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Laufberichte

Fellbacher 6/12-Stundenlauf in Fellbach-Schmiden

23.06.12

12 Stunden laufen. Geht das? Norbert, Günni und ich wollen das heute ausprobieren.

Fellbach liegt bei uns um die Ecke, an der nordöstlichen Stadtgrenze Stuttgarts; die zweitgrößte Stadt des Rems-Murr-Kreises.

Der Fellbacher Teilort Schmiden ist, was die eingefleischten (älteren) Läufer wissen, schon seit fast 20 Jahren Ultramarathon-Hochburg. In den Anfangsjahren gab es neben dem 6- und dem 12- auch einen 24-Stundenlauf. 1996 und 2001 wurden hier sogar die Deutschen Meisterschaften in dieser Disziplin ausgetragen. Solch langjähriges Know-how zeigt sich auch dieses Jahr wieder an der perfekten Organisation.

Natürlich ist ein 6/12-Stundenlauf keine Massenveranstaltung. Aber 68 Einzelläufer und 15 Staffeln wollen versorgt werden - und das den ganzen Tag. Das geht nur mit einem erfahrenen Team, das mit viel persönlichem Einsatz um das Wohl der Läufer besorgt ist.

Zum dritten Mal nach 2008 und 2010 kooperieren die Schmidener Leichtathleten mit dem Eritrea Hilfsprojekt. An einem Stand kann man Infomationen zu den Lebensumständen der Bevölkerung in Eritrea erhalten. Mit der Startnummer erhält jeder Läufer einen Flyer, der über die laufenden Hilfsprojekte Auskunft gibt und der die Möglichkeit zur Spende für Sportler in Eritrea beinhaltet. Neben Geld kann man hier auch sein Lauf-Shirt spenden. Außerdem sind Eritrea-Staffeln am Start.

Das Sportgelände mit Stadion liegt außerhalb von Schmiden. Für die Einzelläufer der 6- bzw. 12-Stundenläufe sind die Parkplätze direkt am Stadion reserviert. Dieses Jahr ist der Parkplatz aber so voll, dass die später ankommenden Einzelläufer doch an der Straße parken müssen.

Start ist für die 12-Stundenläufer um 8 Uhr. Jetzt ist das Stadion noch angenehm leer. Die Startunterlagen gibt es auf der Tribüne. Wir bekommen einen Umschlag, in dem neben der Startnummer und der Eritrea-Info diverse Pflegeprodukte enthalten sind. Wichtigstes Utensil ist aber der Transponder, der am rechten Handgelenk getragen werden soll. Dieser ist für die Rundenzeitmessung zuständig.

Vor dem Start gibt es noch eine kurze Einführung vom Veranstaltungsleiter Helmut Bürkle, der auch die Zeitmessung erklärt. Mit dem Transponder am rechten Handgelenk fährt man nach jeder Runde über die Zeitmesskiste. Wenn es piepst ist die Rundenzeit erfasst. Zwischenergebnisse werden stündlich bei der Verpflegungsstelle am Stadiontor ausgehängt.

Das Feld mit den 24 Einzelstartern und den 3 Staffeln ist übersichtlich und die Temperatur mit 17 °C angenehm.

Die 2091 m lange Strecke ist wenig spektakulär: nach einem kurzen Stück im Stadion geht es an der Verpflegungsstelle vorbei Richtung K1855. Scharf links müssen wir auf dem Gehweg dieser Straße ca. 200 m entlang. Nach der Brücke über die L1197 laufen wir links und gleich wieder rechts eine kurze Rampe hinunter. Hier steht der erste Streckenposten.

An der stark befahrenen Straße geht es weiter, die jetzt aber durch einen Grünstreifen mit hohen Büschen abgeschirmt ist. Nach ca. 300 m scharf links und wir sind auf den Feldern. Rechts ist in diesem Jahr ein riesiges Erdbeerfeld. In den nächsten Stunden wird die Temperatur steigen und der schwere Erdbeerduft in einer Wolke über diesem Streckenabschnitt hängen. Von hier hat man einen idyllischen Blick auf die Wohnsiedlungen von Neugereut, Steinhaldenfeld und den Kamin des Heizkraftwerks von Münster. Über allem thront in der Ferne der Stuttgarter Fernsehturm.

