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Laufberichte

Mein erster langer Berglauf

27.10.07
Autor: sinchen

50 km, 1100 Hm und jede Menge schöner Landschaft versprach dieser Lauf. Ich war bisher nur flache Stadtmarathons gelaufen und habe in diesem Jahr nach dem harten Marathontraining für Kandel bewusst Abwechslung und trotzdem Herausforderung gesucht. Bei einem solchen Lauf wie dem Albmarathon konnte man sich keine km-Zeiten vornehmen. Dementsprechend verlief auch mein Training ohne vorgegebene km-Zeiten etwas anders als sonst. Als ich das erste Mal den Lauf zu Hause erwähnte, war es für Acki noch undenkbar teilzunehmen. Nach seinen Knie-OP’s und den ersten Läufen lag maximal der 25 km – Lauf in greifbarer Nähe. Wie schön, dass er über Sommer so fit wurde, dass wir gemeinsam das große Ziel angehen konnten. 

Wir reisten also am Freitag an und bezogen unser Hotel. Es war ein Motel (man konnte das Auto direkt vor der Zimmertür parken) und versprach „Wohnen wie zu Hause“. Zunächst roch es drinnen nach einer Mischung aus Pferd und kaltem Rauch  – schien aber sonst für unsere Zwecke OK. Wir wollten eh gleich wieder in die Stadt und zur Startnummerausgabe. Zuvor haben wir aber noch auf Gero’s Tipp hin das Münster in Schwäbisch Gmünd besichtigt, was wirklich sehenswert war (obwohl ich mich in Kirchen eher unwohl fühle – aber das ist eine andere, lange Geschichte…).

Bei der Startnummerausgabe im s.g. Prediger lief ein Film vom Lauf aus 2006. Der Film war ziemlich lang und zeigte ganz schöne An- und Abstiege. Ich sah ihn mir an, wurde immer stiller und fand erstmals, dass 50 km wohl ganz schön weit seien…  Überhaupt war ich nach dem vielen sitzen im Auto und der Kälte draußen richtig steif geworden und konnte mir so gar nicht vorstellen, so weit zu laufen.  Andererseits freute ich mich aber auch auf dieses Abenteuer mit so vielen Unbekannten.

Zunächst aber meldete sich der Hunger – ich wollte gern was Schwäbisches essen und dachte mir Maultaschen in leckerer heißer Brühe aus. Wenn man sich erstmal auf so was versteift hat, will man auch nichts anderes mehr - aber auch nach mehrmaligem Umrunden des Marktplatzes (der sehr schicke Häuser und eine ungewöhnlich hohe Apothekendichte besitzt) fanden wir nix außer Pizza – und Hamburgerläden.  Schließlich war mir kalt und wir versöhnten uns mit leckeren heißen Crepes mit Banane und Schokolade. 

In der Nacht habe ich natürlich nicht geschlafen – es war warm und stickig in unserer Behausung (man konnte nur ein Fenster anklappen und die Tür aufzulassen (hab ich mich aber nicht getraut). Ich war aufgeregt und das Kissen zu dünn und überhaupt…

Morgens beim Zähneputzen fiel mir ein Traum ein: Meine Eltern - bereits über 70 Jahre alt – hatten sich zum Berlin-Marathon angemeldet.  Also muss ich wohl doch ein wenig eingenickt sein. 

Wir wollten auf Nummer Sicher gehen und bei km 10, 20, 30 und 40 Eigenverpflegung abgeben. Zu diesem Zweck hatten wir so einen Schüttelbecher mitgenommen und ich begann mit dem Herstellen der Mixtur. Irgendwie hatte ich den Becher wohl nicht richtig geschlossen und die ganze Bescherung landete am Fliesenspiegel, unter den Küchenoberschränken, am Fernseher…  Glücklicherweise alles abwaschbar – aber trotzdem erstmal Panik. Das konnte ja ein Tag werden. 

Nach dem Frühstück, bei dem wir auch noch andere Läufer kennenlernten, ging es dann zum „Prediger“. Die Organisation war wirklich super. Schon am frühen Morgen standen überall im Ort Helfer, die einem den Weg wiesen, es gab viele Hinweisschilder und auch im Prediger stand ein großes Schild mit allen Infos. Es gab einen großen Raum, in dem Startnummern ausgegeben wurde, man frühstücken oder einfach nur sitzen und warten konnte. Auch hier kamen wir bald mit anderen Läufern ins Gespräch. Dabei gab es immer ein Thema: Was ziehe ich an? Ich hatte mich für ein dünnes langes Laufshirt, Weste und Dreivierteltight entschieden. 5 Minuten vor der Angst zog ich mich aber noch einmal um und tauschte das lange gegen ein kurzes Shirt. Dafür hatte ich noch dünne Baumarkthandschuhe mit – was sich als goldrichtig erweisen sollte.

