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Laufberichte

Die Laufwelt trifft sich auf der Seiser Alm

17.07.09
Autor: Klaus Duwe

„Was den Marathon-Profis nutzt, kann mir nicht schaden“

denke ich und fahre nach Südtirol auf die Seiser Alm, wo zum dritten Mal das „Rosa Nike Team“ sein Trainingslager aufgeschlagen hat. Neben Kenianischen Spitzenläufern sind auch Victor Röthlin (muss man hierzulande nicht vorstellen), Ruggero Pertile (derzeit Italiens bester Marathonläufer, PB 2:09:52), Roman Weger (Österreichs Nr. 2, PB 2:16:18) und Jungfrau-Sieger Hermann Achmüller auf der Hochalm. Weitere Promis und interessante Leute kommen im Laufe der Tage dazu. Volles Programm für mich. Nur zum Laufen, das sage ich gleich, komme ich nicht. Aber zu einer herrlichen Bergtour, davon aber später.

„Sie sind also Klaus Duwe? Ich kenne Ihre Seite, ich laufe auch Marathon“ – welch ein Begrüßung durch Helga Zemmer, Chefin des Hotels Schmung,. Und schon bin ich zuhause. Zimmer, Frühstück, Abendessen, alles vom Besten. Aber unser Thema ist der Marathon. Im Frühjahr war sie in Hamburg. 3:58 ist sie gelaufen. Ihre Freundin war eine ganze Stunde schneller, wurde 10. Hä, muss ich doch kennen. Wer ist das? Helga Rauch. Klar, sie wollte doch vor zwei Jahren am Gardasee neuen Südtiroler Rekord laufen. Klappte aber nicht, trotz Hermann Achmüller als Pacer. Und letztes Jahr traf ich sie in Zürich mit ihrer Zwillingsschwester (ist alles dokumentiert). Aber dass sie hier auf der Alm lebt, wusste ich nicht.

Ihre „Rauch Hütte“ ist nicht einfach eine der vielen bewirtschafteten Almhütten. Schon die Lage mit dem schönsten Blick zur Langkofel-Gruppe verschafft ihr ein Alleinstellungsmerkmal. Und dann kann die Chefin nicht nur gut Laufen (PB Marathon: 2:52), sondern mindestens genauso gut kochen. Mein Lieblingsessen in Südtirol ist zu jeder Tageszeit Apfelstrudel. Die Rauch-Version bekommt von mir die Höchstwertung.

2002 ist Helga Rauch in Frankfurt. Sie will mit dem Laufen aufhören, aber nicht ohne vorher einen Marathon gelaufen zu sein. Es ist das Jahr mit dem Sturm. Sie erzählt, wie sie gegen den Wind kämpft, von einer Böe erfasst wird, stürzt, aber weitermacht. Nach drei Stunden und einer Minute ist sie im Ziel. „So eine blöde Zeit. Damit kann ich doch nicht aufhören“, denkt sie sich. Und so läuft sie noch heute, obwohl die 3-Stunden-Marke längst geknackt ist.

Auch Hermann Achmüller weiß tolle Storys zu erzählen. Im Frühjahr hat er ja in Wien Andrea Mayr punktgenau zum Österreichischen Rekord (2:30:43) geführt. Auch früher schon war er wegen seiner Zuverlässigkeit als Pacemaker gefragt. Seine Absicht, mal was für seine persönliche Bestzeit (2:18) zu tun, stellte er so immer wieder hinten an. „Dafür habe ich Sachen erlebt, die ich noch meinen Enkeln erzählen kann“, sagt er voller Stolz.

Naoko Takahashi gewann 2000 in Sydney Olympisches Marathon-Gold und wollte nun auch den Weltrekord. Berlin, als Rekordstrecke bekannt, erhielt den Zuschlag für den Versuch, erstmals unter 2:20 Stunden zu bleiben. Und Hermann Achmüller sollte die Pace machen. Gut geschlafen hat der Südtiroler in der Nacht zuvor nicht. „Die Verantwortung ….“, erinnert er sich. Aber auf ihn ist Verlass, er hält sich auf die Sekunde an den Zeitplan und die Japanerin auf Weltrekordkurs. 2 oder 3 Kilometer vor dem Ziel taucht ein Radfahrer neben ihm auf und gibt Anweisung: „Entweder du läufst jetzt 300 m voraus, oder du lässt dich zurückfallen.“ Hermann Achmüller begriff: der Zieleinlauf sollte alleine Naoko Takahashi gehören. „Aber vorauslaufen konnte ich nicht mehr, ich war fertig“, und so ließ er sich etwas zurückfallen. Die Japanerin gewann, lief als erste Frau den Marathon unter 2:20 und hatte ihren Weltrekord (2:19:46). Hermann Achmüller sah und hörte nie mehr was von Naoko Takahashi.

Ganz anders 2004. Yoko Shibui will auf dem schnellen Berliner Kurs die Zeit ihrer Landsfrau unterbieten, die inzwischen zwar nicht mehr Weltrekord (den hat nun Paula Radcliffe / 2:15:25, London 2003), aber noch immer Japanische Bestzeit ist. Racedirektor Mark Milde erinnert sich an Hermann Achmüller und verpflichtet ihn als Pacemaker. Wieder läuft der Südtiroler wie ein Uhrwerk, trotz widriger Wetterbedingungen. Und wieder gelingt der Rekord: 2:19:41! Im Ziel verneigt sich Yoko Shibui vor Hermann Achmüller, der in diesem Zusammenhang von einem der schönsten Momente in seinem Läuferleben spricht.

 
 

 
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