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Laufberichte

24-Stunden-Lauf Monaco

25.11.06

"No Finish Line“ 24-Stunden-Lauf  Monaco 25.-26.11.2006


Zum Fürstentum Monaco fallen mir spontan drei Dinge ein: Der Hafen, die Grimaldis und die Formel-1. Beim "No Finish Line" 24-Stundenlauf, in eben dieser kleinen Steueroase, stößt man auf alle drei.

 

Vorgeplänkel:

 

In der Absicht, mir zum Ende eines veranstaltungsreichen Jahres noch einen Absacker-Lauf zu gönnen, stoße ich im Frühjahr auf eben diesen "No Finish Line" Wohltätigkeits- und 24-Stundenlauf. Der Lauf ist eigentlich nur der Schlusspunkt einer insgesamt einwöchigen Laufveranstaltung, bei der sich im Hafen von Monaco sprichwörtlich alles um eine 1,6-Km-Runde (beim 24-h-Lauf 1-Km-Runde) dreht. Innerhalb dieser Woche laufen alle Teilnehmer so oft und so lange sie können und mögen ihre Runden, und ringen den Sponsoren damit pro gelaufenem Kilometer 1 Euro für die Hilfsorganisation "Children & Future" ab.

 

Immerhin kommen in der Woche über 84.000 Euro zusammen. Prinz Albert II und Prinzessin Stéphanie von Monaco sind die Schirmherren des Laufes. Für gewöhnlich habe ich wenig Interesse an den Stars der Zeitschriften "Das goldene Blatt" und "Gala", aber diese beiden geben der Veranstaltung zweifellos den gebührenden Rahmen, den die Medien und die Sponsoren benötigen.

 

Während sich über die Woche verstreut mehr als 3000 Teilnehmer beteiligen - vom Gelegenheitsjogger bis zum Ultraläufer -, ist der 24-Stundenlauf von Samstag auf Sonntag mit 40 Athleten bestückt. Darunter die Franzosin Christine Bodet, Gewinnerin des letztjährigen 6-Tage-Laufes in Erkrath, und der Finne Janne Kankaanyrjä, diesjähriger Gewinner des Deutschlandlaufes DL 06 ("Hey, we'll meet us in Monaco again"). Ein insgesamt starkes Feld, aber das ist mir egal, weil 2 Monate nach dem Deutschlandlauf, und wenig intensiver Vorbereitung auf einen 24er, erwarte ich keine persönlichen Rekorde.

 

Mitmachen und den Lauf geniessen.

 

Die frühe Buchung der Flugverbindungen macht es möglich, dass die Reisekosten für Tochter Nele (als Betreuerin) und mich gering bleiben. Außerdem kann das Zeitfenster vor Ort beliebig eng gesteckt werden, was wiederum Übernachtungen einspart. Urlaub habe ich nämlich kaum noch, und Monaco ist nicht gerade für seine Schnäppchenpreise bekannt. Vor Jahren waren wir mal im Urlaub für einen Tag dort, und da wollten sie für das Parkplatz-Tagesticket schon 90 Euro haben. Von den Preisen für ein Eis mal ganz abgesehen ...

 

Hinfliegen, leiden, zurückfliegen - perfekt!

 

Freitagnachmittag:

 

Nachdem der Flieger in Nizza gelandet ist, treffen wir uns am Airport mit Claudia, um gemeinsam mit dem Taxi nach Monaco weiter zu fahren. Nach einer 30-minütigen Fahrt stehen wir schließlich direkt vor dem Parcours am Hafen. Ihr Partner Thomas (Mitglied der 24-h Nationalmannschaft) ist bereits vor Ort; er läuft schon seit Anfang der Woche hier, wird ab jetzt jedoch Claudia betreuen. Beide sind durch ihre letzt jährige Teilnahme mit dem Ablauf des "No Finish Line" bestens vertraut.

 

Die Formalitäten sind rasch erledigt. Michel Gramaglia und Philippe Verdier von Children & Future waren im Vorfeld schon per E-Mail sehr auskunftsfreudig und hilfsbereit - vielen Dank dafür. Letzte offene Fragen zum Ablauf werden in Frenglisch abgeklärt.

 

Statt der Auslandsüberweisung sollte ich das Startgeld doch einfach hier vor Ort entrichten; für 40,- Euro + freiwillige Spende ist man dabei. Die bei den Franzosen übliche Gesundheitsbescheinigung habe ich natürlich vergessen. Rasch wird eine handschriftliche Erklärung über meinen hervorragenden gesundheitlichen Zustand abgefasst und unterschrieben. Startnummer, Leihchip und T-Shirt wandern in den Rucksack.