Nach ca. 500 m müssen wir scharf links und dann wieder rechts. Es geht ein Stück geradeaus bis zum zweiten Streckenposten. Von dort führt die Strecke links zurück nach Schmiden. Nach weiteren 300 m kommt die einzige Steigung: die zweite Brücke über die L1197; danach geht es auf der anderen Seite wieder hinunter. Jetzt links herum und wir können das Stadion sehen. Im Stadion ist noch eine halbe Runde zu laufen, vorbei an der Zeitmessung – piep - und dann beginnt es wieder von vorne.

Die Strecke ist zwar nicht abgesperrt, aber zur Straße hin mit Absperrband gesichert und durch Streckenposten markiert, die auch Spaziergänger und Radfahrer zur Rücksicht mahnen.

Nach einer Stunde merkt man, dass sich das Stadion füllt. Die 6-Stundenläufer kommen an. Die Staffeln bauen ihre Basiscamps in Form von Partyzelten oder Schirmen auf.

Um 10 Uhr erfolgt der Start der 44 Einzelläufer und 12 Staffeln für den 6-Stundenlauf. Dadurch belebt sich die Strecke.

Ich versuche den Lauf von Anfang an zu genießen, denn ich habe mir 80 km vorgenommen. Das wäre mein längster Lauf bisher und müsste in 12 Stunden machbar sein. Bei diesem Tempo kann ich gemächlich dahintrotten. Trotzdem tun mir bereits nach 20 km die Füße weh. Ich darf bloß nicht daran denken.

Die meisten Läufer scheinen im Wohlfühltempo unterwegs zu sein. Ich kann jetzt schon 3 Frauen aus dem 12 Stundenlauf überholen. Das bedeutet, dass ich auf dem vierten Platz liegen müsste. Am Anfang eines so langen Laufes sagt das natürlich noch nichts - tut aber trotzdem gut.

So ab 11 Uhr wird es heiß. Der Wetterbericht hatte 23 Grad angekündigt. Das sind hier auf der Strecke ohne Schatten natürlich ein paar Grade mehr. Wir haben zwar Sonnencreme dabei, aber vergessen aufzutragen. Doch das ist im Moment mein geringstes Problem. Auf der Strecke sind Wannen mit Wasser und Schwämmen verteilt. Kühlung ist also kein Thema. Nur mein Magen fühlt sich irgendwie komisch an. Die Verpflegung lässt zwar keine Wünsche offen. Es gibt Wasser ohne, mit und mit wenig Kohlensäure, Iso, Karamalz, Cola, Apfelschorle, Apfelsaft, Brühe, Äpfel, Bananen, Erdbeeren, Wasser- und Honigmelone, Trauben, Kiwi, Salzstangen, gesalzene Erdnüsse, Cracker, Studentenfutter, Trockenfrüchte, Brot mit Butter und Kartoffeln. Und das alle 2 km. Trotzdem, mit meinem Magen stimmt irgendwas nicht.

Um die Mittagszeit werden für die Läufer Spaghetti zubereitet. Jetzt gilt es - Hopp oder Top. Ich mache Pause. Spaghetti mit Bologneser Soße hab ich während eines Laufs noch nicht probiert. Auch andere Ultras sammeln sich gemütlich im Schatten der Bäume. Es wird gefachsimpelt und viel gelacht. Mein Banknachbar, augenscheinlich kein Läufer, hat es sich bei Bratwurst und Weizenbier gemütlich gemacht. Oh, so ein Schluck Bier das wäre jetzt toll. Ich schnorre mir ein paar Schluck. Dann geht es wieder auf die Strecke.

Zuerst will ich mal vorsichtig gehen. Aber mein Magen scheint wieder in Ordnung. Es läuft auf einmal wunderbar.

Das Schöne an Stundenläufen ist, dass man nie allein ist. Man sieht jeden Läufer, die meisten mehrmals und führt viele Gespräche, da das Grundtempo nicht so hoch ist. Optimal, wenn man zum ersten Mal die Marathondistanz bewältigen will. Man hat 6 Stunden Zeit und kann nicht verloren gehen.

Mittlerweile ist es unangenehm heiß. Die meisten Läufer legen kürzere oder längere Gehpausen ein. Einige müssen sogar aussteigen. Nur die Staffeln ziehen unermüdlich ihre Kreise.

Das 6 Stundenrennen ist beendet. Wie im Vorjahr heißt die Siegerin bei den Frauen Kathrin Schramm vom KSG Gerlingen. Mit deutlichem Vorsprung vor Katrin Mikolajski vom VfL Tegel Berlin gewinnt sie den Lauf.

