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Laufberichte

Eine Seefahrt, die ist lustig ...

16.01.14 Special Event
 

Einmal um die ganze Welt mit einem Kreuzfahrtschiff - „Sail-to-the-Caribbean-Marathon“ an Bord der Costa Deliziosa am 16. Januar 2014

In 100 Tagen um die Welt zum Sechziger, das haben meine Gattin und ich uns vorgenommen. Ein schönes Gefühl, wenn man seine Sorgen einfach zu Hause in Wien lassen kann, so wie dies vermutlich viele der 2800 Passagiere an Bord, darunter auch 200 Österreicher, 300 Deutsche und an die 150 Schweizer neben vielen Italienern, Franzosen, Spaniern und andere Nationalitäten empfinden mögen.

Die Überfahrt über den Atlantik in die südliche Karibik dauert von Madeira aus 5 Tage, am 17. Januar 2014 hätten wir in Antigua um 8 Uhr anlegen sollen. Doch  es kommt zu einem Zwischenfall mit einer Portion Abenteuer für die Betroffenen. Die 7-köpfige Besatzung eines Minisegelbootes gerät 1000 km südlich der Kap Verden in Seenot, das Kreuzfahrtschiff kehrt um und rettet nach gut 10 Stunden die Männer aus dem nicht hochseetauglichen Segelschiff aus stürmischer See. Auf einer Rettungsinsel haben die Schiffbrüchigen Zuflucht genommen, das infolge eines Loches vom Sinken bedrohte Segelboot wird dem Meer überlassen. Kaum ein Passagier am Luxus Ocean Liner der Reederei Costa versucht nicht, die z.T. dramatischen Szenen zu fotografieren bzw. zu filmen. Wir haben eine Balkonkabine auf Deck 7 gebucht, einige Hundert Meter in Blickrichtung spielt sich die Rettungsaktion ab.

Erst am nächsten Tag lässt der Kapitän durchsagen, dass wir infolge des Zeitverlustes leider Antigua auslassen müssen und erst am 18. Januar in St. Lucia anlegen werden. Die Meldung kommt aus dem Lautsprecher, als im großen Theater gerade ein Vortrag über Land, Leute, Flora und Fauna sowie Ausflüge der im Zuge der Weltreise vorgesehenen Anlaufhäfen in der Südkaribik stattfindet. Viele Passagiere murren, besonders jene, die zum ersten Mal die schönsten Trauminseln der Karibik besuchen wollen. Wir haben reichlich Karibikerfahrung, sind aber nicht minder enttäuscht, dass wir diesmal nicht am Reduit-Beach in Antigua schnorcheln können.

Wer schon einmal oder öfters an Bord eines Kreuzfahrtschiffes eine längere Reise als 7 oder 8 Tage im Mittelmeer unternommen hat, kann bestätigen, dass infolge der vielen Mahlzeiten man ohne Sportprogramm leicht einige Kilo zunehmen kann. Daher frequentiert man neben dem Fitness-Studio auch den Laufparcours am obersten Deck, oder wie die findigeren Passagiere gleich auf dem Bootdeck den Rundweg, der bei unserem Kreuzfahrtschiff 570 m umfasst. Zwar gibt es dort mehrere Stellen, die sich verjüngen bzw. nischenartige Passagen, wo nur maximal zwei Person gehen können und man im Gänsemarsch vorankommt, aber wer zeitlich in der Früh dort ist, der hat genug Platz und kann seine Runden drehen.

Der Boden besteht aus einem sehr harten Kunststoff, ist, wenn es regnet oder sich Kondenswasser bildet, glitschig. Man muss Acht geben, nicht auszurutschen. Bei starkem Wind und hohen Wellen ist ein Laufen sehr erschwert, der Wind bremst, das Schiff schaukelt infolge der Dünung, die Bänder im Fußgelenk werden stark strapaziert. Und dennoch treffe ich seit unserer Abreise in Savona über Marseille, Barcelona und Funchal täglich dieselben Personen, die 10, 20 oder 25 Runden (ca.15 km) wie ich drehen. Mein Ziel für das heurige Jahr sind erstens deutlich weniger Marathons als 2013 (54 in Summe plus einen Ultra über 55km) und zweitens bessere Laufzeiten.

