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Laufberichte

Bergauf, bergab durch die halbe Schweiz

12.07.08

Swiss Jura Marathon 06. bis 12. Juli 2008 - von Genf nach Basel

Wer träumt nicht davon? Schneebedeckte Berggipfel, saftiggrüne Wiesen, kühle Fichtenwälder und tiefblaue Seen - Natur pur! Einzigartige Landschaftseindrücke und intensive Naturerlebnisse bekommt man bei einem Laufevent der besonderen Art geboten: dem Swiss Jura Marathon.

Doch die landschaftliche Idylle trügt ein bisschen. Der Swiss Jura Marathon ist ein anspruchsvolles Mehrtagesrennen von Genf nach Basel über insgesamt 350 Kilometer mit 11.000 Höhenmeter. Sieben Ultramarathons in sieben Tagen gilt es über anspruchsvolle Bergwege zu bewältigen! Für mich ist es, nach dem IsarRun im vergangenen Jahr, der zweite Mehrtageslauf überhaupt. Was wird mich erwarten? Genau darin besteht für mich jedes Mal der Reiz einer solchen Veranstaltung: das Unerwartete, das Neue, das Abenteuer und die Herausforderung zu suchen.

Am 05. Juli fahre ich, zusammen mit Michael Beckmann und Kurt Becker, mit dem Auto nach Basel. Dort nehmen wir den Zug nach St. Cergue, wo der „organisatorische Startpunkt“ des Swiss Jura Marathon ist. Dort angekommen, treffen wir auf altbekannte Gesichter. Wir beziehen gleich unsere Unterkunft für die kommenden zwei Nächte in der Sporthalle von St. Cergue. Bis zum Abend haben es sich knapp 100 Läufer in der Sporthalle auf Matratzen gemütlich gemacht. Dabei sind 86 Läufer für den K-350 gemeldet und 14 Starter laufen an den kommenden sieben Tagen 175 Kilometer.

Nach einer unruhigen Nacht klingelt der Wecker schon um 5 Uhr. Um 6:45 Uhr werden wir Läufer mit dem Bus nach Genf gebracht, wo um 8 Uhr der Startschuss für die (angeblich) letzte Ausgabe des Swiss Jura Marathon erklingt. Ich lasse es ganz gemütlich angehen – 6:30 Minuten pro Kilometer. Meine Maxime ist ein ökonomisches und zugleich kräfteschonendes Laufen. Es folgen ja noch weitere sechs Tage! Selbst „alte Ultrahasen“ starten in einem ruhigerem Tempo - ich befinde mich also in bester Gesellschaft. Die ersten 26 Kilometer verlaufen auf überwiegend ebenem Terrain über Feldwege und asphaltierte Strassen. Erst bei Kilometer 30 wird der Swiss Jura seinem Namen als längster Berglauf Europas für den heutigen Tag gerecht. Es geht von 500 Meter auf über 1600 Meter – auf knapp 10 Kilometer. Der Gipfel des La Dole hat es in sich. Besonders der begleitende Regen und die daraus resultierenden schlammigen Bodenverhältnisse erschweren das heutige Laufen. Die vom Veranstalter empfohlenen Trail Schuhe machen definitiv Sinn. Als Zugabe auf der heutigen Etappe gilt es, den Abstieg vom La Dole mit seinen 750 Metern bis nach St. Cergue zu meistern.


Auf der zweiten Etappe stehen heute „nur“ 45 Kilometer und 1290 Höhenmeter auf dem Programm. Dabei werden keine Ortschaften durchlaufen – es ist also eine reine „Naturetappe“. Als Schwierigkeit wartet heute der Mount Tendre, mit seinen 1.679 Metern der höchste Punkt des gesamten Laufes. Von dort hat man einen traumhaften Ausblick! Auch heute kommen mir wieder meine Stöcke zugute, die ich fast während der gesamten Etappe einsetze. Sie sind nicht nur eine enorme Erleichterung für das Bergauflaufen, sondern wirken auch schonend für den passiven Bewegungsapparat beim Bergablaufen. Die letzten 20 Kilometer geht es überwiegend bergab, doch ich lasse mich nicht dazu verleiten, mein Tempo zu erhöhen. Ich komme nach 6:22 Stunden problemlos in Le Sentier, dem Zielort der heutigen Etappe, an.

