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Laufberichte

Erste Güte

15.10.06
Autor: Klaus Duwe

Deutschlands ältester, ununterbrochen ausgetragener Marathon

 

Als sich 1963 am Hardenbergufer 50 Läufer zu einem Vereinswettkampf trafen, war das die Geburtsstunde des Essener Marathons. 1981 wurde wegen des auf 600 Läuferinnen und Läufer angestiegenen Teilnehmerfeldes erstmals „Rund um den Baldeneysee“ gelaufen und die Strecke seither beibehalten. Damit ist diese Veranstaltung  Deutschlands ältester, ununterbrochen ausgetragener Marathon. Der 1987 von Werner Grommisch mit 2:14:36 aufgestellte Streckenrekord ist noch heute gültig.


Der Baldeneysee liegt im Süden der Stadt und ist der größte der fünf Ruhr-Stauseen. Von 1931 bis 1933 schufteten hier für nicht einmal 2 Reichsmark täglich Tausende von Arbeitslosen im Rahmen des Reichsarbeitsdienstes mit primitiven Werkzeugen an dem Stauwehr. Noch im Jahr der Fertigstellung nahm die „Weiße Flotte“ den Ausflugsverkehr auf dem See auf. Der Baldeneysee ist heute ein Wassersportzentrum und Naherholungsgebiet erster Güte. Jogger, Radfahrer, Skater und Spaziergänger bevölkern den Weg rund um den See während Segler, Paddler und Ruderer sich auf dem Wasser vergnügen.


Einmal im Jahr ist Marathon, dann gehört die Strecke um den See den Läuferinnen und Läufern zwar nicht alleine, aber sie haben Vorrang. Am Samstag finden bereits die Wettbewerbe der Walker und der Nordic Walker statt, die Startunterlagen können abgeholt und die Energiespeicher auf der Pasta-Party aufgefüllt werden.


Zum organisatorischen Ablauf am Samstag kann ich nichts sagen, ich bin spät angekommen und habe gleich im „Bredeney Hotel“ eingecheckt, wo ich immer wohne, wenn ich zum Laufen in Essen bin. Von dort ist es nämlich nicht weit zur Messe Essen (Zielgelände Karstadt Marathon) und zum Baldeneysee und außerdem gibt es Marathon-Sondertarife. Ab 6.30 Uhr ist das sensationelle Frühstückbuffet gerichtet, das keine Wünsche offen lässt. Die vielen Gäste am frühen Sonntagmorgen sind allesamt Läuferinnen und Läufer, Marathon-Atmosphäre also von Anfang an.

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Wenn man früh dran ist, bekommt man einen Parkplatz direkt am Startgelände in der Freiherr-vom-Stein-Straße, von wo man dann in ein paar Minuten bei der Startnummernausgabe in der Turnhalle des R.a.B.-Clubhauses ist. Vom Zielgelände beim Regattahaus zurück ist es auch nicht viel weiter. Weil sich ein goldener Herbsttag ankündigt, hat man an den Nachmeldeschaltern gut zu tun. Auf ein zweites Frühstück ist man ebenfalls eingerichtet.

 

Pünktlich um 10.00 Uhr erfolgt dann der Start, die Strecke führt auf der gesperrten breiten Straße gleich etwas bergan Richtung Werden. Das Feld zieht sich schnell in die Länge es ist nie zu eng und jeder findet seinen Rhythmus.

 

Nach 3 km geht es über die Ruhr nach Werden, dann gleich wieder links ab und nach nur einem Kilometer sind wir an der unter Denkmalschutz stehenden Neukircher Schleuse (km 4) wieder am See. Viele Zuschauer sind vom Startgelände herüber gekommen, um hier die Marathonis anzufeuern. Gleich darauf sehen wir das bereits erwähnte, vom Arbeitsdienst in den 30er Jahren errichtete Wasserkraftwerk.

 

Der asphaltierte Weg liegt meist im Schatten, es ist frisch, die schnellen Läufer werden sagen: „ideal“ - bis auf den Wind vielleicht, der mich kühlt und sie bremst. Die Cafés und Imbissbuden  am Uferweg sind schon gut besucht, die Gäste schauen sich das Treiben an und ab und zu gibt es Applaus. Auch auf dem See nehmen tut sich einiges. Ruderer und Paddler ziehen ihre Bahnen und die Segler freuen sich am Wind.

