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Laufberichte

Una corsa tra vigne, cielo e mare

29.03.15


40,6 Kilometer - Corniglia


Corniglia sieht man die mittelalterliche Bauweise eines typischen Bergdorfes, welches auf einem Felsen erbaut wurde, noch an. Es ist das Einzige der fünf Dörfer ohne einen Hafen. Auch hier überwiegen in den steilen Hanglagen der Weinanbau und die Landwirtschaft. Einfach und gefährlich war das Leben hier. Beim Errichten der Terrassen auf den schrägen Hängen etwa, wo auch heute noch das Schneiden der Trauben nur per Hand erfolgen kann, und wo selbst Kletterziegen das Kraxeln verweigern würden. Dafür bietet es eine wunderbare Sicht über Küste und das azurblaue Meer. Auch ihre Ursprünge, erstmalig 1211 erwähnt, sind auf römische Zeiten zurückzuführen. Der Name entstammt der Familie Gens Cornelia, der das Anwesen gehörte und die guten Wein herstellte. Später, als auch hier Genua die Herrschaft übernahm, wurde die Festung und die Stadtmauer errichtet. Nur ein Hotel, das gibt es bis heute noch nicht.

Unser Weg führt mitten durch Corniglia hindurch und knapp an der Kirche San Pietro aus dem Jahr 1334 vorbei. Die Fassade strahlt in weißem und rosa Carrara-Marmor. Unsere Verpflegungsstelle befindet sich direkt neben einer kleinen Bar. Espressoduft steigt mir in die Nase und obwohl es bei der Verpflegung an nichts fehlt, kann ich der Verlockung nicht wiederstehen – ich liebe es einfach, wenn das Wasser durch die Maschine in den Espresso faucht.

„Attenzione! Tratto pericoloso!“ Neue Energie für die kommenden mehr als 200 Höhenmeter hinunter bis ans Meer, zum vierten Dorf der Cinque Terre, Vernazza. Langsam finde ich meinen Rhythmus, denn das runter macht es nicht leichter. Die Mauern reflektieren die Sonne. Es ist angenehm warm, auch die gut getarnte Smaragdeidechse fühlt sich sichtlich wohl.

 

44 Kilometer - Vernazza


Steil auf einer Felsnase um das Jahr 1000 erbaut. Die Meeresbrandung schlägt unaufhörlich an die Felswand von Vernazza. Sklaven der reichen römischen Familie Gens Vulnetia bewirtschafteten deren Anwesen. Die Gründung des Ortes geht also auf Sklaven zurück, die sich nach ihrer Befreiung hier ansiedelten und vorbeisegelnde Schiffe kaperten. Um 1180 setzte eine genuesische Strafexpedition der Piraterie ein Ende.  

Skurril ist heute der Blick weit herab auf den Bahnhof. Mit den Reserven fast schon am Ende, fällt mir der Schmachtfetzen „Azzuro“ von Adriano Celentano ein, er geht mir nicht mehr aus dem Kopf. In der Ballade heißt es: „Blau, der Nachmittag ist zu blau und zu lang für mich. Ich bemerke, dass ich nicht mehr viele Reserven habe, ohne dich, und also, nehme ich fast den Zug, und komme zu dir, aber der Zug der Wünsche, fährt in die entgegengesetzte Richtung“. Und da: Auf Gleis zwei hält gerade der Zug auf dem schmalen Bahnsteig. Touristenmassen ergießen sich auf das Feld das von hier oben aussieht, wie eine Spielzeugeisenbahn. 1870 fuhr die erste Eisenbahnlinie, Gleiße wurden durch die Ortschaften gelegt und jeder Ort bekam seinen Bahnhof. Das schaffte Arbeitsplätze und auch die ersten Reisenden endeckten die fünf Dörfer.

Noch nicht ganz so lange her ist ein verehrendes Naturschauspiel: Es war im Oktober 2011 als oberhalb von Vernazza und Monterosso sich die Hänge in die Dörfer schoben. Innerhalb weniger Stunden fiel die Niederschlagsmenge eines durchschnittlichen Jahres. Es fiel so viel Regen, dass die Flüsse über ihre Ufer traten. Beide Dörfer wurden unter der Schlammlawine begraben und die Bewohner über den Seeweg versorgt oder evakuiert, da für viele ihr Heim nicht mehr bewohnbar war. Die Notwendigkeit, in der diese vom Mensch geschaffene Landschaft entstand, passt nicht mehr in unsere Zeit; ein aufwendiges Kuriosum in der fortschrittlichen Welt. Bereits seit dem Mittelalter wurden die gewichtigen Steine hier hoch gewuchtet und geschleppt. Viel zu niedlich klingt die italienische Bezeichnung „muretti a secco“ (trocken und ohne Mörtel gebaute Mäuerchen) für diese Steinmauern, die, würde man sie verbinden, länger als die Chinesiche Mauer sind. Unvorstellbar!

Das allein aber macht nicht das Einzigartige, das Besondere aus -  es ist ihre Zerbrechlichkeit. Der „Parco Nazionale 5 Terre“, ist seit den 90er Jahren bemüht, sich den Schutz dieser Landschaft zu widmen. Denn wo die Weinberge aufgegeben werden und die über viele Generationen instand gehaltenen Trockensteinmauern verfallen, ist die gesamte Landschaft von der Erosion bedroht. In Peking unterschrieben, wurde die Partnerschaft zwischen der Chinesischen Mauer und der Cinque Terre.

