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Laufberichte

Von vorne bis hinten eine runde Sache

 

Mitten in Baden-Württemberg liegt der Naturpark Schönbuch. Mit 156 km² ist er eines der größten geschlossenen Waldgebiete in Süddeutschland. Der Schutz einer einmaligen Kulturlandschaft geht hier Hand in Hand mit sanftem Tourismus. Nur wenige öffentliche Straßen führen durch den Schönbuch, aber ein großzügiges Wander- und Radwegenetz ermöglicht es Erholungssuchenden, die Natur hautnah zu erleben.

Älteren Läufern in der Region ist der Schönbuch Marathon des TSV Leinfelden noch in guter Erinnerung. Seit 2008 gab es immerhin noch einen Halbmarathon, der aber bereits im letzten Jahr nicht mehr ausgetragen werden konnte. Die Gründe hierfür sind sicher vielfältig; immense Umweltschutzauflagen haben hier wohl auch eine Rolle gespielt. Umso erfreulicher, dass sich das  Event-Team des Laufsportladens Stahl aus Maichingen, das nebenbei auch das Laufschuhgeschäft unseres Vertrauens ist, einer noch größeren Herausforderung stellt: ein zweitägiges Spektakel mit Radfahren und Laufen. Geplant ist ein Mountainbike-Race mit 400 hm auf 23 km und doppelter Distanz für die Profis. Am nächsten Tag gibt es dann einen 12 Km langen Trail, T12, oder alternativ einen Marathon, T42. Neben der Kombiwertung als Schönbuch-Trophy ist es aber auch möglich, nur für die einzelnen Wettbewerbe zu melden.

Ohne einschlägiges Knowhow in beiden Disziplinen ist so etwas allerdings nicht zu stemmen. Dass dies beim Eventservice Stahl vorhanden ist, war zwar schon von vornherein klar: nicht umsonst haben die Mitarbeiter um Karen und Axel Stahl bereits viele Veranstaltungen geplant und durchgeführt. Würde aber so eine große überregionale Veranstaltung nicht den Rahmen sprengen? Intern war zu hören, dass vor allem das Genehmigungsverfahren um die Streckenführung eine große Belastung für die Planung darstellte. Mehrfach musste umgeplant werden; dann waren aber auch die letzten Probleme gelöst.

Endlich wieder ein Marathon in der Region. Diese Nachricht hat sich unter den Einheimischen wie ein Lauffeuer verbreitet. So ist es nicht verwunderlich, dass an diesem Morgen der Parkplatz vor der Stadthalle in Herrenberg einem Familientreffen ähnelt. Mit Start um 11 Uhr 30 bleibt auch genügend Zeit, jeden zu begrüßen. Die Ausgabe der Startunterlagen erfolgt reibungslos. Den düsteren Wettervorhersagen zum Trotz scheint die Sonne, was auch viele Nachmelder anzieht. Dann machen wir uns auf zum Marktplatz. Ich war zwar schon einige Male in Herrenberg, muss aber gestehen, dass ich noch keine Zeit gefunden hatte, die Altstadt zu besichtigen. Umso mehr bestaune ich den gut erhaltenen Altstadtkern mit seinen wunderschönen alten Fachwerkhäuser und den kleinen Höfen und Gässchen.

Und dann erst der Marktplatz: da 1635 bei einem verheerenden Brand die meisten Häuser dem Erdboden gleich gemacht wurden, konnten sie dann größer und schöner wieder aufgebaut werden. Erheblichen Anteil hatte hier die Handelsfamilie Khönle, die reichsten und angesehensten Bürger der Stadt, denen damals drei der vier Häuser auf der Südseite des Marktplatzes gehörten. 1806 wurde dann auch das Rathaus neu erbaut. Seit 1983 steht die Herrenberger Altstadt unter Denkmalschutz.

