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Laufberichte

Across the years

01.01.07

Maria und Rainer Satzinger's sommerlicher Wintertraum

 

Across the years zu laufen war schon seit langem Marias Idee. Zuhause jedoch waren wir immer zu faul oder es war zu kalt, irgend etwas fiel uns immer ein, um nicht hinaus in die Neujahrsnacht zu laufen. Endlich fanden wir mehr zufällig das richtige Umfeld zur Umsetzung der Idee: Den Across The Years (ATY) in Phoenix, Arizona.

 

Beim ATY können wahlweise 24, 48 oder 72 Stunden gelaufen werden, Start ist am 29. Dezember um 9 Uhr morgens. Der Lauf findet in Nardini Manor, einem alten Herrenhaus außerhalb von Phoenix statt. Da der Besitzer selbst ein begeisterter Ultraläufer ist, hat er einen 500 Meter langen Rundkurs um das Anwesen anlegen lassen. Beim Einchecken bekommt jeder Teilnehmer ein Funktionsshirt und ein Kapuzenshirt mit dem ATY-Logo. Jeder Läufer wird auch mit einem Chip ausgestattet, sodass die gelaufenen Runden automatisch erfasst und Tag und Nacht live auf einer Leinwand dargestellt werden können. Als Camp steht den Läufern ein riesiges beheiztes Zelt zur Verfügung, indem man sein eigenes kleines Zelt aufstellen oder einfach nur ISO-Matte und Schlafsack ausbreiten kann. Medizinische Versorgung und Massagen im Zelt, sowie Verpflegung an der Strecke stehen rund um die Uhr zur Verfügung.

 

Rund 60 Läufer stehen am Start. Rainer ist unter den 72 Stundenläufern, Maria wird erst am nächsten Tag die 48 Stunden angehen. Es ist noch recht kühl, aber herrlichster Sonnenschein. Das Wetter wird während des gesamten Rennens traumhaft sein. Tagsüber knapp an die 20 Grad, nachts um den Gefrierpunkt. Die meisten lassen es gemütlich angehen, manche rennen aber auch los, als wollten sie einen neuen Weltrekord aufstellen. Nach wenigen Stunden schon stellt sich heraus, dass der 500 Meter Rundkurs schwierig zu laufen ist. Im Gegensatz zu einem 100 Meilenlauf auf der Route 66 vor 6 Wochen, wo die Meilen sprichwörtlich nur so vorbeiflogen, läuft der Rundenzähler hier nur sehr langsam.

 

Alle 2 Stunden wird die Richtung gewechselt, um einseitige Belastungen zu vermeiden. So vergeht Stunde um Stunde, Runde um Runde. Die Läufer werden bestens versorgt mit Wasser, Elektrolytgetränken, Tee, Kaffee, Obst, Riegeln, Gels, Nüssen, Plätzchen und warmen Snacks wie Käsetoast, Pizza, Cordon Bleu, Tortillas, Pancakes und verschiedenen Suppen.

 

Um 19 Uhr wird es dunkel, die Nacht wird kalt und lang. Es wird 12 Stunden dunkel sein, trotzdem kann man auf Stirnlampen verzichten, da die Runde ausreichend beleuchtet ist. Um 1 Uhr nachts eine erste Schlafpause. Manche bleiben die kompletten 72 Stunden wach und machen nur kurze Pausen zum Umziehen. Für uns ist es Neuland, ein vorsichtiger Beginn erscheint ratsam. Nach der Pause sieht die Welt wieder anders aus und weiter geht’s im Kreis, Runde für Runde. Nach den ersten 24 Stunden sind nur 111 Kilometer auf Rainers Konto. Nichts im Vergleich zu einem 24 Stundenlauf, aber 2 weitere Tage und Nächte sollen ja noch folgen.

 

Um 9 Uhr starten die nächsten 24 und 48 Stundenläufer, auch Maria ist jetzt dabei. Wir laufen viel gemeinsam. Für Unterhaltung ist bestens gesorgt, wer die amerikanische Art kennt, weiß, dass man immer angesprochen wird, zudem sind zwei weitere Deutsche am Start. Maria lässt es ebenfalls langsam angehen, die 48 Stunden ist auch sie noch nicht gelaufen. Auch unser Rennarzt, Andy, 71 Jahre alt, marschiert 72 Stunden lang mit. Als Rainers Knie schmerzt, unterbricht Andy seine Kreise für eine Behandlung. Das Problem wird von einem verspannten Muskel verursacht. Andy ist Experte auf diesem Gebiet und löst die Verspannung mit wenigen Handgriffen. Einige Runden später sind die Knieschmerzen weg. Es geht wieder richtig rund! Trotzdem wollen die Kilometer einfach nicht von selbst kommen, sie wollen erarbeitet werden!

 

Die nächste Nacht wird noch kälter, die Autos am Parkplatz sind morgens weiß gefroren. Es ist fast Vollmond. Um den Mond herum ist ein klares, rundes Fenster in der Atmosphäre, außerhalb sind dichte Eiskristalle, die im Mondschein hell erscheinen und den Mond wie ein Heiligenschein einrahmen. Die Müdigkeit nimmt zu. Nachdem wir uns keine ehrgeizigen Ziele gesetzt hatten, machen wir beide Schlafpausen. Ausgeruht läuft es sich viel besser! Nach 48 Stunden hat Rainer 191 Kilometer auf seinem Konto, Maria nach 24 Stunden 113 Kilometer.

 

Der letzte Tag beginnt. Mittlerweile hat man sich an den Ablauf gewöhnt, alles wird Routine und trotzdem macht es immer noch riesigen Spaß. Die vielen Geschichten und Erfahrungen, die die Mitläufer erzählen, lassen die Stunden wie im Flug vergehen. Wir sind alle eine Familie geworden. Der Tag vergeht schnell und die letzte Nacht, die Silvesternacht bricht herein. Alle möglichen Dinge werden um uns herum vorbereitet und wir sind schon gespannt. Endlich, kurz vor Mitternacht versammeln sich alle Läufer und Betreuer neben dem Zelt. Jeder bekommt einen lustigen Hut und eine Pfeife. Es gibt Punsch und Sekt und ein Feuerwerk. Bei uns ist richtig was los im Gegensatz zum nahegelegenen Phoenix, wo man kaum eine Rakete sehen kann.

 

Gemeinsam marschieren nun alle eine Runde ins Neue Jahr und schon geht’s wieder weiter wie vorher.

 

Noch einmal gönnen wir uns ein paar Stunden Schlaf und marschieren dann gemeinsam die letzte Stunde. Im Ziel wartet schon der Racedirektor, der jeden Läufer umarmt und beglückwünscht.

 

Den krönenden Abschluss bildet ein reichhaltiges Lunchbuffet mit anschließender Siegerehrung. Jeder ist hier ein Sieger und wird nochmals vom Racedirektor beglückwünscht. Dazu gibt es Gürtelschnallen für mehr als 100 gelaufene Meilen in Bronze und für mehr als 200 Meilen in Gold.

 

Maria kommt auf 375 Runden oder 187,5 km und landet damit auf Platz 14 von 25 Läufern, Rainer auf 508 Runden, bzw. 254 km und Platz 17 von 35. Die Sieger haben 285 km im 48 Stundenlauf und 462 km im 72 Stundenlauf erzielt.

 

Wir sind glücklich! Wir haben unseren Traumlauf ins Neue Jahr verwirklicht und dabei viele neue Freunde gewonnen.

 


 
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