Ich blicke zurück. Das Bild ziert jeden Ligurien-Reiseführer. Abgründe tun sich auf. Aus der Ferne wirkt Vernazza wie viele wild zusammengesetzte Legosteine, ganz unten, im Spielzeugland, wie hingekleckst die kleinen Boote im Hafenbecken. An der Spitze der Halbinsel thront der größte Legoklotz, wie ein alter Burgturm. Eine Ligurien-Reportage ohne Vernazza wäre wie Venedig ohne Gondeln - tausendfach fotografiert. Man kann es sich nur wünschen, dass, anders als in anderen bekannten Orten in der Welt, die Häuser und Grundstücke statt an profitorientierte Investoren, an nachhaltig denkende Landschaftsschützer verkauft werden.

„Attenzione! Tratto pericoloso!“ Heißt es nun wieder auf meinem Weg ins Ziel und damit auch in den fünften Ort der Cinque Terre, Monterosso. Vor mir liegen nur noch 142 Höhenmeter im Aufstieg; und zwar fantastisch schöne. Der schmale Trail führt vorbei an bereits blühenden Sträuchern und gigantischen Kakteen. Die traumhafte Aussicht macht den meist schmalen und steilen Weg einzigartig schön.
47,5 Kilometer -  Monterosso al Mare

Ich laufe an gackernden Hühnern vorbei, an Olivenhängen, riesigen Kakteen, prall gefüllten Zitronenbäumen begleitet von dumpfem Frosch-Gequake. Ich stoppe und beobachte gebannt das rege Liebesleben der Dutzend fetten Kröten am Bachlauf. Es ist Paarungszeit und in dem trüben Wasser geht es hemmungslos drunter und drüber. Das kann keinen Spaß machen. Einige wirken erschöpft und müde. Ich empfinde beinahe so etwas wie Mitleid und frage mich, wie lange die unter den anderen drei Kröten Liegende wohl noch aushalten wird. Um darauf zu warten, dafür fehlt mir die Zeit. Ein Blick auf die Uhr spricht das Gegenteil. Ja! Ich habe Zeit. Endlich, alle Zeit der Welt. Unten in der Bucht scheint der Zielbogen des Sciaccetrail am Strand von Monterosso al Mare im frühen Abendlicht. Wie bei der Siegerin ist das Zielband vor mir gespannt, ich hebe es in die Luft und sage: Danke Madonna!

 

Resümee:


Auch in den Cinque Terre ist es möglich an nur einem Tag die 3000er Grenze zu überschreiten. Ein idealer Trail für fitte und trainierte Bergläufer, denen es auf gut ausgebauten Wegen zu langweilig wird. Wer sich die Frage stellt: In die Berge oder ans Meer? Der kann hier beides kombinieren!

47 Kilometer klingen für einen Ultratrail-Lauf nach „Kinderspiel“. Aber wenn es solche Kilometer sind, wie auf dem Sciaccetrail, dann ist das alles andere als ein Instant-Abenteuerspaß. Das bekam auch Sally zu spüren, die ihrer Favoritenrolle nicht gerecht werden konnte. Gewonnen haben die Italienerinnen. Sally aber ist um eine Erfahrung reicher!

Informationen: Gesamtzeit: 11 Stunden / Höhenmeter: 3.100 / Streckenprofil: Schwierig und anspruchsvoll. 99 % Singletrail.  

Anreise: Aus Frankfurt am Main mit dem Flugzeug nach München. Von München nach Genua. Weiter ca. 80 Kilometer mit einem günstigen Regionalzug.
Temperatur: +/- 20°C

Verpflegung: Jederzeit ausreichend Nüsse, Rosinen, Wasser, Coca-Cola, Iso, frisches Obst und Gebäck

Verlaufen unmöglich: Der gesamte Cinque-Terre-Höhenweg ist durch eine rot-weiße Markierung gekennzeichnet. Der Sciaccetrail zusätzlich mit einem grellgelben Flatterband und einem gesprayten orangefarbenen Weintrauben Logo. Die Laufstrecke wird das ganze Jahr zum Testlauf geöffnet bleiben.

Zeitmessung: Leihchip  

Finisher: 142 Männer, 38 Frauen und nur 5 „Aussteiger“

Starterbag: Stoffbeutel von Cinque Terre Trekking, eine Flasche 2014er Cinque Terre Vendemmia, Sportiva-Event-Shirt, zwei kleine Gläser regionalen Honigs, ein Schlauchtuch, ein Testarolo (eine Art Pfannekuchen), ein Energie-Gel, zwei Wanderkarten, eine handgearbeitete Medaille sowie einen Gutschein für eine leckere Pasta, frische Muscheln, Joghurt und ein Getränk.

Angemerkt: Zum Schutz der Natur und um Bodenerosion vorzubeugen, werden insgesamt nur 200 Läufer zum Rennen zugelassen. Eine gute Kondition sowie Trittsicherheit sind unbedingt erforderlich. Die Teilnahme am künftig jährlich stattfindenden Event kostet 40 Euro. Es wird  Live-Musik angeboten, Weinverkostungen mit lokalen Sommeliers und einem Rennen für die Jüngsten.
 

 
 

Informationen: SciaccheTrail
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