Der Marktbrunnen stand früher in der Mitte des Platzes, ist aber mittlerweile vor das Rathaus verlegt worden. Der Löwe auf der Säule hält wohl das württembergische Herzogswappen. Ich würde dieses gerne genauer betrachten, aber rund herum ist alles abgesperrt. Heute wird der Marktplatz von einem großen roten Marathontor dominiert. Davor befindet sich der Startkorridor. Dazu kommen bunte Läuferoutfits soweit das Auge reicht. Am Verpflegungsstand wird bereits emsig vorbereitet. Becher werden gefüllt, Äpfel geschnitten und Hefezopf zerteilt. Das verführt vorbeikommende Läufer sich schnell mal zu bedienen. Die Helfer nehmen es mit Humor.

Der Moderator ergreift das Wort und bittet schnellere Läufer in den Startbereich; allerdings mit mäßigem Erfolg. Nur zögerlich outen sich Läufer als „schnell“. Dann ergreift Axel Stahl das Mikrofon. Er erklärt die Aufforderung: ein Engpass kurz nach dem Start und darauf folgende Treppen wird das Feld aufhalten. Wer dann nicht vorne ist, verliert wertvolle Zeit. Außerdem gibt er noch letzte Hinweise zur Strecke, den Markierungen und den Verpflegungsstellen. So informiert kann es nun endlich losgehen.

5 Minuten vor dem Start versuche ich in den Startbereich zu kommen. Es ist alles voll. Ich warte also mit anderen etwas außerhalb. Die Stimmung ist prächtig. Mit flotten Sprüchen heizt der Moderator die Wartenden zusätzlich auf. Als dann auch noch AC/DC in voller Lautstärke über den Marktplatz schallt ist es soweit: ein letzter Count Down, dann geht es los.  Ich sortiere mich ein.

Wir laufen durch die Altstadt, tendenziell bergauf. Wegen der vielen Füße und dem unebenen Kopfsteinpflaster muss man ganz schön aufpassen, dass man nicht stolpert. Dann kommt die angekündigte Engstelle. Geduldig wartet jeder, bis er an der Reihe ist. Als ich das Tor passiert habe, muss ich erst einmal lachen. Vor uns liegt ein Berg, an dem eine lange, lange Treppe nach oben führt. Immer zu zweit kann man hier hinaufsteigen. Frohgemut nehme ich den Kampf mit den Stufen auf.

Zunächst geht das ganz gut. Immer wieder sitzen Zuschauer auf den angrenzenden Mäuerchen und feuern uns an. Auch untereinander ist die Stimmung ausgelassen, flotte Aufmunterungen machen die Runde. Besonders Mutige versuchen die Serpentinen abzukürzen. Ob das viel bringt, sei mal dahingestellt. Langsam werden meine Beine schwer. Jetzt bloß nicht stehen bleiben. Hinter mir kommen ja noch mehr, die auch nach oben wollen. Endlich bin ich oben und versuche locker anzulaufen. Allmählich geht es besser.

Wellig geht es durch ein kleines Wäldchen. Nach einem kurzen Stück auf Asphalt machen wir erste Bekanntschaft mit einem Trail. Streckenposten weisen nach rechts. Der Weg wird schmal und wellig. Bald ist die erste Verpflegung erreicht. Hier wird flink gearbeitet, um alle Vorbeikommenden zu versorgen. So kurz nach dem Start brauche ich noch nichts und spüle daher nur kurz den Mund mit Wasser aus.

Wir überqueren eine Straße. Neben den Helfern haben sich hier einige Zuschauer eingefunden. Es wird geklatscht und angefeuert, bevor wir wieder vom Trail geschluckt werden. Der enge Weg ist optimal zu laufen. Eine kleine Pfütze mittendrin ignoriere ich einfach. Dann öffnet sich der Wald und wir werden mitten zwischen blühenden Obstbäumen ausgespuckt. Im grünen Gras leuchtet der gelbe Löwenzahn besonders schön. Streuobstweisen reichen bis zum Horizont. Unter uns liegt der kleine Ort Gültstein. Ich laufe auf Eckehart auf. Im roten „Stahl Sport Shirt“ ist er hier Einheimischer. Wir sind sogar gerade auf seiner Haustrainingsstrecke unterwegs. Ich bin ein bisschen neidisch. So schöne Trails gibt es bei uns nicht.

