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Laufberichte

Demokrat auf kaiserlichen Höhen

23.10.10

In der sich zu Ende neigenden Laufsaison war das marathonistische  Futterangebot in heimischen Gefilden so reichhaltig, dass das Überschreiten der Reviergrenzen keine dringende Notwendigkeit war, sondern einzig und allein der Abwechslung diente.

Nach beinah einem halben Jahr ist es wieder so weit, ein Streifzug über die nördliche Grenze steht an und auf dem Speiseplan steht ein nahrhafter Anlass.  Das läuferische Schlemmermahl bietet 50 Kilometer, gespickt mit 1070 Höhenmetern. So etwas schmeckt mir.

Den ersten Vorschlag des Routenplaners nach Schwäbisch Gmünd lehne ich ab. Wer weiß, was mich in Stuttgart erwartet? Mit einem Nummernschild eines Landes, welches den Japanern eben den Weltrekord des längsten Eisenbahntunnels abgenommen hat, könnte ich dort zwischen die Fronten geraten. Demokratie wird überall ein bisschen anders interpretiert und gelebt. Ich bin in erster Linie als Läufer in die Gegend gekommen. Dass ich von Geburt her zum Stamm der Eidgenossen gehöre, ist nun mal so. Ich möchte mich deswegen weder von der einen noch von der anderen Seite zum „Gscheitgenossen“ machen lassen. Und noch weniger möchte ich heute als gescheiterter Genosse enden. Weder auf der Anfahrt noch beim Lauf selbst.

Der stechende Duft von Wintergrün erfüllt das Auto. Zentimeter dick habe ich mir Wärmesalbe aufs Kreuz gespachtelt, um der Hexe den Garaus zu machen, die mich gestern in den Rücken gezwickt hat. Die hat hier nichts zu suchen, der Brockenmarathon war vor zwei Wochen und fand ohne mich statt, also versuche ich sie zusätzlich mit voll aufgedrehter Sitzheizung zu rösten. Ich habe zwar gewisse Bedenken, doch diese fiese Dame bringt mich heute nicht zum Scheitern!

Nach der weiträumigen Umfahrung der Landeshauptstadt treffe ich mit genügend Zeitreserve  bei der Schwerzerhalle in Schwäbisch Gmünd ein, wo ich bei Anreise am Vorabend für einen Unkostenbeitrag Isomatte und Schlafsack hätte ausrollen können. Von hier bis ins Zentrum ist es knapp ein Kilometer Fußmarsch. Dort komme ich zuerst zum Prediger, dem ehemaligen Dominikanerkloster, das als Kulturzentrum und im Rahmen des Albmarathons als Wettkampfzentrum genutzt wird. Wegen Umbauarbeiten gibt es in diesem Jahr  fast keine Bewirtung, ich muss nach dem Erhalt der Startnummer also weiterziehen und in der Nähe nach Gastronomie Umschau halten. Zur wärmeren Jahreszeit würde sich der Gmünder Marktplatz mit einem der zahlreichen Straßencafés anbieten. Die klimatischen Verhältnisse zwingen mich jedoch, den Kaffee drinnen zu trinken, ohne tolle Aussicht auf die architektonischen Zeitzeugen aus über acht Jahrhunderten, welche diesen Platz laut Werbung der Stadt zu einem der schönsten in Süddeutschland machen.

Auf diesem Platz, mitten im historischen Stadtkern, werden die  rund 600 Teilnehmenden der Königsdisziplin, den 50 Kilometern über die Kaiserberge, zusammen mit den Staffelläufern und den Athleten des 25km langen Rechberglaufs von den örtlichen Honoratioren um 10.00 Uhr losgeschickt. Ganz vorne geht es nicht nur um den Sieg am heutigen Tag, sondern auch um die Platzierung im Europacup der Ultramarathons, welcher mit diesem Lauf abgeschlossen wird.

Noch auf dem Marktplatz nehmen Bernie und ich gleichzeitig ein Motiv in den Kameraanschlag. Auf einer hohen Säule thront eine kriegerische Gestalt mit Engelsflügeln und schwingt ein gezacktes Schwert über dem Kopf. Wen und was stellt diese martialisch wirkende Figur dar? Zeit für genauere Recherchen habe ich nicht, denn das Feld rollt weiter. Ist das die Gmünder Version des Hammermanns, dann soll es mir recht sein. Das würde bedeuten, dass ich diese Begegnung nach den ersten 200 Metern schon hinter mir habe.

 

Schwäbisch Gmünd bis Hohenstaufen

 


 

Auf der breiten Straße aus dem Stadtzentrum heraus und am Fünfknopfturm vorbei ist es ein Leichtes, sein persönliches Tempo zu finden. Nach etwa drei Kilometern verlassen wir das Wohn- und Gewerbegebiet und wechseln auf eine schmalere Piste, hinein ins Grüne und Farbige.

Verschiedene Bekannte, die ich bei der Startnummernausgabe noch nicht gesehen hatte, kann ich auf diesen ersten Kilometern noch grüßen und dabei von den Wiederholungstätern noch Informationen über das Streckenprofil in Erfahrung bringen.

Ein kleiner flinker Bursche mit orangem Halsband fällt mir auf. Es ist Lenny, der heute sein Herrchen über die ganze Distanz begleitet. Seine Beine sind zwar nur etwa so lang wie meine Füße und meine Augen sind immerhin neunmal höher über Boden als seine. Was das flotte Tempo anbelangt, so befinden wir uns aber durchaus in Augenhöhe. Noch. Die Zuschauer, welche da und dort am Wegrand stehen, kommentieren sein Mitlaufen mit Bemerkungen wie „Ach, der arme Kleine!“. Dabei werde ich der arme Große sein, wenn ich diesem Zweierteam folgen will.

An der ersten Verpflegungsstelle nach ungefähr sieben Kilometern will Bernd zuerst seinem Kumpel Wasser geben und dann sich selber. Dabei muss er schauen, dass er überhaupt etwas zu sich nehmen kann, denn Lenny will nicht trinken, er will nur laufen. Ja, diese Freunde auf vier Pfoten. Sie und das Laufen sind bei mir eng miteinander verbunden und ich möchte nicht darauf verzichten. Dabei musste ich sogar demokratische Prinzipien über Bord werfen. Bei einem Hund ist nichts mit Demokratie, da gibt es nur entweder oder: Ich Chef oder er Chef. Weil Hund lieber Chef hat als Chef ist (es gibt noch verschiedene andere gute Gründe),  übernehme ich diese Königsrolle und springe halt mal über meinen Schatten.

Über den kann ich jetzt auch ganz real springen. Den sanften Anstieg auf den vergangenen vier Kilometern – mehrheitlich durch den Wald - habe ich gar nicht so bemerkt, auch nicht, dass in der Zwischenzeit im Kampf gegen die Bewölkung die Sonne die Oberhand gewonnen hat. Nun, im etwas steileren Schlussanstieg zum Wäscherschloss, also bei Kilometer 10, ist dieser herbstliche Landschaftslauf bereits perfekt. Sonne, eine schöne Landschaft mit stattlichen Fachwerkhäusern – Auge, was willst du mehr? Nach dem kleinen Bogen zwischen dieser kleinen Siedlung beim Wäscherschloss geht es noch an der Kapelle vorbei, hinaus in die Landschaft in Richtung Wäschenbeuren.

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