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Laufberichte

Meer und mehr

 

Ein Sightseeing-Spot ist ohne Zweifel aber auch die die Altstadt in einem Bogen umschließende Ringstraße, in die wir schließlich einbiegen. Atatürk Caddesi (wie auch sonst? …) heißt sie und ist mit ihren zahlreichen Boutiquen, Lokalen und Cafes eine „der“ Flanier- und Einkaufsmeilen Antalyas. Turmhohe Palmen reihen sich an ihr wie Perlen an einer Kette aneinander, dazwischen fließt ein von weißen Tulpen eingefassten Kanälchen, ab und an rattert eine rote Straßenbahn hindurch. All das verleiht diesem Boulevard ganz besonderen Charme. Freunde alter Gemäuer kommen gleichfalls auf ihre Kosten, folgt doch der Ring der historischen Altstadtmauer. Das Prunkstück mittendrin: Das Hadrianstor. Das als Triumphbogen mit drei Durchgängen gestaltete Tor, flankiert von wuchtigen Wehrtürmen, ist gleichfalls ein Relikt aus der Römerzeit (130 n. Chr.). 

Schließlich verlassen wir den Altstadtring in südöstlicher Richtung und passieren gleich darauf bei km 5 das sich nahtlos in die Stadt fügende Atatürk Stadion, einst Heimat von Antalyaspor, Antalyas Vertreter in der Süper Lig, der ersten türkischen Fußballliga, und noch 2011 Ziel aller Runtalya-Distanzen. Aufgrund seiner maroden Substanz wurde das Stadion jedoch nicht nur für den Fußballspielbetrieb, sondern auch als Marathonziel ausgemustert. Nicht wundern würde mich allerdings, wenn hier ersatzweise irgendwann ein weiteres Shopping Center gen Himmel sprießen würde.

Die nächsten Kilometer bringen uns wieder nahe an die Steilküste heran. Ein Genuss ist der Blick durch die sorgsam angelegten kleinen Küstenparks, hinein in die unendliche Weite des Meereshorizonts. Nicht immer ein Genuss ist der Blick dagegen in die andere Richtung, vor allem, wenn sich unser Kurs ein wenig von der Küste entfernt. Ein Hochhaus, typischerweise 10- bis 12-geschossig, reiht sich das andere, außerhalb des Stadtzentrums dominiert zumeist stereotype Zweckarchitektur, die Kehrseite einer Boomtown. Doch es gibt Ausnahmen: Gerade in den Toplagen an der Küste sind immer mehr dieser Hochhäuser chic und edel gestylt: viel Glas, große Balkons, Topzustand. Der Meeresblick aus luftigen Höhen muss überwältigend sein. Und für das passende Ambiente scheint es genug zahlungskräftige Klientel zu geben. 

Etwa bei km 8 bahnt sich ein entgegen kommendes Fahrzeug seinen Weg. Im Gefolge: ein kleines, flinkes Männlein. Der Führende der Halbmarathonis ist bereits auf dem Rückweg. Nur kurz darauf muss ich staunen: Auf Platz drei und vier folgen doch tatsächlich zwei Frauen. Und ich kenne sie: Es sind die „Nurgalieva-Twins“. Geradezu Legenden sind die russischen Zwillingsschwestern Elena und Olesya, allerdings nicht in Europa, sondern in Südafrika, wo die beiden Russinnen schon seit Jahren jeweils wechselseitig die beiden ersten Plätze bei den beiden größten Straßenultras der Welt, dem Two Oceans und dem Comrades Marathon (56 bzw. 89 km) unter sich ausmachen. Anscheinend ist das hier für sie ein Trainingsläuflein zum Aufwärmen.

Auf einmal ist er da, der Wendepunkt für die Halbmarathonläufer. Ich beneide sie nicht, denn die schönere Streckenhälfte kommt erst noch.   

 

Immer der Küste entlang

 

Schlagartig wird es ruhiger auf der Straße. Fast meditativ geht auf der Lara Caddesi immer weiter gen Osten dahin. Nur das auf den nächsten Kilometern durchgängige schmale Band des Küstenparks trennt uns von der dramatisch abfallenden, wild zerklüfteten Steilküste. Wer Zeit hat, dem sei ein Spaziergang direkt entlang der Abbruchkante empfohlen. Wir müssen zwar auf der Straße bleiben, werden aber auch hier immer wieder von wundervollen Panoramablicken belohnt.

Etwa bei km 14 werden wir von der Straße über einen gepflasterten Weg abgeleitet, der uns durch einen  mit Palmen, Büschen, Schilf und Sukkulenten hübsch arrangierten Park und sodann über ein kräftig dahin strömendes Flüsslein führt. Das wäre als solches an sich nicht weiter erwähnenswert, würde das Wasser nicht ein paar Meter weiter rechts gen Meer dumpf rauschend und donnernd im Nichts verschwinden. 40 Meter stürzen hier die Fluten des Düden im freien Fall ins Meer hinab. Gerade jetzt, zu Zeiten der Schneeschmelze, sind es beachtliche Wassermassen, die sich über den Felsabbruch  ergießen.Von der Laufstrecke aus bekommen wir das Spektakel zwar zu hören, aber leider nichts zu sehen.

Den besten Blick auf die Düden Kiyi Selalesi, die unteren Düden-Wasserfälle, hat man von dem gleich neben den Wasserfällen ins Meer ragenden Felssporn und dem dort angelegten Genclik Parki. Den durchqueren wir zwar, doch die paar Meter zum Aussichtspunkt sind nicht im Streckenprogramm. Schade eigentlich, vielleicht befürchtet man touristische Kollisionen. Aber so hat man einen guten Grund für einen vor- oder nachmarathonischen Besuch.  