Kurz vor dem Start noch mal Besprechung der Renntaktik. Ich fühlte mich im Starterfeld auf einmal großartig und wollte Ackis Rat – in regenerativem Tempo zu beginnen – nicht befolgen. Wir hatten gut trainiert, die letzten beiden Wochen getapert, uns ordentlich ernährt, ich hatte nicht geschlafen, wir waren aufgeregt, hatten Eigenverpflegung verkippt und welche abgegeben – das konnte doch nur gut werden.  Ich wollte vorsichtig aber zügig laufen und da wir jeder andere Stärken und Schwächen haben, würden wir eben sehen, wie lange wir zusammen bleiben. Es würde also spannend werden. 

Die ersten km waren noch relativ flach und wir hatten einen Schnitt von ca. 5:30 pro km. Dann ging es langsam bergan. Nicht sehr – aber doch stetig. Acki hatte sich zwischenzeitlich von mir verabschiedet, er wollte lieber vorsichtiger laufen und hinter mir bleiben. Ich war gespannt, was noch alles kommen würde. Die ersten Anstiege fielen mir noch relativ leicht und ich versuchte nur, an den ganz steilen Stücken zu gehen. Das Höhenprofil hatte ich mir zwar angesehen, aber nicht so genau. Hatte mir nur eingeprägt, dass es zwischen km 5 und 35 drei Berge zu bezwingen galt und bei km 42 noch einen kleineren. Dann sollte es überwiegend bergab gehen. Nun existierte in meinem Kopf aber die Vorstellung, dass ein Berglauf in etwa so geht: rauf – runter – geschafft.  Aber schon am ersten Berg ging es irgendwie mehrmals rauf und runter. 

Bei der ersten Wendepunktstrecke sah ich , dass Acki ganz kurz hinter mir war.  Bis zur Wendepunktmarke war es so steil, dass ich nur wandern konnte. Die entgegenkommenden Läufer sahen zwar etwas entspannter aus, waren jedoch hochkonzentriert, da sie ja den steilen Weg an den anderen vorbei wieder hinabschießen mussten. Hier überholte mich Acki – er war am Berg eindeutig stärker als ich (dabei hatte ich mindestens 3 x mehr Bergtraining gemacht). Ich kann beim Gehen einfach nicht so große kraftvolle Schritte machen. Auch bergab flog er nur so dahin, dass ich nur staunen konnte. Das hätte er seinen Knien wohl vor einiger Zeit niemals zugetraut. Ich war hier etwas vorsichtiger. Die Blätter sahen rutschig aus und es war ziemlich steil. Die Wege verliefen serpentinenmäßig abwärts – man kam ganz schön in Schwung.

Wenn ich bergauf gehen musste, spannten sich meine Waden fast schmerzhaft an und der Puls stieg in Keuchnähe. Steil bergab taten die Knie und Oberschenkel weh, Puls beruhigte sich wieder und bei den Geradeaus-Strecken lockerte sich dann alles wieder. 

Leider schaffte es die Sonne an diesem Tag nicht, die Wolken zu durchbrechen. Es war ziemlich feuchtkalte Luft und die Temperaturen blieben wohl auch unter 10 Grad. Auch verschleierte oft Nebel die grandiosen Ausblicke. Ich hatte aber genug Fantasie, um durch den Nebel zu blicken. Die Strecke fand ich einfach traumhaft und die Wege sehr gut belaufbar. Die ganze Trailschuhdiskussion im Vorfeld war also wirklich umsonst. Da müsste ich auf meiner Heimstrecke ja nur in Trailschuhen laufen. Zwischendurch dachte ich manchmal, dass der Lauf etwas vom Charme des Burgenlaufes in Belzig hat. Jedenfalls würde es manchem meiner Lauffreunde hier auch gefallen: über Hügel und Felder, durch kleine Orte und auf Berge und immer wieder tolle Ausblicke. Nur Zuckersandstrecken und Kopfsteinpflaster gab es nicht, was ich nicht bedauerte...

Verpflegung war auch 1a. Alle 5 km und immer 200m vorher angekündigt gab es Eigenverpflegung, teilweise angewärmtes (!) Wasser, Tee, Cola, Iso, Hafertrank, Müsliriegel und Bananen.

Nun ging es also auf den zweiten Berg – Acki sah ich nur noch manchmal in der Ferne. Zuschauer gab es unterwegs nur vereinzelt. Aber das erwartet man bei so einem Lauf auch gar nicht. Auf dem Anstieg zum 25 km Ziel stand am Rand eine Frau mit unbeweglicher Miene und einem großen Schild „A…. – mein Tiger!“.  Wirkte irgendwie deplaziert. Ich glaube, hier fühlte sich kaum einer als Tiger, der hier hochächzte.

Aus dem Ziellautsprecher hörte ich, wie die Nummer 2 angesagt und auf die große Runde geschickt wurde. Das war Acki - er konnte also nicht weit sein. Das Gejubel muss ihm aber einen solchen Schub gegeben haben, dass ich ihn nicht mehr zu Gesicht bekam. Ich selbst war bei km 25 eigentlich schon fix und fertig und hätte auch dort ins Ziel einbiegen können. Wie vorprogrammiert bog ich aber auf die 50 km Strecke mit einem komischen Gefühl ab, dass ich jetzt erst die Hälfte geschafft haben sollte. 

