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Laufberichte

758 Kurven beim Budweiser Mercury Marathon

24.01.15

Will man als Österreicher im Jänner einen offiziellen Marathon laufen, muss man das Land verlassen. Heuer fahre ich deshalb nach Südböhmen. Ich habe einen der 130 Startplätze beim Budweiser Mercury Marathon ergattert der bereits in sein 8. Jahr geht und zum Südböhmischen Laufcup gehört.

Budweis (= České Budějovice, 94.000 Ew) hat eine denkmalgeschützte, sehr schöne Altstadt mit Preisen in der rauchfreien Gastronomie, die einem Drittel der in Oberösterreich entsprechen. Anfang Juni 2014 bin ich hier mit 2.000 anderen einen Halbmarathon gelaufen, das war eine tolle Sache. Es siegte Kamworor Geoffrey Kipsang in 1:00:09, das deutet auf eine ziemlich schnelle Strecke hin. Der Start am Ottokar-II-Přemysl - Platz war um 19h, man lief quasi in den Sonnenuntergang. Dieser HM wurde und wird von RunCzech organisiert, das sind dieselben Leute, die u. a. auch den immer beliebter werdenden Prag Marathon veranstalten.

Vom Ottokar-II-Přemysl - Platz werde ich im Zuge des heutigen Marathons nichts sehen. Der ist von der Rennstrecke zwar nur 1km entfernt, liegt aber zwei Stockwerke höher. Denn der Budweiser Mercury Marathon findet in der Tiefgarage des Einkaufszentrums statt.

Wenig mehr als eine Stunde fährt man von Linz nach Budweis, der Start soll um 10h erfolgen. Mit dem Auto geht sich da locker ein Heimschläfer aus. Mike ist wieder einmal mit von der Partie. Dichtes Schneetreiben vor der tschechischen Grenze bei -2°C. Kein Wunder, hier fährt man an der Wallfahrtskirche Maria Schnee vorbei und wir überqueren soeben die europäische Wasserscheide zwischen Moldau und Donau.  

Die Straße nach Budweis quert mehrmals die Trasse der ehemaligen Pferdeeisenbahn.

Kurz vor 8h erreichen wir das Mercury EKZ. Damit bekommen wir noch einen Parkplatz an der Rennstrecke. Ein Ordner macht für uns die Rampe ins 2. Tiefgeschoss frei. Die nächsten paar Stunden ist mir das Wetter egal. Eine in freundlichem rosa gestrichene, hell erleuchtete Parkebene tut sich auf. Blitzsauber ist es da, kein bisschen Schmutz! Wie in einem Labor!

Gut belüftet, Null Höhenmeter, kein Eis, kein Regen, kein Wind, kein Sand und konstant 13°C. 63 „Runden“ werden in Form eines großen „E“s gelaufen, das ergibt 756 Kurven, zu Beginn ein Startstück mit 2 Kurven, sodass die Marathondistanz zusammen kommt. Im Gegensatz zu den üblichen Marathons hat man hier nicht viel Luftraum nach oben. Teilnehmer sollten keinesfalls grösser als 2m sein, denn stellenweise sind zwischen Boden und Decke nur 210cm Luft. Ich bin keine 2m und entspreche somit dem Anforderungsprofil der Veranstaltung.

Noch zwei Stunden bis zum Start. Im Nu haben wir die Startnummern und dann Zeit, uns zu akklimatisieren. Die ersten Geschäfte im EKZ haben bereits geöffnet. Man kann Frühstück kaufen, es gibt reichlich Sitzgelegenheiten und sanitäre Anlagen - alles, was man braucht, sogar ein Sportartikelgeschäft.

Einige mittlerweile gute Bekannte treffe ich vor dem Start. Da sind welche dabei, die sind richtig schnell, beispielsweise Daniel mit Startnummer 1 und Miroslav, der war auch noch jedes Mal vor mir im Ziel. Stanislav ist zuversichtlich, dass es mir gefallen wird, denn er läuft bereits zum 6. Mal hier. Seine Frau läuft heute auch mit.

