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Laufberichte

Feuchtfröhlich durch die Sintflut

07.10.12

Immer hart an der Uferlinie

 

Nur einen knappen Kilometer währt die Schleife um die Lindauer Altstadt, schon queren wir die für den kompletten Straßenverkehr gesperrte Seebrücke, die die Insel mit dem Festland verbindet. Gleich dahinter werden wir auf ein Sträßlein abgeleitet, das zwar nahe dem Ufer des Bodensees gen Süden verläuft, aber durch die dicht wuchernde Natur kaum einen Blick auf diesen freigibt. Fast unmerklich queren wir bei km 5,5 die deutsch-österreichische Grenze.

Unser Horizont erweitert sich erst wieder ab km 6. Mit Lochau erreichen wir einen ersten Vorposten des nahen Bregenz. Ab hier sind wir dem See besonders nahe und folgen, immer hart an der Wasserlinie, dem nunmehr schmalen Uferweg. Durch die zu unserer Linken aufgeschüttete Bahntrasse sind wir optisch wie akustisch vor der parallel verlaufenden Durchgangsstraße geschützt. Ein schönes Wegstück, auch wenn heute See und Himmel zu einem Einheitsgrau verschmelzen und nur das Wasser unter unseren Füßen glänzt. Aus der Ferne rückt langsam das Zentrum der Stadt näher.

 

Bregenzer Regenfestspiele

 

Bei km 9,5 erreichen wir das Stadtzentrum. Zumindest kommen wir ihm ziemlich nahe. Denn weiterhin trennt uns die Bahntrasse vom Rest der Stadt. Aus läuferischer Sicht ist das aber keinesfalls ein Makel, ist doch das Ufergelände wunderschön als Park angelegt. Wetterresistente Zuschauerhorden lauern uns beifallklatschend am Hafen auf und begleiten uns auf unserem Weg am Seeufer entlang.

Ein Highlight unseres Kurses erreichen wir kurz vor km 10: Die berühmte Freiluftbühne von Bregenz, mit 7.000 Plätzen weltweit die größte ihrer Art.

Überall hatte ich schon vorher die Fotos des fantastischen monumentalen Bühnenbilds gesehen, selbst als Aufmacher für den Werbeprospekt des Marathons hielt es her: "Der Tod des Marat“, das bekannteste Werk des Revolutionsmalers Jacques-Louis David, diente als symbolträchtige Vorlage für die Inszenierung der eher unbekannten Oper „André Chénier“ von Umberto Giordan. Erstmals war damit ein historisches Gemälde Vorlage für die Bühnenkulisse im Bodensee: Sie zeigte den radikalen Revolutionsführer Jean-Paul Marat, der 1793 von einer Anhängerin der Gegenpartei in seiner Badewanne erstochen wurde. In Bregenz spielt der Bodensee die Rolle der Badewanne für die 24 Meter hoch aus dem Wasser ragende Figur. 154 Treppenstufen führten über die Brust Marats bis zu seinem Gesicht. Allein der Kopf des Riesen wog 60 Tonnen.

So viel zu dem, was wir gesehen hätten, wenn wir vor ein paar Wochen hier gewesen wären. Und jetzt? Nur noch Reste eines Torsos ragen empor, letzte Gerüstteile, kurzum: ein optisches Trauerspiel. Nur kurz ist die Bühnensaison im Hochsommer und nur für jeweils zwei Jahre konzipiert ist das Bühnenbild. Und so hat man es mit Auslauf der Spielzeit (leider) schon abgewrackt. Die Läufer im kommenden Jahr dürfen sich freuen und überraschen lassen. Denn 2013/2014 steht die Zauberflöte auf dem Programm und damit ist ihnen der Anblick eines neuen überwältigenden Bühnenbildes sicher.

Zum Glück bin ich mental darauf eingestellt, hatte ich doch schon gestern den ernüchternden Anblick erleben dürfen. So freue ich mich einfach über den Trubel und das dichte Zuschauerspalier am Eingang zur Freilichtbühne. Nur Sekunden dauert es, durch die leeren Sitzreihen der Tribüne zu flitzen. Und schon sind wir wieder draußen und folgen auf dem sogenannten Strandweg - „nomen est omen“ - weiter dem Ufer.

Keine zwei Minuten später schon passieren wir das Bregenzer Casino-Stadion. Vom Innenleben zu sehen bekommen wir nichts. Dass es ein solches allerdings gibt, ist unüberhörbar. Ein lauter Geräuschemix aus Musik, Geklatsche und Lautsprecheransagen schallt aus dem Rund heraus. Kein Wunder: Hier ist das Ziel aller Läufe und kurz darauf verabschieden sich an einer Weiche auch schon die Viertelmarathonläufer zum Einlauf.

Der Rest folgt weiter dem Strandweg. Vorbei an einem beschaulichen Yachthafen verlassen wir die Zivilisation und tauchen ein in die Stille (fast) unberührter Natur. Einen neuen Höhepunkt dürfen wir hier in der permanent zwischen Nieseln und Prasseln wechselnden Regenintensität erleben: Gleich einer Schwalldusche ergießt sich das Nass über uns und lässt das eingangs beschriebene „Dschungel zur Monsunzeit“-Feeling entstehen.

Eine Fußgängerbrücke ermöglicht uns bei km 14,5 den Sprung über die Bregenzer Ach. Kurz darauf steht der nächste große Aderlass im Läuferfeld an. Die Halbmarathon-Teilnehmer werden  abgeleitet und auf den Heimweg geschickt. Richtig einsam fühlt es sich an, wenn plötzlich nur noch einer von drei Läufern auf der Strecke ist.

Noch ein Stück weit reicht der Naturtrip, ehe wir nach gut 16 km in die locker besiedelte Gemeinde Hard einlaufen und auf kleinen Straßen durch den Ort gelotst werden.

 

Durch die Rheinebene

 

Ruhig und beschaulich geht es dahin. Ganz unter uns sind wir Läufer und unser ständiger Begleiter, der Regen. Entlang des Damms der Dornbirner Ach kommt bei km 19 auf einmal Hektik auf: Laut rufende Mountainbiker, dahinter Motorräder mit Warnblinkern tauchen vor uns auf. Schnell ist klar: Für die Führenden, auf dem Rückweg und schon bei km 32,5 angekommen, wird Platz geschaffen. Und auf einmal ist er da: der Kenia-Express. Dieser ist zwar nur ein Zwei-Mann-„Expresschen“, doch die sausen in einem Tempo vorbei, dass einem schwindelig wird. Und dahinter? Ein dritter Kenianer, schon etwas vereinsamt, versucht Anschluss zu halten, aber sonst kommt nichts und niemand.

Mit der Rheinstraße kurz vor km 20 erreichen wir erstmals Terrain, das wir kurzzeitig partiell mit motorisiertem Verkehr teilen müssen. Da die Möglichkeiten, den Rhein zu queren, begrenzt sind und wir auch keine biblischen Fähigkeiten besitzen, bleibt uns nichts anderes übrig, als auf diese Hauptdurchgangsstraße auf dem Weg in die Schweiz auszuweichen. Träge ziehen die im Oberlauf sedimentbeladenen, milchig-weißen Fluten unter uns vorbei, um ein paar Kilometer weiter in den  Bodensee zu münden und ihn bei Konstanz wieder in Richtung Nordsee zu verlassen. Jenseits der Brücke wird es sogleich wieder ländlich. Auf Nebenstraßen geht es durch das dörfliche Fußach und weiter durch Wiesen und Felder bis zum Grenzort Höchst.

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