Auch am heutigen Dienstag heißt es wieder: 5 Uhr Aufstehen, Frühstücken, Laufsachen richten, Laufbeutel für die Verpflegungsstationen abgeben, Gepäck aufgeben usw. Dieser Ablauf ist mittlerweile schon fast zu einem Ritual geworden. Heute steht die Königsetappe auf dem Programm. 56 Kilometer, 1650 positive Höhenmeter und fast 2000 Meter bergab – so lauten die Fakten. Die ersten Kilometer verlaufen relativ eben. Man passiert die Ortschaft Le Pont und bei Kilometer 15 wartet der ersten Verpflegungspunkt auf uns Läufer. Jeden Tag werden insgesamt drei Verpflegungsstationen auf der Strecke angeboten. Das bedeutet, dass jeder Läufer darüber hinaus für Essen und Trinken selbst verantwortlich ist. Die meisten Teilnehmer sind mit Camelbaks oder einem Trinkgurt ausgestattet, um einer ausreichenden Energiezufuhr Rechnung zu tragen. Die Strecke führt weiter über Waldwege, vorbei an einer imposanten Schlucht, bevor es bei Kilometer 25 zum ersten Berg geht. Der Le Suchet wartet mit knapp 700 Metern Aufstieg auf uns. 

Das Bergauflaufen bereitet mir jedes Mal eine große Freude. In einem gleichmäßigen Rhythmus und mit meinen schon erwähnten Stöcken mache ich Platz für Platz gut. Ich fühle mich prächtig! Die gewonnenen Ränge „büße“ ich wieder teilweise beim Bergablaufen ein, wo ich es sehr verhalten angehen lasse. Die meiste Zeit bin ich alleine unterwegs. Es ist nicht einfach, bei diesem Profil Läufer zu finden, die über die gesamte Distanz „Dein“ Tempo laufen. Jeder hat auf diesem bergigen Parcours seine individuellen Stärken, die das gemeinsame Laufen erschweren. Doch hin und wieder ist man auch zu zweit oder in einer kleinen Gruppe unterwegs, was eine gelungene Abwechslung darstellt. Auf der heutigen Etappe laufe ich des Öfteren mit dem Kanadier Mike, einem Kosmopolit aus der Nähe von Vancouver. Die Gespräche zwischen dem anspruchsvollen Laufen empfinde ich jedes Mal als Bereicherung und sie lassen die Etappen noch kurzweiliger erscheinen. 

Nach der Marathondistanz wartet mit dem Chasseron der zweite Berg auf uns. Diesen Anstieg kenne ich noch vom Defi im Val-de-Travers, den ich 2005 absolvierte. Und auch in diesem Jahr hat man am Gipfel einen traumhaften Ausblick! Die letzten 8 Kilometer der Etappe geht es „nur“ noch bergab. Was heißt hier „nur“? 1000 Meter abwärts auf nur 4 Kilometer!. Eine Qual für die Oberschenkel! Ich bin heilfroh, als ich nach 7:55 Stunden in Fleurier einlaufe und das Ziel in der Ortsmitte erreiche.