Die Läufer sprechen sich bald alle beim Vornamen an, man läuft nebeneinander her und redet über dieses und jenes. Da ist  Peter aus  Graz, drahtig und durchtrainiert. Er sieht mit 63 aus wie ein Mittvierziger. Sein Laufclub „hurtig&flinkt“ veranstaltet u.a. auch den Silvestermarathon in Graz. Er hat gerade seine Werbeagentur verkauft und will jetzt die Pension genießen. Peter hat 40 Jahre Marathonerfahrung, ist bisher fast all seine Marathons unter 4 Stunden gelaufen und trainiert am Morgen teilweise unter 5 min/pro km.

Dann ein Pensionisten-Paar aus dem Kanton Solothurn in der Schweiz. Edi und Ursula habe ich überredet, mit mir beim Surf City Marathon in Los Angeles am 2. Februar anzutreten. Zwar ist der Lauf bereits ausverkauft, doch es schaut gut aus, dass sie noch einen Slot bekommen werden.

Dann ist da Thomas aus Hamburg, der stolz ist, dank Lauftrainings mit einem Schrittzähler am Schuh und einem Fitnessarmband 10 Kilo binnen eines Jahres abgenommen zu haben. Er ist bisher in Hamburg erst  einmal 16 km gelaufen, trainiert daher nur für Läufe bis max. 15 km. Silvio aus Genua ist 1944 geboren und schenkt sich zum Siebziger die  Weltreise. Er ist Diabetiker, läuft täglich zeitig in der Früh seine Runden.

Es sind mehrere Dutzend Läufer zu unterschiedlichen Tageszeiten auf dem Deck 3 anzutreffen, mit denen man in Kontakt kommt. Der Plan, einen Marathon am Schiff zu organisieren, entsteht schon auf der Anreise von Barcelona nach Funchal. Doch so leicht ist dies nicht. Der Chef der Animation winkt ab, der Manager des Fitness-Studios an Bord verweist mich an den Cruise Director, der lässt sich abschirmen. Es gelingt mir, mit seinem Assistenten ein Gespräch zu führen. Er signalisiert Unterstützung, allerdings würde man keine Verantwortung übernehmen können, falls einem Läufer etwas passiert. Auch würde man den Event nicht offiziell im Tagesprogramm ankündigen, sondern unsere Läufervereinigung möge auf dem SMS-Board eine Message anbringen. Er bietet uns an, ein entsprechendes Dokument mit den nautischen Daten, also der Position des Schiffes, zu unterfertigen. Für die Zeitnahme sind auch wir selbst verantwortlich. Für die Sieger stehe ein spezielles Geschenk bereit.

Das werte ich als positives Signal und formuliere den Text für den Aushang, den ich an der Rezeption ausdrucken lasse. Meine neuen Lauffreunde wollen alle am 16. Januar teilnehmen, für den zunächst vorgesehenen 10 km-Lauf haben sich 4 Personen gemeldet, ich entscheide mich aber dagegen, weil der Aufwand bei der Zeitnahme und der Versorgung, die meine Tochter und Gattin übernehmen, zu groß wird.

6 Marathonläufer sind am 16. Januar am Start, es geht Punkt 6 Uhr los. Die Labestation ist Start- und Zielbereich, jeder ist für die Getränke selbst verantwortlich. Ab 7 Uhr kann man von Buffet am Lidodeck alles runterholen, was angeboten wird. Es ist noch unklar, ob Peter, der Schnellste unter uns, tatsächlich den ganzen Marathon laufen wird, zu hoch ist sein Anfangstempo. Silvio und Ursula liegen zurück, Peter ganz vorne, dahinter Edi und zunächst Torsten.