Rasant ging es wieder abwärts – keine Zeit zum Nachdenken. Plötzlich tauchte Acki aus einem Gebüsch an der Seite auf und wir liefen wieder eine Weile zusammen. Beim Bergablaufen merkte ich nun, wie an meinen Problemzehen Blasen wuchsen. Ich versuchte, meine Zehen irgendwie einzukrampfen oder schmaler zu machen – aber es half nix. Ich hatte die Schmerzen ja auch nicht vorn, sondern an der Außenseiten der großen Zehen. Ich hoffte auf den oft gelesenen Spruch, dass beim Laufen auch vieles wieder vergeht… Und wirklich - irgendwann dachte ich nicht mehr daran... 

Dann wieder eine Weile normal laufen und den Kilometer- Schnitt aufbessern bis zum nächsten Berg. Diesmal wurde es noch steiler und wurzeliger. War aber irgendwie auch eine schöne Atmosphäre. Stilles Keuchen und Schnaufen, alle wanderten hintereinander hinauf auf dem schmalen Wurzelpfad – keiner wollte überholen oder sagte irgendwas. Endlich oben dann tief durchatmen und weiter…  Acki war hier wieder weit außer Sicht.

Nach der nächsten flachen Strecke war ich ziemlich entsetzt, als ich in der Ferne rechts hoch Läufer gehen sah. Hatten wir nicht schon 3 Berge?  Ich hatte auch beim Teufelsbergtraining nie mitgezählt und war gefühlsmäßig immer auf mehr Anstiege gekommen. Ein Läufer winkte mir von oben – es war Acki.  Neben mir fragte mich einer, ob ich denn meinen Mann hab ziehen lassen. Ich erkannte ihn vom Frühstückstisch am Morgen wieder. Er wünschte mir noch viel Glück, falls wir uns nicht mehr sehen sollte und zog am Anstieg vorbei.

Und wir sollten uns alle wieder sehen ... 

Beim Hochklettern meinte ein anderer Läufer: wenn ich das hier geschafft hätte, könnte ich auch den K78 laufen. Ich lachte nur, und meinte – wenn es nicht heute sein muss… 

Irgendwann traf ich auch wieder auf Acki und wir liefen eine Weile zusammen. Das hätte ich ein paar km vorher nicht mehr für möglich gehalten. Wir erreichten den letzten Anstieg bei km 42, der noch mal viel Kraft kostete. Acki sagte mir, dass er gleich einen Wadenkrampf kriegen würde und auch ich setzte an, ihm meine ganzen Leiden zu schildern. Aber wenn wir so weitermachten, könnten wir uns gleich unterhaken und ins Ziel hinken. 

Ich besann mich auf positives Denken – schließlich war es bis hier hervorragend gelaufen – und legte einfach fest, dass wir bis zu dem Schild da vorn gehen und dann wieder laufen. Ich begann dann zu laufen und lief und lief und drehte mich nicht mehr um. Es ging jetzt immer leicht abwärts und das machte einfach nur Spaß. Obwohl ich nur ganz wenige Läufer vor mir sah, konnte ich Stück für Stück noch einige einholen. Die Kräfte kamen zurück und so rollte ich ins Ziel. 5:06:38. Mit der Zeit hätte ich niemals gerechnet.

Ich hatte im Vorfeld optimistisch auf eine Zeit zwischen 5:15 und 5:30 gehofft und war jetzt total happy.  Acki kam nur wenig später ins Ziel und wir hatten unser Abenteuer bestanden. 

Im Ziel gab es eine schicke Medaille und im warmen Prediger konnten wir uns umziehen. Erst dort sah ich, dass meine Schuhe blutig waren.  Da ich ja weiß, dass ich eine Blasenschwäche habe  (trotz wrightsocks), hatte ich vorsorglich Desinfektionsspray und Pflaster im Kleiderbeutel. Beim Verarzten kam ein Mann auf uns zu und wollte uns für den Zermatt – Marathon werben. Irgendwie schlechtes Timing, wenn man gerade merkt, was einem alles weh tut…  Aber er meinte noch, ich würde besser aussehen als Acki…und dieses Jahr hätten dort auch welche geheiratet. 

Die Massage danach hat zwar nicht gegen meine üblichen Waden geholfen, war aber wirklich sehr sehr angenehm. Maultaschen haben wir am Abend wieder nicht gefunden und uns im Motelrestaurant mit russischen Teigtaschen (auch sehr lecker) getröstet.

Den ganzen Abend kamen wir aus dem Erzählen über den Lauf nicht mehr heraus…. Man muss also nicht die ganze Zeit zusammen laufen, um den Lauf gemeinsam zu erleben. Ich finde, dieses Begegnen im Verlaufe des Rennens hat dem Ganzen sogar noch den letzten Kick gegeben – obwohl das nicht so geplant war. 

Fazit: ein sehr empfehlenswerter, schöner, gut organisierter Lauf. Und mal was ganz Anderes. Ich werde so was sicher nicht zum letzten Mal gemacht haben.

 

Informationen: Sparkassen Alb Marathon
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