 

Nele und ich nehmen die Hafenrunde in Augenschein, beobachten die Läufer, die schon seit Wochenbeginn unterwegs sind und erkunden unseren Arbeitsplatz für morgen. Klappstuhl und Schlafsack haben wir genau so dabei, wie die Verpflegung, denn die soll etwas dürftig sein - was sich im nachhinein jedoch als Fehlinformation erweist. Ich treffe Claude Hardel, und parliere ein wenig mit dem Ex-Führenden des 6-Tage-Laufes. Er musste verletzt aussteigen und supportet nun Christine Bodet. Beide sind sehr erfahrene Mehrtages-Läufer und ohne Zweifel ein Tipp für das Treppchen.

 

Es ist 14:00 Uhr und William Sichel steht mit 770,247 km als Sieger des 6-Tage-Laufes fest. Händeschütteln. Anschließend geht es zu Fuß zum Hotel. Einige Yachten sind im Hafen so prachtvoll, dass man vom Startgeld eigentlich auch noch den Eintritt zur Boot-Messe in Düsseldorf abziehen müsste. Auch der Fuhrpark davor ist sehenswert: Lamborghini, Ferrari, Maserati, Rolls-Royce - Monaco ist eben Monaco, und ohne Applausrunde im Hafen scheint es nicht zu gehen.

 

Beim abendlichen Spaziergang queren wir dann die Hauptstrasse, die beim Formel-1 Grand-Prix die Start-/Zielgerade ist - direkt zwischen Rascas-Kurve und Schwimmbad. Heiliger Boden, wenn man auf Motorsport steht. Die weißen Markierungen der Startaufstellung sind noch deutlich zu sehen. Wahnsinn! Wahnsinn deshalb, weil bei der baulichen Enge hier maximal Carrera-Bahn gefahren werden kann, sollte man meinen. Die Schaufenster sind auch Wahnsinn: In jedem steht oder hängt ein Bild mit Prinz Albert II. Ob beim Bäcker, beim Juwelier, in der Bank - in jedem!

 

Samstag, Start 08:00 Uhr.

 

Es nieselt leicht. Die deutschen Teilnehmer - Claudia Weber, Jürgen Wenning, Jürgen Wetzel und ich - sowie Janne aus Finnland finden unter einem Brückenbogen den idealen Platz für unsere Eigenverpflegung. Etwas Wind- und Regenschutz kann nicht schaden.

 

Prompt regnet es stärker. Zur Startaufstellung sogar so heftig, dass eine halbe Runde nach dem Startschuss die Schuhe "durch" sind - pitschnass. Innerhalb der ersten 4 Stunden muss ich 4x die Socken und 3x die Schuhe wechseln, dann lässt der Regen nach. Die Füsse sind komplett aufgeweicht; ein anfängliches Umlaufen der Pfützen macht irgendwann keinen Sinn mehr. 

 

Eine Runde ist 1 Kilometer lang. Von den Zählmatten aus geht es leicht bergauf, dann auf eine Wendestrecke, direkt am Hafenbecken entlang und zurück, leicht bergab, hinein in die Zeltstadt, bestehend aus Verpflegungsständen, Orgahäuschen, Massage- und weiteren Funktionszelten. Darauf folgen die Wohncontainer der 6-8-Tageläufer, unsere Brückenbogenpassage, Pflaster rund um die Container des Yachthafen-Clubs und wieder auf die Zählmatten zu. 1 mal, 10 mal, 42 mal, 100 mal ... jede Runde 1 Kilometer - einfache Rechnung!

 

Einen 24-Stundenlauf zu beschreiben ist schwer. Es ist - eine gewisse Kondition vorausgesetzt - mehr eine mentale Disziplin. Die Kunst ist, über so viele Stunden mit sich selbst klar zu kommen. Natürlich lenken einen die Geschehnisse rundherum ab, aber Stunde um Stunde werden die Scheuklappen größer und, zumindest bei mir, stellt sich nach wenigen Stunden eine angenehme Art Trance ein - ein Rausch-Zustand.

 

Nach 10-12 Stunden tun zwar der Nacken, der Rücken oder die Gelenke weh, aber vom Prinzip her könnte man weiterlaufen bist man tot umfällt. Das ist etwas sehr Schönes, aber auch sehr Gefährliches. Man muss versuchen, das im Griff zu haben, indem man isst, ausreichend trinkt, das richtige Tempo wählt und in den Körper hineinhört. Durch diese Trance-Wolke hindurch brauche ich daher immer 2-3 Gucklöcher in die Realität. Wer das kann, erlebt dies als etwas Wunderbares. Wer das nicht kann, fühlt sich enttäuscht oder läuft Gefahr, sich weh zu tun.