Jetzt am frühen Morgen sind noch kaum andere Passagiere am Rundkurs anzutreffen, daher lassen sich Rundenzeiten um ca. 3:15 min für die  570 m erzielen. Ursula fällt bereits nach 6 Runden mit Rückenproblemen aus. Dafür drückt Peter ordentlich aufs Tempo, nach ca. 10 Runden liegt er schon 3 voran. Auch Edi hat sich einiges vorgenommen, er hält mit Peter lange recht gut mit.

So euphorisch ich noch die Tage zuvor den Marathon organisiert hatte, so gedämpft bin ich allerdings an den Start gegangen. Das ganze Jahr 2013 war ich nie krank, nicht einmal verkühlt,  jetzt am Schiff bekomme ich in der Nacht vor dem Lauf Halsschmerzen und Fieber. Eigentlich will ich gar nicht antreten, doch als Initiator kann ich nicht fehlen. Die anderen merken nicht, dass ich angeschlagen bin.

Ab 8 Uhr kommen immer mehr andere Passagiere auf Deck 3. Die Karibiksonne brennt bereits gegen 7 Uhr morgens vom Himmel. Wir laufen entsprechend der Vorschrift gegen den Uhrzeigersinn, das bedeutet, dass wir die Sonne im Gesicht haben. Peter liegt vorne, gefolgt von Edi, Torsten und mir, mit dem ich nebeneinander im Schongang laufe. Man muss immer wieder bremsen, um den vielen Walkern nicht auf die Ferse zu steigen. Die Rundenzeiten werden so immer länger, sie liegen nun bei 4 Minuten, noch sind nicht einmal 15 km erreicht. Peter überholt Torsten und mich zwar regelmäßig, auch Edi, doch ich merke, dass Peter deutlich langsamer geworden ist. Schließlich finisht Peter den Halbmarathon mit 1:58:35 und hört auf. Die Frage stellt sich, ob er mit einem langsameren Tempo weitere 37 Runden geschafft hätte. Die Antwort kennt nur er.

Silvio liegt weit zurück, er will als Powerwalker den Marathon unter 6 Stunden schaffen. Torsten und ich beenden die erste Hälfte in schwachen 2:20, Hauptgrund dafür sind die vielen Passagiere am Deck, die in Gruppen gehen und nicht sehen, dass von hinten schnellere Läufer nachkommen. Meine Fremdsprachenkenntnisse sind nicht wirklich vorteilhaft, egal, ob ich „scusa“ ,„excusez-moi“, „excuse me, please“, „pardon“ oder „Entschuldigung“ auf Deutsch sage, die wenigsten weichen aus. Der Andrang am für unsere Laufveranstaltung nicht gesperrten Deck 3 wird gegen 9 und 10 Uhr so groß, dass wir phasenweise nur mehr gehen können. Die Rundenzeiten werden immer länger.

Torsten wollte nach der Halbdistanz gar nicht weiterlaufen, ich überrede ihn. Wir laufen auch die zweiten 37 Runden über weite Strecken zusammen.
Edi liegt zunächst 5 oder 6 Runden vorne, sein Vorsprung schmilzt aber dahin. Als ich merke, dass ich nach 4 Stunden noch 15 Runden vor mir habe, wird klar, dass die Marathonzeit unter diesen Umständen sehr langsam werden wird. Dazu kommt, dass es am Schiff auf der Sonnenseite sicher 30 Grad hat, und man auf 285 m brutal angestrahlt wird. Silvio hat sein Ziel nicht  erreicht, seine Frau überredet ihn, nach 3:55:22 nach Erreichen der Halbdistanz aufzuhören.

