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Laufberichte

Grenzenlos

 

 

Von Bregenz in die Weiten des Rheintals

 

Wie ein „Sekundenflash“ ist es, in schnellen Schritten den Durchgang zwischen Tribüne und Bühne zu durchmessen. Ein kurzer, aber intensiver Moment, den wir im Angesicht der gigantischen Kulisse verbringen dürfen.

Und schon sind wir wieder draußen. Der weitere Weg führt geradewegs hinein in das Gelände des Strandbads und über die verwaisten Liegewiesen hinweg. Dumpfer Lärm tönt aus dem Off an mein Ohr. Er schallt herüber aus dem von hier aus nicht sichtbaren Casino-Stadion gleich hinter dem Bad, dem Ziel aller Laufdistanzen, wo wohl gerade das Warm-Up für das bevorstehende Finish Tausender Läufer stattfindet, auch wenn das bei vielen noch Stunden dauern wird.

Strandweg heißt ganz offiziell der Weg, dem wir jenseits des Freibadgeländes folgen. Von Strand ist zwar nichts zu sehen und vom See zumeist auch nicht viel, doch ufernah sind wir jederzeit. In der Stille liegt die Kraft, heißt es ja, und Stille haben wir auf den nächsten Kilometern eine ganze Menge. Wiesen, Bäume und zunehmend dschungelartiges Dickicht wechseln einander ab, auch einige Passagen auf Naturboden sind dabei. Boten der Zivilisation sind die proppenvollen Liegeplätze zweier Yachtclubs, die augenscheinlich schon der Winterruhe verfallen zu sein scheinen.

Die Mündung der Bregenzer Ach in den Bodensee bildet eine natürliche Barriere für unser weiteres Fortkommen. Wir folgen dem Fluss ein Stück weit landeinwärts, ehe uns eine weit geschwungene Rad- und Fußgängerbrücke nach 14,5 km den Sprung über die rauschenden Fluten ermöglicht. Auf dem Gebiet der Gemeinde Hard sind wir nun und bleiben hier erst einmal auf Naturkurs. Über eine als Pendelstrecke eingerichtete Passage auf dem Auhafendamm kommen wir dem See nochmals ganz nahe, ehe das km 16-Schild das vorläufige Ende des Naturtrips markiert.

 

 

Die folgenden Kilometer durch die verstreuten Wohn- und Gewerbegebiete Hards gehören nicht unbedingt zu den besonders spannungsgeladenen. Interessant wird es wieder, als wir der Dornbirner Ach folgend bei km 20 die Rheinstraße erreichen, jene häufig überlastete Hauptdurchgangsstraße, die vor allem pickerl-geizende Deutsche gerne nutzen, um via Bregenz in die Schweiz zu gelangen. Vor fünf Jahren mussten wir uns die hier anstehende Passage über den Rhein noch mit dem automobilen Verkehr teilen. Heute gehört die Rheinbrücke ganz uns – der übrige Straßenverkehr wird gen Süden abgeleitet. Ein eindrucksvoller Beleg, welchen Stellenwert die Veranstaltung in der Region mittlerweile hat.

Träge ziehen unter mir die im Oberlauf sedimentbeladenen, milchig-weißen Fluten vorbei, um ein paar Kilometer weiter in den Bodensee zu münden und ihn bei Konstanz wieder in Richtung Nordsee zu verlassen. Ein breites Wiesenband säumt den Fluss zu beiden Seiten und bietet als Überlauf Sicherheit, wenn die Schneeschmelze die Wassermassen anwachsen lässt. Jenseits der Brücke wird es sogleich wieder ländlich. Auf Nebenstraßen geht es durch das dörfliche Fußach und weiter durch Wiesen und Felder bis zum Grenzort Höchst.

Ein weiteres Gefühl von Exklusivität vermittelt uns das Erreichen des Grenzübergangs zwischen Höchst und St. Margrethen nach 24,5 km. Denn auch der Übergang ist für mehrere Stunden für Fahrzeuge gesperrt, sodass wir völlig ungestört die Grenze passieren können. Zwischen den Zollstationen queren wir den vom Hauptfluss abgeschnittenen und zu einem dicht umwucherten stillen Biotop gewandelten Alten Rhein.

Mit Cheerleader-Girls und Musik werden wir im Herzen von St. Margrethen empfangen. Der Rest unseres Schweiz-Ausflugs ist allerdings weniger geeignet, Emotionen zu schüren. Denn der führt in langen Geraden durch das Gewerbegebiet „Rheinpark“. Am interessantesten ist da noch die neue Bogenbrücke, die ich vor fünf Jahren im Rohbau erlebte. Eine weniger schmucke parallel verlaufende Fußgängerbrücke katapultiert uns bei km 28 zurück in die grüne Wiesenlandschaft entlang des Rheins.