Dann kommt die erste richtige Steigung. Oben erreichen wir die Streckentrennung von T12 und T42. Wir laufen rechts, den Berg wieder hinunter. Es folgt ein wunderbarer, welliger Singletrail im Wald, bis wir erneut Streuobstwiesen erreichen. Hier ist nun schon mächtig warm, so dass ich froh bin, als eine Helferin uns links in den Wald schickt. Die Freude ist leider nur von kurzer Dauer, denn schattenlos führt der Weg bis zum Örtchen Mönchberg. Hier bei km 8 steht die 2. VP. Ich verzichte auf Bananen und Gels, nehme dafür aber einen Becher Wasser.

Weiter geht es in den Ort. Obwohl die Strecke abgesperrt ist, passt ein Streckenposten auf, dass hier keiner falsch läuft. Zwei Bewohner applaudieren aus dem Fenster heraus jedem vorbeikommenden zu. Bergauf verlassen wir die Ortschaft. Ein netter Trail führt nun steil bergauf. Sogar Treppen müssen an der steilsten Stelle aushelfen. Oben am Aussichtspunkt feuern uns die Spaziergänger an. Wir halten uns links. Die Strecke ist perfekt markiert. An Abzweigen stehen Streckenposten, ansonsten sind rote Pfeile auf dem Boden und dann gleich anschließend ein Markierungsband vom Hauptsponsor im Sichtbereich an Büschen oder Bäumen am rechten Wegrand. Scharfe Abzweige werden zusätzlich mit einem roten Schild angekündigt.

Der Trail führt uns auf eine Wander- bzw. Fahrradautobahn, die häufig hier im Schönbuch vorkommen: auf geschottertem Weg geht es endlos geradeaus. Zugegeben, man kommt hier schnell voran, aber wirklich angenehm ist das nicht. Gerne lassen wir uns wieder auf einen Trail entführen. Der ist nun aber auch nicht das Richtige. Unwegsam und ausgewaschen gleicht er eher einer schmalen Traktorspur, die steil bergab geht. Da ist uns die nächste Wanderautobahn doch lieber.

Langsam bekomme ich Probleme, denn es ist jetzt bereits unangenehm warm. Vermutlich habe ich bisher zu wenig getrunken und die nächste VP lässt lange auf sich warten. Bei km 15 wird mir ganz schwummrig. Hoffentlich schaffe ich das noch bis km 17, wo die nächste VP sein soll. Gott sei Dank geht es bergab. Nach endlosen Minuten erreiche ich eine Straße, die halbseitig für die Läufer abgesperrt ist. Hinter der Zeitmessmatte erkenne ich die rettende VP. Ettliche Becher Wasser, dazu Ultra Buffer, das ich erfahrungsgemäß gut vertrage, wecken meine Lebensgeister wieder. Langsam mache ich mich auf den Weg. Ich bin völlig platt. Vielleicht war auch mein anfängliches Tempo zu hoch? Bei der Freude über die tolle Strecke habe ich nicht darauf geachtet und mich wohl zu stark verausgabt. Nun trotte ich, einen Fuß vor den anderen setzend, langsam weiter. Die Streckenposten am Erlenweiher versuchen mich aufzumuntern. Kurz geht es wieder besser. Ich genieße die schöne Umgebung des kleinen Sees. Obwohl der Weiher künstlich angelegt ist, passt er sich wunderbar in die sumpfige Landschaft ein. Hier grenzen ein Rotwild- und ein Mufflongehege an die Laufstrecke. Es ist aber keines der Tiere zu sehen.

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Informationen: Schönbuch Trophy
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