Meine Frau und Tochter leisten Schwerarbeit:  Besonders Mandy holt laufend kühle Getränke, Melonen, Orangen u.a. vom Frühstücksbuffet von Deck 9 hinunter auf Deck 3.  Meine Frau kontrolliert die Runden, d.h. sie macht eine Eintragung, wenn eine weitere Runde gelaufen wurde. Auch Torstens Frau und die von Silvio unterstützen die Versorgungstelle. Mandy, die als Vierzehnjährige den Vienna City Marathon in 3:25 gelaufen ist, begleitet mich auf den letzten 15 Runden. Torsten liegt wegen einer WC-Pause meinerseits inzwischen eine Runde vorne.

Der erste, der finisht, ist Edi, der am Schluss nur mehr 3 Runden vor mir gelegen ist. Auch er hat diesen Marathon wie ich unterschätzt, 5:12 ist für Edi, der als Schweizer den Jungfrau-Marathon als den schönsten Lauf der Welt bezeichnet, und Laufzeiten unter 4 Stunden in der Altersklasse M-60 aufzuweisen hat, nicht wirklich zufriedenstellend. Torsten kommt vor mir mit 5:21 ins Ziel, ich liege einige Minuten dahinter.

Die privat durchgeführte Laufveranstaltung im exklusiven kleinsten Kreis erregt unter den Walkern und Läufern viel Aufmerksamkeit. Meine Frau berichtet, dass sie gefragt wurde, warum man allgemein an Bord nichts darüber erfahren habe. Den Aushang haben offenbar nicht viele gelesen, obwohl im Tagesprogramm täglich darauf verwiesen wird, dass die Passagiere ihre Anliegen am SMS-Board in Form einer Notiz auf einem Zettel anbringen sollen. Jedenfalls interessieren sich plötzlich weitere Personen für die Teilnahme an einem Marathon am Schiff, falls wir nochmals so eine Veranstaltung planen.

Einen Tag danach liegen nach dem Frühstück die Urkunden zum Verteilen in unserer Kabine. Man hat sich Mühe gegeben, eine stilvolle laminierte Bestätigung über die Laufzeit und die nautische Position zu gestalten. Peter und Torsten wollten auf ihren Blogseiten darüber berichten, doch leider ist die Internetverbindung auf unserem Schiff im Atlantik und auch generell extrem langsam, störungsanfällig und vor allem auch teuer: Eine Minute kostet 50 Cents, eine Stunde 11 Euro plus 3 Euro für die Registrierung. Will man mehrere MB große Attachements verschicken, ist dies nahezu unmöglich. Nur in den Hotspots in den Zielhäfen lässt sich ein passabler Mailverkehr abwickeln. Diese Schwachstelle ist  auf allen uns bekannten Kreuzfahrtschiffen anzutreffen, eine Besserung ist nicht in Sicht.

Costa bietet seit Jahren einen offiziellen Marathon auf einem eigenen Schiff im Mittelmeer an, das dann vor Anker in einem Hafen liegt und auf diese Weise jegliche störende Bewegung unterbunden ist. Der Laufparcours ist für andere Passagiere währende des Marathons selbstverständlich gesperrt. Gefährliche Stellen werden mit Matten bedeckt. Ich kenne etliche Lauffreunde, die schon einmal an einem bestens organisierten Marathon auf einem Schiff teilgenommen haben. Wir haben ihn nun für uns selbst unter Berücksichtigung der Auflagen von gängigen Statuten von 100 Marathon Clubs organisiert, damit eine mögliche Anrechnung - wenn angestrebt bzw. gewünscht - möglich ist.

Auf unserer Weltreise möchte ich auch zumindest an einem größeren Marathon teilnehmen. Ferner sind in Kooperation mit Laufclubs in Übersee einige Rennen geplant, über die ich gerne für M4Y berichten werde, wenn sie zustande kommen.
Sieger des von der Laufgemeinschaft an Bord der COSTA Deliziosa am 16. Januar 2014 auf dem Weg in die Südkaribik durchgeführten Marathons wird Edi Ernst (Jg. 1951, Kanton Solothurn, Schweiz) mit 5:12:38.

 


 
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