 

Die Nacht bricht herein und mit ihr weichen die hässlichen 70er-Jahre Baussünden einem Meer aus Lichtpunkten, die die Bucht und den Hafen umringen. Der Anblick ist phantastisch und übertüncht die aufkommende Mattheit. Auch jetzt protzt die Stadt wie keine Zweite. Die Beleuchtung der größten Yacht - die Alysia – reicht, um die Hälfte der Wendestreckenpassage auszuleuchten.

 

Nach 10 Stunden dann eine Katastrophe: Die Champion-Chip-Matten fallen für ca. 50 Minuten aus. Startnummern und Strichlisten feiern ihr Comeback. Ob es an den massiven Regenfällen am Morgen, oder den mittlerweile 80.000 Betretungen lag, lässt sich nur vage vermuten. Die Techniker bekommen das Problem zwar wieder in den Griff, doch alle Läufer achten ab nun verstärkt auf die Auslösung.

 

Nele schicke ich in den wohlverdienten Schlaf. Im Container des Yachtclubs sind dazu Schlafgelegenheiten hergerichtet. Einige Teilnehmer nutzen dieses Angebot und legen sich für wenige Stunden hin. Wer jedoch gut abschneiden will, macht durch. Thomas verpflegt und betreut mich mit, reicht mir Kaffee, gibt Zwischenergebnisse durch, macht Faxen, spricht Mut zu - Danke!

 

Die Oberschenkel sind inzwischen dick und ein paar Gehrunden unvermeidbar. Hier und da kommt man mit den Franzosen ins Gespräch, und einige von ihnen erbarmen sich angesichts meines Schulfranzosisch und schalten auf Englisch um. Läufergeschichten wechseln den Besitzer. Eine Blase unter dem linken Fuß ist die Quittung für den Regen am Morgen. Jürgen Wetzel steigt aus und verabschiedet sich.

 

Die Müdigkeit ist zwischen 02:00 und 04:00 Uhr am brutalsten. In der Dixi-Toilette nicke ich im Stehen am Urinal für einen Sekundenbruchteil kurz ein und stoße mir fast den Kopf an der Wand. Noch ein Red Bull - und weiter im Kreis. Die Beine sind schwer und einige der Läufer sehen immer noch taufrisch aus - wie machen die das? Thomas' Logik ist mal wieder bestechend: "Warte ab. Ein 24h-Lauf entscheidet sich erst nach 16 oder 18 Stunden, sonst wäre es ja ein 12h-Lauf!" Er hat ja recht, und ich weiss das auch, aber manchmal braucht man eben jemanden, der von Außen auf die Dinge schaut. Weiter geht's - Runde um Runde.

 

Sonntag, Ziel 08:00 Uhr.

 

Wie immer gehen auch solche Nächte vorbei und in der letzten Stunde wird es noch einmal richtig voll auf der Strecke, bevor um 08:00 Uhr endlich Feierabend ist. Mit 176,00 Kilometern und dem 6. Platz insgesamt, bin ich mehr als zufrieden.

 

Leider sind die Söhne von Stéfanie nicht mehr aufgetaucht, und so bot sich keine Gelegenheit, Nele mit ihnen zu verkuppeln. Aus der Traum vom "Berufs-Schwiegervater" - ich werde Montag doch wieder zur Arbeit gehen müssen.

 

Ergebnisse 24h-Lauf

Frauen:

1. DAVID BODET Christine 201,792 km
2. WEBER Claudia 164,749 km
3. BARTOLOZZI Carol 146,000 km

 

Männer:

1. MAGROUN Mohamed 244,730 km
2. KANKAANSYRJÄ Janne 214,250 km
3. REAL PEREZ Manuel 208,000 km
4. AGOSTA JEAN CHRISTOPHE 191,000 km
5. VIELER Jens 176,000 km
...
16. WENNING Jürgen 135,000 km
(WETZEL Jürgen nicht in der Ergebnisliste)


Ergebnisse 6-Tage-Lauf

Frauen:

1. Patricia Leblanc 501,516 km
2. Anne de Laroche 461,736 km
3. Nathalie Lamoureux 437,220 km

 

Männer:

1. William Sichel 770,247 km
2. Peter Kluka 658,368 km
3. Christophe Laborie 606,096 km

 


 
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