 


Auf einem der bewaldeten Hügel am anderen Seeufer ist deutlich die „Villa Hügel“ zu sehen, das von Alfred Krupp 1873 errichtete Wohn- und Repräsentationshaus der Industriellen-Familie. Seit 1953 finden hier Kunstausstellungen und Konzerte statt. Es gibt auch eine ständige Ausstellung der Familien- und Firmengeschichte, Park und Gebäude können besichtigt werden.

 

Vor mir sehe ich jetzt die stählerne Fußgängerbrücke (km 11) von Kupferdreh nach Heisingen und gleich darauf kommt auch schon die zweite Verpflegungsstelle. Tee, Iso, Wasser und Cola werden von freundlichen Helferinnen und Helfer gereicht, dazu Bananen. Wem’s bereits zu warm ist, der kriegt ein Schwämmchen.

 

In Kupferdreh gibt es einen sehenswerten alten Bahnhof von 1897. Die Dampflok der  Hespertalbahn, seinerzeit zur Beförderung der Kohle eingesetzt, kann man noch heute live bei einer Fahrt auf der historischen Strecke hier am Baldeneysee erleben.

 

Ein weiteres Zeugnis aus jener Zeit liefert der auf der anderen Seeseite sichtbare Förderturm der Zeche Carl Funke, in der schon im 18. Jahrhundert Kohle gefördert wurde. Fast genau 100 Jahre nachdem Fritz Funke die Zeche übernahm, gingen 1973 dort endgültig die Lichter aus. Neben dem Fördergerüst ist heute auch noch die restaurierte Zechensiedlung zu besichtigen.

 

Wir überqueren die Ruhr (km 12) und kommen jetzt zu einer ungefähr 3 Kilometer langen Pendelstrecke auf der halbseitig gesperrten 6-spurigen B 227. Weg vom Wasser und vom Wind lässt sich hier am Rand des Schellenberger Waldes die Sonne genießen. Natürlich verlaufen sich hier an diese Straße keine Zuschauer. Trotzdem ist dieser Streckenabschnitt sehr unterhaltsam. Die verschiedenen Trommlergruppen übertönen sich fast gegenseitig, eine Verpflegungsstelle ist eingerichtet und dann muss man ja noch schauen, wer so alles vor, und später hinter einem liegt. Damit keiner auf dumme Gedanken kommt, liegt am Wendepunkt eine Zeitmatte. Zusätzlich wird der Wendevorgang für die Einspruchsinstanz aufgezeichnet.


Am meisten Freude verbreiten wohl die Schulkinder, die jedes Jahr hier zeigen dürfen, was ihnen der schwarz-grau-gelockte Meister beigebracht hat.

 

Bei Kilometer 18 sind wir zurück in Heisingen, laufen durch eine Wohnsiedlung und lassen uns von den Anwohnern feiern. Kurz nach der Halbdistanz sind wir wieder am Seeufer. Ich wundere mich, dass ich von den ersten Läufern hier nicht überholt werde. Später erfahre ich, dass Mario Kröckert als Erster sensationell unterwegs und schon vorbei war. Sein Vorsprung (Siegerzeit: 2:16!) war dabei so gross, dass die Verfolger hier noch hinter mir lagen und ich mich so vor dem Überholen in die zweite Runde retten konnte.

 

Dort, wo es links ins Ziel und geradeaus auf die zweite Runde geht, wird kräftig gefeiert. Trommler sorgen für prächtige Stimmung unter den zahlreichen Zuschauern. Keinen Moment denke ich daran, dass es jetzt genug wäre. Zu schön ist dieser Tag und die Strecke, zu viel Spaß macht das Laufen.

 

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Ich bin richtig stolz, wie gut ich den Brocken-Marathon von gestern weg gesteckt habe. Liegt es an den Kniestrümpfen, die ich erstmals trage? Sie sollen ja für eine bessere Durchblutung der Muskulatur sorgen, was für mehr Sauerstoff sorgt und damit die Leistung steigern soll. Nach dem Rennen sollen die Strümpfe die Regeneration fördern. Ich bin als Tester unverdächtig, ich verkaufe die Dinger nicht und lasse mich für Werbung dafür auch nicht bezahlen. Auf die Idee hat mich Rainer Satzinger gebracht, der am Mont Blanc meine Zweifel mit „ich mache keinen Ultra mehr ohne diese Strümpfe“ quittierte. Fast möchte ich von mir nach 1 ½ Marathons das Gleiche behaupten.

