen könnte. Den vielen Polizisten gelingt es bis zur Halbdistanz mit größter Mühe, die Straßen abzusperren, aber immer wieder fahren Autofahrer rücksichtlos in die Absperrungen rein und auf die Läufer zu.

Nach Kilometer 22 verläuft die Strecke vorbei am noblen Stadtteil Anfa hinunter zur Bd. l’Ocean Atlantique. Beim Hotel de Suisse befindet sich der Kilometerpunkt 25. Der Kurs führt nun in den Stadtteil Ain Diab am Meer, wo die Endstelle der erst seit einigen Jahren existierenden Tramway liegt. Ich bin am Vortag dort spaziergegangen. Die Wende erfolgt vor dem Imax Kino und einem der größten Shopping Center Nordafrikas.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite kommen der Nachhut, zu der ich mich dazuzähle, schon seit einigen Kilometern die schnelleren Läufer entgegen. Die Sicht auf die Plage Ain Diab ist auf der dem Meer näher liegenden Straßenseite deutlich besser, wenn man sich kurz auf den etwas höher liegenden Gehsteig begibt. Die 30 Km-Marke wird bald nach der Wende auf dem Bd. l’Ocean Atlantique erreicht. Zwei Kilometer weiter, auf der berühmen Bd. de la Corniche, befindet sich die letzte Wechselstelle. Der Marathonkurs führt weiter entlang der Corniche erneut bis zur Moschee Hassan II, wo die 4. Zeitnehmungsstation aufgebaut ist. Die Wende erfolgt bei der 35 km-Anzeige.

Es geht inmitten starken Autoverkehrs an einem strahlendem Sonntag zurück, die Autos weichen den Läufern nicht aus, man muss vielmehr auf die Fahrbahnkuppe hinaufsteigen, so nahe fahren sie im überhöhten Tempo ran und hupen laut. Nun geht es leicht ansteigend zurück in den Stadtteil Bourgogne. Ich bin  seit gut 6 km in einen Wettkampf mit drei Läufern verwickelt, zwei Männern und einer jüngeren Frau. Keiner gibt nach, einmal bin ich vorne, dann überläuft uns die Englisch sprechende Kollegin. Der Japaner öffnet gleich drei Gelpäckchen und wirft dann seinen Tragegürtel einfach weg. Der Ami bleibt am Kiosk stehen und kauft sich eine Dose Red Bull. Beiden dürften die Zaubermittel geholfen haben, denn sie legen bei Kilometer 37 einen Gang zu. Nur die Frau kann ich im Schach halten. Es hat nun nach 4 ½ Stunden schon an die 25 Grad, mir macht die Hitze zu schaffen.

Der eckige Kurs, der etliche Steigungen von Meereshöhe hinauf in die Stadt aufweist, verläuft nach 40 Km nochmals als 180 Grad-Wende, bevor es dann direkt ins Stadion geht. Ich sehe die beiden Ausreiser einige hundert Meter vor mir, die Frau ist zurückgefallen. Die Sonne brennt unbarmherzig vom Himmel, ich versuche unter Palmen am Straßenrand zu laufen. Leider übersehe ich so die nach einer scharfen 90 Grad-Kursdrehung die sich am rechten Fahrbahnrand befindliche Zeitnehmung knapp vor Kilometer 41.  Instinktiv blicke ich die Gerade zurück und erkenne, dass jene, die nachkommen, unter dem Gestänge durchlaufen, das ich übersehen habe. Der Entschluss zurückzulaufen ist rasch getroffen, schließlich will ich bei meinen laut marathonaustria 200. Marathon nicht disqualifiziert werden.

Die Amifrau kommt mir entgegen und grinst, die beiden „gedopten“ Typen ziehen endgültig davon. Einer der Radfahrenden Bereitschaftshelfer fragt „ca va ?“ --- „Oui, Monsieur, tout va bien“, eine Finisherzeit sub 5 ist sowieso dahin. Als ich ins Stadion einlaufe, kommt mir auf der Enge ein Auto entgegen, das ein Weiterlaufen blockiert. Aber bevor ich es vergesse zu erwähnen, die toughe US-Lady fange ich noch ab. Ihr Begleiter versucht sie auf der Tartanbahn im Stadion zu einem Sprint anzufeuern, doch sie ist platt. Eine Minute bleibt sie hinter mir. Mit 5:12 bleibe ich deutlich hinter den Erwartungen, aber positiv ist, dass ich nun auf allen 5 Kontinenten der Welt zumindest einen Marathon gelaufen bin. Diese Bilanz beabsichtige ich in den nächsten Jahren auszubauen.

Im Ziel bekomme ich eine ansehnliche Medaille, die deutlich größer ist als jene für die Halbmarathonteilnehmer. Neben einem Funktionsshirt erhalten alle Finisher eine prall gefüllte Tüte mit zwei Wasserflaschen, Obst und Süßigkeiten. Der junge Mann um die 25, den ich noch am Morgen gebeten habe, mich knapp vor dem Start zu knipsen, bricht neben mir im Ziel zusammen und wird regungslos abtransportiert. Auch für einen Einheimischen war die Hitze zu groß und belastend. Ich hoffe, dass es nur ein Kreislaufversagen war und er sich bald wieder erholt.

Mein Fazit:

Der Casablanca-Marathon ist eine internationale Veranstaltung, die ausbaubar wäre. Leider scheint man auf 3 Stundenläufer ausgerichtet zu sein, um 12 Uhr hält sich niemand mehr an die Absperrungen. Die Autofahrer betrachten die Läufer als Eindringlinge und nehmen keine Rücksicht. Wie überhaupt der Straßenverkehr in Casablanca für Fußgänger lebensgefährlich ist. Die Organisatoren des Marathons verdienen ein dickes Lob, sie bemühen sich sehr. Ich persönlich hoffe, dass sich der Marathon weiterentwickelt und seine Exotik behält.

Sieger Männer:

Philemon GITIA ROTICH (KEN): 2:10:19
Sahle KAIRGA (ETH): 2:11:14
Justus KIPKOSGI KIMUTAI (KEN): 2:12:40

Sieger Frauen:

Sarah KIPTOO (KEN): 2:35:22
Chengat SALOM (ETH): 2:35:35
Shewe ALEMAYEHU (ETH): 2:36:21

Finisherzahl: 147 Männer und 19 Frauen
 

 


 
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