Noch bevor der Start erfolgt, ist der Fanklub aus Linz eingetroffen. Vor allem sind Tschechen am Start, aber auch LäuferInnen aus Polen, der Slowakei, Bayern und Österreich. Die Veranstaltung hat sich in den letzten Jahren schon einen gewissen Ruf erworben.

Die Meute, bestehend aus 104 Startern, begibt sich zur Startlinie. Countdown, pünktlich um 10h erfolgt der Start. Geradeaus los, U-turn, auf der Gegengerade vorbei an den abgestellten Autos, Linksknick und erste Zwischenzeit, auf die Tausendstel Sekunde genau. Hier muss jeder 64x vorbei, dann ist er im Ziel.

Nach dem nächsten Linksknick befindet sich an der rechten Wand ein Regal, hier konnte jeder nach Lust und Laune seinen persönlichen Versorgungsposten installieren. Hier wird auch spürbar frische Luft zugeführt, erstaunlich geräuschlos geht das. An der nächsten Stirnseite eines der beiden Dixie-Klos, U-turn, nun Richtung Zeitnehmung, U-turn und die beiden Labestellen, auf jeder Streckenseite eine.

Da so eine 180°-Kehre einen Durchmesser von etwa 10m aufweist, die Länge von zwei PKW-Abstellplätzen, kann man ganz gut den Schwung mitnehmen. Die 90°-Kurven sind sowieso kein Problem. Dann komme ich zu meiner Labestelle, das ist der Kofferraum meines Autos, praktisch. Die Strecke kenne ich nun. Dass ich nur etwas die Hand zu heben bräuchte, und jederzeit Sprinkleranlagen oder Lüftungsschächte berühren könnte, stört mich nicht. Es ist hoch genug. Ich kann laufen, ohne das Gefühl zu haben, den Kopf einziehen zu müssen.

Als ich nun zur Zeitnehmung komme, hat sich der Starthaufen aufgelöst. Ein großer Bildschirm zeigt an, wie viele der 64 Runden man gelaufen ist, die aktuelle Platzierung und die bisher gelaufene Zeit. Wenn es einem zu schnell geht oder man abgelenkt ist, hat man ein paar Meter später noch einmal die Chance, einen Blick darauf zu werfen. Mittels Beamer wird dieses Bild auch riesengroß auf die Garagenwand projiziert.

Ich bin zwei Runden gelaufen, da haben Daniel Orálek und Radek Brunner bereits drei hinter sich. Das Überrunden fängt ja bald an, überrascht mich aber nicht, das war so zu erwarten.

Für die schnellen Läufer sind eine Menge beweglicher Hindernisse auf der Strecke.
Da ich nicht ganz zu den Letzten gehöre, kann ich meinerseits immer wieder mal überrunden.

Meine Rundenzeit pendelt sich bei 3’35“ - 3’45“ ein, das läuft bei 666m/Runde auf etwas unter zwei Stunden für den ersten Halbmarathon raus. Noch bei keinem Marathon bin ich so exakt über meine momentane Platzierung  im Rennen informiert worden. Alle 666m bekomme ich den aktuellen Stand.

Nach 80min nehme ich mein erstes Power-Gel zu mir. An den beiden Labestellen gibt es Wasser und sehr stark verdünntes Iso, das bringt mir zu wenig Energiezufuhr. Zumal immer nur ganz, ganz wenig eingeschenkt ist. Ich hole mir aus dem Kofferraum eine Flasche Powerade und platziere sie griffbereit am Selbstversorgerregal. In der 24. Runde fangen meine Oberschenkelmuskeln an, sich zu melden. Dann auch die Gesäßmuskeln, es wird unangenehm, nur ja nicht verkrampfen. Tags zuvor hat der Weltrekordhalter über 5km und 10km, Kenenisa Bekele, in Dubai bei km30 wegen solcher Probleme aufgeben. Das soll mir nicht passieren.