Auf der vierten Etappe nach La Chaux de Fonds herrscht von Beginn an ein höheres Anfangstempo, als dies bei den ersten drei Etappen der Fall war. Da gestern ein paar Läufer das Zeitlimit überschritten haben, führt der Veranstalter heute beim 2. Verpflegungspunkt eine zusätzliche Deadline ein. Beim Swiss Jura Marathon gilt es, in der Stunde ca. 7 Kilometer zu laufen. Das hört sich für einen Citymarathonläufer erschreckend langsam an. Doch was bei einem Flachlandlauf sicherlich sehr viel Zeit bedeutet, ist bei einem mehrtägigen Berglauf wie dem Swiss Jura alles andere als großzügig bemessen. Auch heute gilt es wieder, einige Höhenmeter (2020 Meter) zu überwinden. Es stehen zwar keine großen Berge im Vergleich zu gestern auf dem Programm. Dafür gibt es immer wieder kürzere, aber sehr steile Anstiege. 

Gegenüber den Vortagen zeigt sich am heutigen Tag die Sonne und sorgt für sommerliche Temperaturen. Bei Kilometer 27 erreichen wir die 175 Kilometer Marke, was die Hälfte der gesamten Strecke bedeutet. Dies wird vom Helferteam mit zusätzlichen Keksen honoriert. Doch trotz der insgesamt tollen Verpflegung laufe ich heute ein wenig schwerfällig und bin froh, nach 7:18 Stunden im Stadion von La Chaux de Fonds einzulaufen.

Als ich am Donnerstag, wie gewohnt, um 5 Uhr aus meinem Schlafsack steige, fühle ich einen kleinen stechenden Schmerz am linken Schienbein. Ich denke mir nichts weiter dabei und gehe die Etappe wie immer ganz verhalten an. Im weiteren Verlauf verschlimmert sich das ganze, was das Laufen zu einer einzigen Tortur macht. Auch heute beschert uns der Wettergott einen heißen Tag. Da die Strecke deutlich weniger Waldpassagen als an den Vortagen beinhaltet, spürt man die Sonne noch intensiver. Beim langen Anstieg auf den Chasseral hat man einen sagenhaften Ausblick! Die schneebedeckten Gipfel der Alpen, unendliche Weideflächen und den Bieler See kann man erblicken. Ich genieße diese traumhaften Augenblicke in vollen Zügen! 

Die verbleibenden knapp 20 Kilometer führen größtenteils bergab. Dabei passiert man zahlreiche Wiesenabschnitte, die technisch gut zu bewältigen sind. Hier kann man es im wahrsten Sinne des Wortes „laufen“ lassen, wenn man noch die Kraft dazu hat. Die nötige Energie besitze ich, nur der Schmerz am linken Schienbein machen die letzten Kilometer zur einer einzigen Qual für mich. Kurz vor dem heutigen Zielort Biel läuft man an einer imposanten Schluchtenlandschaft vorbei, doch dafür habe ich leider keine Augen mehr. Ich bin wie erlöst, als ich endlich die heutige Etappe beenden durfte.


Nach einer unruhigen Nacht muss ich feststellen, dass das linke Schienbein stark angeschwollen ist. Nachdem ich auf der heutigen 6. Etappe nach dem Startschuss ein paar Meter gelaufen bin und jeder Schritt höllisch schmerzt, lasse ich die Vernunft siegen und beende schweren Herzens den Lauf. Soll ich die Signale meines Körpers ignorieren und mich heute und morgen weitere 100 Kilometer quälen? Die Antwort lautet ganz klar: Nein! Es ist die absolut richtige Entscheidung! In gut 7 Wochen geht es nach Chamonix zum Ultra Trail du Mont Blanc – meinem Saisonhighlight. Auch weil mir dieses Ziel wichtiger ist, kann ich auch mit 5 gelaufenen Etappen beim Swiss Jura Marathon gut leben. 

Fazit: Ich durfte eine tolle Woche im Schweizer Jura verbringen! Der Swiss Jura Marathon bedeutet – auf einen Nenner gebracht - pures Laufvergnügen durch traumhafte und vielseitige Landschaften, verbunden mit intensiven Kontakten zu Mitläufern, eingebettet in eine perfekte Organisation. Auch wenn mir der Zieleinlauf in Basel in diesem Jahr verwehrt blieb, kann ich diese Laufveranstaltung jedem empfehlen!

 


 
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