 

Lara

 

Kurz darauf endet der Küstenpark. Ein weitläufiges Kasernengelände verhindert den weiteren Blickkontakt gen Meer. Wir tauchen ein in den tourismusgeprägten Stadtteil Lara. Hier läuft die Steilküste aus und wird abgelöst von einem viele Kilometer langen Sandstrand. Die zentrumsnahen Gebiete Laras werden vor allem von den Türken selbst als Urlaubsziel genutzt. Für uns bedeutet das Erreichen Laras insbesondere eines: Es geht abwärts. Ein längeres, bis ca. km 16  währendes Gefällestück verleiht dem Lauf zusätzlichen Schwung. Dabei können wir uns zumindest mental schon einmal darauf einstellen, diesen Höhenverlust auf dem Rückweg wieder abarbeiten zu müssen. Ansonsten ist der Antalya-Parcours aber flach, also durchaus für schnelle Zeiten geeignet.

Beim Club-Hotel „Sera“ erreichen wir (zumindest fast) das Meer. Ab hier folgen wir einem rot gepflasterten Uferweg. Dieser wird links von einem parkartigen Gelände mit Picknickplätzen und Grillstationen, rechts vom breiten, unverbauten Sandstrand gesäumt. Landschaftlich sind die beiden folgenden Kilometer ohne Zweifel ein besonderes Highlight des Streckkurses. Nirgends sonst kommen wir den Meeresfluten näher.  

Vom Küstenweg werden wir schließlich auf die etwas strandfernere Küstenstraße gelotst. Fast unwirklich, wie aus einer fremden Welt taucht am Horizont die Skyline der Hotelzone von Lara Beach aus der weiten, platten Küstensavanne auf. Entlang des breiten Sandstrandes reihen sich hier inmitten der „Pampa“ etwa zwanzig Hotels der 5 Sterne-Klasse, keines älter als 15 Jahre.

In die Kategorie Bettenburgen fallen sie alle, doch sind es solche, bei den Architekten und Baudesigner ihre Fantasien ausleben durften. So etwa darf man bei Hotels mit Namen „Titanic“ oder „Concorde“ auch erwarten, dass sie so ausschauen wie sie heißen. Ansonsten reicht das gestalterische Spektrum von ultramodern bis zu kitschig-protzig. Allen gemein ist allerdings: gigantische Poollandschaften, ein Sport-, Wellness- und Spa-Programm vom Feinsten und natürlich „All inclusive-Buffets“, die einen jegliche guten Vorsätze vergessen lassen.

Schnurgerade führt die Küstenstraße der Silhouette entgegen. Markant zeichnen sich vor allem die goldenen Stupas des Delphin Diva und die Chrysler Building-Turmimitate des Delphin Imperial am Himmel ab. Zur Linken zieht eine unerschlossene wilde Dünenlandschaft an uns vorbei, zur rechten geben sich Strandclubs, Freiluftdiscos, Ko-Kart-Bahnen und Strandlokale die Klinke. Allen gemeinsam: Sie sind im Moment komplett verwaist.

Anders als 2011 tauchen wir in die Hotelzone jedoch nicht mehr ein. Ein scharfer Linksknick bringt uns zwar noch vor bis zur Haupteinfallstraße in Richtung der Hotels. Doch just hier ist bei km 21,1 der Wendepunkt eingerichtet.

 

Und alles wieder retour

 

Genau den Weg, den wir bis hier her genommen haben, gilt es nun nochmals abzulaufen, nur jetzt in umgekehrter Richtung. Die erste lange Gerade retour auf der Küstenstraße ist dabei mehr etwas zum Durchbeißen als zum Genießen. Genau umgekehrt verhält es sich dafür auf dem folgenden roten Strandweg. Überaus beeindruckend sind die viele Meter empor schießenden Gischtfontänen der Wellen, die sich am befestigten Uferpark des Sera Hotels brechen. Zähne zusammen beißen heißt es gleich danach. Auf der langen Steigung gen Düden Park gibt sich dennoch niemand die Blöße zu marschieren.

Reichlich Flüssiges gibt es nicht nur an den zahlreichen, alle 2,5 km eingerichteten Getränkestationen, sondern leider nun auch von oben. Irgendwie hat es die Wettervorhersage mal wieder geschafft, gründlich daneben zu liegen. Zumindest passt die trübe Stimmung am Himmel zu meiner konditionellen. Und auch die aufmunternden Worte meines locker an mir vorbei ziehenden M4Y-Autorenkollegen Anton sind mir da wenig Trost. Cola-Doping und Frischobst bringen meinen müden Beinchen nur kurzzeitig einen Regenerationsschub. Aber irgendwie hat man als Marathonläufer ja so eine gewisse Leidensfähigkeit als Grundtugend verinnerlicht. Umso intensiver dürfen wir das Gefühl der „Erlösung“ erleben, wenn wir unser Ziel erreichen.

 

Es endet, wo alles begann

 

Schon von Weitem ist der riesige Start- und Zielbogen auf dem Yıl Bulvarı zu erspähen. Genau genommen hat man einfach eine vorhandene Fußgängerbrücke mit Bannern und Plakaten verkleidet und zum Einlauftor umfunktioniert. Oben von der Brücke kann man das Treiben gut beobachten.

Ein überaus herzlicher Empfang wird uns bereitet. Musik liegt in der Luft, Fahnen wehen im Wind, Beifallklatschen und Anfeuerungsrufe begleiten uns auf den letzten Metern. Die bestens gelaunte Zielmannschaft wiegt schon mal im Tanzschritt umher, wenn sie nicht gerade einen der eintröpfelnden Ankömmlinge lachend mit der Finisher-Medaille dekoriert.

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Informationen: RUNATOLIA Antalya Marathon
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