 


Wir sind wieder auf der Straße nach Werden, als ich zum wieder einmal Male die Gruppe der 4:30-Läufer überhole, für die Gisela Hertz die Pace macht. Sie kommt aus Steinfurt, wo die Brems- und Zugläufer „erfunden“ wurden. Es hat schon Tradition, dass Läuferinnen und Läufer von „Marathon Steinfurt“ hier diese Funktion übernehmen. Gisela läuft locker 3:50 Stunden und normalerweise führt sie auch die 4:15-Gruppe an. Aber sie war krank, hat kaum trainiert und will es etwas langsamer angehen lassen.

 

Als wir den See erreichen und auf der anderen Seeseite die Regattatribüne sehen, ist dort die Stimmung offensichtlich auf dem Höhepunkt. Die 3-Stunden-Läufer kommen gerade ins Ziel und der Jubel und die Ansagen sind bis hier hin zu hören.

 

Auf dem See hat der Betrieb deutlich zugenommen, weiße Segel überall. Auch auf dem Weg um den See sind jetzt mehr Spaziergänger und Skater unterwegs. Einmal muss ein Radler mächtig in die Eisen steigen, als er überraschend auf eine Gruppe Läufer trifft. Damit konnte er doch heute unmöglich rechnen!

 

Als wir dann bei Kupferdreh wieder die Ruhr (km 35) überqueren, ist jeder froh, dass die Wendepunktstrecke auf der zweiten Runde entfällt. So sind wir nach knapp vier Kilometern wieder am schönen Seeuferweg. Die jetzt nur noch kleine Gruppe der 4:30-Läufer ist immer in Sichtweite, entweder vor, oder hinter mir. Weil ich etwas schneller laufe, hole ich nach diversen Fotopausen immer wieder auf.

 

Dankbar für die Dienste von Pacerin Gisela sind heute auch Carola Urbansky und Dirk Schemionek, die gleichmäßig das Tempo mitgehen. Während Dirk ein erprobter Marathoni ist, macht Carola heute ihren ersten Marathon. Unter fünf Stunden ankommen war ihr Ziel, eine 4:30 ihr Traum. Noch 4 Kilometer sind zu laufen, dann hat sie ihn sich erfüllt. Herzlichen Glückwunsch schon jetzt.

 

Als wir diesmal links Richtung See und Ziel abbiegen, sind die Trommler noch immer zu Gange und die Stimmung noch immer gut. Dann bin ich aber doch überrascht, wie viele Menschen am Weg, in den Cafés und auf den Tribünen die Läuferinnen und Läufer auf ihren letzten 200 – 300 Metern anfeuern.

 

Eine tolle Atmosphäre, die ich unbedingt auf einem Bild festhalten will. „Was macht der denn, warum läuft er nicht weiter?“ fragt eine Dame besorgt. Und der Sprecher im Ziel vermutet gar, dass der Apparat neu ist und ich nun vor Begeisterung wild durch die Gegend knipse. Dabei geht es mir nur um die hübschen Cheerleader.

 

Gleich nach mir kommt Gisela, die mit 4:28:33 fast eine Punktlandung macht. In eine Wärmefolie gepackt und mit umgehängter Finisher-Medaille geht es zu den Verpflegungsständen, wo besonders das „König“ gefragt ist. Wer kein Pilsken will, kriegt Cola, Wasser oder Iso, Bananen sind auch noch genügend da.

 

Streckenbeschreibung:

Ziemlich flacher Rundkurs, 2 x zu durchlaufen. Sehr gut zu laufende asphaltierte Straßen und Wege.

 
Zeitnahme:

Champion-Chip, Zwischenzeiten alle 5 km

 
Rahmenprogramm:

Pasta-Essen am Samstag. Startunterlagen gibt es Samstag von 14.00 bis 19.00 Uhr und Sonntag ab 7.30 Uhr in der Turnhalle des R.a.B.-Clubhausen, ca. 200 m hinter dem Regattahaus der Stadt Essen. Wenn’s geht, sollte man die Unterlagen am Samstag holen, am Sonntag wird es recht eng in der Turnhalle.

 

Auszeichnung:

Medaille, Urkunde


Logistik:

Am Startgelände stehen nur beschränkt Parkplätze zur Verfügung. Es sind rechts und links der Freiherr-vom-Stein-Straße Halteverbotsschilder aufgestellt. Geparkt wird dann allerdings doch. Offenbar wird das toleriert. Kleiderdepot ist eingerichtet.

 

Verpflegung:

8 Verpflegungs- und Getränkestationen mit Wasser, Iso, teilweise Tee und Cola, Bananen

 

Zuschauer:

Viele Zuschauer im Ziel auf der Regattatribüne, auch auf der Strecke an den Aktionspunkten und bei den Musikgruppen.

 

Informationen: Westenergie Marathon Rund um den Baldeneysee
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