Bei den Männern lieferten sich Martin Böttle und Marian-Jan Olejnik ein spannendes Kopf an Kopf Rennen, das Böttle mit einer knappen Runde Vorsprung und über 73 gelaufenen Kilometern für sich entscheiden kann.

Nach der Siegerehrung wird es wieder ruhig im Stadion. An den Tischen im Schatten bei den Essensständen mit Kuchen und Wurst wird noch gemütlich zusammen gesessen. Das Publikum jubelt jedes Mal, wenn ein 12-Stundenläufer vorbeikommt.

Ich hab jetzt fast meine 80 Kilometer. Norbert läuft seit einiger Zeit nur noch nach Gefühl, denn bei seiner Pulsuhr war nach 7,5 Stunden der Akku leer. Es sind noch 2 Stunden. Ich treffe die Führende Frau, Viola Stras. Ihr geht es schlecht. Ich bemerke Ihr gegenüber, dass meines Erachtens ihr Vorsprung ausreichen dürfte, den Lauf zu gewinnen. Aber ihre angestrebten 100 km hat sie noch nicht geschafft. Trotz ihres angeschlagenen Zustands läuft sie immer noch schnell und ich verliere sie aus den Augen.

Ratlos stehe ich an der Verpflegungsstelle. Ich kann kein Wasser mehr sehen. Auch Cola und Brühe sind mir über. Ich frage nach Kaffee. Natürlich bekomme ich welchen. Mit Zucker und schon umgerührt - klasse Service.

Ich bin fertig. Mir tut alles weh. Es ist immer noch heiß. 80 km hab ich jetzt erreicht. Noch 1½ Stunden. Soll ich aufhören? Ich glaube, ich bin Zweite. Wie weit ist die Dritte zurück? Wäre jetzt auch blöd nach über 10 gelaufenen Stunden den zweiten Platz wegzugeben. Ich berate mit Günni. Er meint natürlich, ich solle weitermachen.

Als ich in der nächsten Runde vorbeikomme, trinkt er gerade ein kühles Weizenbier. Sabber - Günni erkennt mein Begehren. Ich trinke zwei kleine Schluck - lecker. Weiter an der Verpflegungsstelle ist mein Kaffee schon bereit. So geht das Runde um Runde. Und es läuft. Meine Rundenzeiten werden schneller und die Pausen kürzer.

Es ist 19.28 Uhr. Ich will noch eine gemütliche Runde laufen und warte dann auf den Schlußknall. Kurz vor dem Stadioneinlauf knapp 20 Minuten später überholt mich Roland Wimmer, der Führende des Laufs. Ich frage, ob er noch eine Runde macht. Es sind noch gut 12 Minuten. Er meint: „Klar, das reicht noch.“

Das gibt den Ausschlag. Ich flitze an Günni vorbei, lasse die Verpflegungsstelle rechts liegen, wieder raus auf die Strecke. Keine Gehpause mehr. Die Streckenkontrolleure kommen mir entgegen. Jeder sagt die Restzeit an. Beim letzten Streckenposten sind es noch 5 Minuten. Auf der Brücke wartet Günni. Noch 80 Sekunden. Kurz vor dem Stadion wird heruntergezählt. 10, 9, 8 .... Beim Schlußknall stehe ich auf der Laufbahn. Mein Garmin zeigt knapp 90 km.

Sofort sind die Streckenkontrolleurinnen da. Sie markieren meinen Standpunkt und sammeln den Transponder ein. Die Restmeter werden zu meinen gelaufenen Runden dazu gezählt.

Günni begleitet mich zu Norbert, der an der Verpflegungsstelle auf uns wartet. Ich bestelle nochmal Kaffee und bekomme sogar ein Stück Kuchen dazu.

Bei der Siegerehrung erfahren wir, dass ich tatsächlich den zweiten Platz erreicht habe. Erste wird verdient Viola Stras vom LTF Marpingen mit über 94 km. Da die Drittplazierte fast 84 km gelaufen ist, bin ich doch froh, nicht bei 80 km aufgehört zu haben.

Robert Wimmer hat überlegen mit 127,5 km die Männerwertung gewonnen. Überrascht waren wir aber doch, dass Norbert sich noch bis auf 700 m an den Zweitplazierten Mario Nallinger (109,5 km) von den Parkschützern heranlaufen konnte. Mit 108,8 km hat er sein Ziel von 100 Kilometern noch getopt.

 


 
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