Wie in Tschechien üblich, gibt es bei den Labestellen ein Tellerchen mit Salz. 3 Runden lang nehme ich jeweils eine Prise davon und nehme das Tempo raus. Gert fragt mich, ob ich sonst was brauche? „Neue Beine wären nicht schlecht!“

Es dauert ein paar Runden, und meine Situation verbessert sich. Mit dem Tempo kann man vieles regeln. Für einen Spitzenläufer kommt das natürlich nicht in Frage, für mich schon.

Meine Rundenzeiten gehen in Richtung 4min. Nach ziemlich genau zwei Stunden habe ich die halbe Distanz bewältigt.

Längst erkenne ich einige Läufer schon am schlurfenden Schritt oder am keuchenden Atem. Es gibt wirklich zahllose Laufstile. Einer fuchtelt immer mit der linken Hand, einer verspritzt ständig Schweiß. Andrerseits werden mir auch die vertraut, die ich überhole. Man erkennt genau, wer schon stark nachgelassen hat und wer noch nicht.

Im Bereich der Zeitnehmung wird es merkbar unruhiger. Das Rennen ist nun zweieinhalb Stunden alt. Wie ich am Bildschirm sehe, ist der Führende bereits in seiner 62. Runde. Die Zuseher sind nun etwas mehr geworden. Als der Sieger, Radek Brunner, nach 2h34’47“ die Ziellinie passiert, habe ich noch 22 der 64 Runden vor mir.

Auf der Anzeigentafel kann man gut verfolgen, wer bald ins Ziel kommen wird und wer soeben gefinisht hat. Vom Sprecher werden die AK-Sieger hervorgehoben. Er hat eine sehr angenehme Stimme. Auch wenn ich nichts verstehe von dem was er sagt, er verbreitet schon die ganze Zeit eine gute Stimmung damit. Begleitmusik bleibt uns erspart, die wäre bei dieser Akustik auf Dauer sicher unerträglich.

Noch ein weiteres Mal mache ich einen Tankstopp bei meinem Auto. Von 4min / Runde kann ich mittlerweile nur mehr träumen, aber ich komme voran. Je mehr schnelle Läufer wegfallen (längst ist auch Mike im Ziel), umso schneller komme ich mir vor. Šarka ist sogar so  schnell, dass sie ihren Zieleinlauf verpasst. Mitte ihrer 65. Runde wird sie abgefangen und mit der Medaille dekoriert. Kurz darauf bin plötzlich ich der schnellste Läufer im Rennen. „Noch 1 Runde, du bist auf dem sicheren 85. Rang!“, informiert mich Mike.

Was ich hier vermisse: üblicherweise werde ich bei einem Marathon die letzten ein, zwei km förmlich ins Ziel gesaugt und immer schneller. Hier nicht, zu gleichförmig waren die letzten Stunden. Dennoch bin ich froh ins Ziel zu kommen, wo mir von vielen Seiten herzlich gratuliert wird. Die Finishermedaille symbolisiert einen Einkaufsbeutel, das Logo des Mercury Einkaufszentrums.

Ich winke Stanislav zum Abschied zu. Er war nach 3h30 im Ziel und macht nun seiner Frau den Schrittmacher. 

Nachdem ich umgezogen bin, gibt es ein spätes warmes Mittagessen, Geschnetzeltes mit Penne und ein Gratisgetränk. Hinterher machen Mike und ich einen Verdauungsspaziergang durch die Budweiser Altstadt. Viel geschneit hat es nicht mehr, seit wir frühmorgens abgetaucht sind. Wärmer ist es auch nicht geworden. Das darf Ende Jänner aber auch so sein.

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Sieger:
1. Brunner Radek  2:34:47
2. Orálek Daniel     2:40:10
3. Hostička Jan      2:48:08

Siegerinnen:
1. Gruberova Marketa 3:33:17
2. Kohoutová Věra      3:37:56
3. Bayerová Lenka      3:45:05

 

Um das Startgeld von  € 15,- gibt es einen gut gefüllten Starterbeutel mit Obst, Getränken und Schokoriegel, Gratisparkplatz an der Rennstrecke und eine warme Mahlzeit nach dem Marathon

 


 
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