 

Der lange Weg retour

 

Der hier kanalisierte, schnurgerade dahin fließende Rhein ist auf den nächsten vier Kilometern  unser ständiger Begleiter. Zumindest gefühlsmäßig. Denn zu sehen bekommen wir den Fluss nicht. Die grasbewachsene Dammkrone zu unserer Rechten, an deren Unterseite das Asphaltband des Weges verläuft, verhindert jeden Blickkontakt. Die Farbe Grün soll ja beruhigen. So gesehen bietet die 4 km-Gerade höchstes Meditationspotenzial, es sei denn, man lässt sich durch die vielen Tafeln entlang des Weges mit mehr oder minder sinnigen Motivationssprüchen ablenken.

Ein Blick auf den Fluss ist uns dann aber doch noch vergönnt, wenn auch erst zum Abschluss der Geraden. Denn wie schon 12 km vorher müssen wir erneut auf der Rheinstraße, nur jetzt in umgekehrter Richtung, den Fluss queren.

Zehn Kilometer liegen noch vor uns. Der weitere Weg ist uns zum Teil schon vertraut. Immer wieder stoßen wir auf Streckenstücke, die wir auf dem Hinweg in Richtung Schweiz bereits zurückgelegt haben. Vor allem die Passagen durch die Natur laufe ich gerne ein zweites Mal. Dass der Regen uns wieder verstärkt heimsucht, ist mir mittlerweile ziemlich gleichgültig. Der „Motor“ läuft und das ist das Einzige, was im Moment zählt.

 

 

Das Läuferfeld hat sich weit auseinander gezogen, die Kräfte lassen nach, es beginnt die Zeit, in der sich marathonisch die Spreu vom Weizen bzw. der Möchtegern- (gehende) vom wahren (durchlaufenden) Marathoni trennt. Allen gemeinsam ist jedoch die mit der  Länge der Laufstrecke zunehmende Vorfreude auf die Verpflegungsstationen. Und mit denen ist der Kurs selbst in der Einsamkeit reichlich bestückt: Alle 5 km erwartet uns „full service“ mit Wasser, Isogetränk, Tee, später auch Cola und Gels, Energieriegeln und Bananen. Ab km 12,5 ist dazwischen jeweils noch ein Getränkeausschank postiert, sodass man zwischen Start und Ziel stolze 14  Mal ein Alibi hat, einen Regenerationsstopp einzulegen. So viel Wässerung ist zwar heute gar nicht nötig, aber es motiviert doch immer wieder, den nächsten Verpflegungsposten anlaufen zu dürfen.

Ein Streckenhighlight auf unserem Rückweg ist bei km 40 die weitläufigen Abtei Wettingen-Mehrerau, einem bereits im 11. Jahrhundert gegründeten ehemaligen Zisterzienserkloster. Mitten hindurch führt unser Weg und weiter über eine wunderschöne Allee bis zu dem am Bodensee entlang führenden Strandweg. Von hier lässt sich das nahe Ziel schon erahnen, vor allem hören. Eine Schleife halb um das Casino-Stadion herum müssen wir zuletzt noch drehen, dann erst öffnet sich für uns das Tor zum Zieleinlauf.

 

 

 

Zieleinlauf im Casino-Stadion

 

Die finalen zweihundert Meter stehen an. Auf der roten Tartanbahn des Stadions sind sie zu absolvieren, eine halbe Stadionrunde lang. Applaus brandet uns von der Tribüne und aus dem Zielraum entgegen, über Lautsprecher werden die Ankömmlinge vom Zielmoderator persönlich begrüßt. Die letzten Meter über die fahnengesäumte und bogenüberspannte Bahn werden zum Triumphzug für jeden Finisher.

 

 

Das Wohlfühlen geht im üppig ausgestatteten Versorgungsbereich weiter. Allein schon die überquellenden Obstschalen sind ein echter Hingucker, auch wenn das alkoholfreie Weißbier wohl den noch größeren Reizfaktor hat. Ja, es hat sich gelohnt, wiederzukommen. Man muss es den Organisatoren wirklich lassen: Sie haben es geschafft, eine Laufveranstaltung zu etablieren, die über das Zielfinish hinaus in besonderem Maße positive Erinnerungen produziert. So wundert es eigentlich nicht, dass es der Drei-Länder-Marathon als einzige primär landschaftsgeprägte Veranstaltung geschafft hat, teilnehmermäßig auf Augenhöhe mit den großen City-Marathons Österreichs zu stehen.

 

Marathonsieger

 

Männer

1 El Jaddar, Ahmed (MAR)     02:21:29     
2 Straßner, Andreas (GER)     02:23:42     
3 Kosgei, Isaac (KEN)         02:24:19

Frauen

1 Kebeya, Brendah (GER)     02:40:21     
2 Iozzia, Ivana (ITA)         02:43:44     
3 Urach, Sandra (AUT)         02:45:24

1027 Finisher

12
 
 

Informationen: Sparkasse 3-Länder-Marathon
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