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Laufberichte

Ich bin wieder da!

08.03.09
Autor: Klaus Duwe

„Ich kann wieder laufen“, freue ich mich. Ein 30minütiges Läufchen mit zwei Gehpausen kurz vor Weihnachten macht mich glücklich. Die Leidenszeit hat ein Ende. Beim zweiten Mal geht’s auch ohne Pause und die nächste Runde dauert schon 10 Minuten länger. Jetzt bloß nicht übertreiben. Geht gar nicht, ich hab Muskelkater, wie nach einem Marathon.

„Der Körper vergisst keinen Marathon,“ hat mich mal mein Arzt gewarnt. Zum Glück ist das so. Als sich nämlich die Einheiten erst häufen und sich dann mehr und mehr in die Länge ziehen, spürt er wieder, dass er zwar außer Form (auch wegen 10 Kilos zusätzlich), aber dennoch für’s Laufen, für’s lange Laufen,  gedacht ist.   

Die Fortschritte sind ermutigend. Ende Januar buche ich Antalya. Ein Wochenende unter südlicher Frühlingssonne soll mich belohnen und motivieren. Und vielleicht, wer weiß, vielleicht könnte ich ja …

Ich wage den Gedanken nicht zu Ende denken. Ich habe an allen bisherigen Marathons in Antalya teilgenommen. Meine letzte Serie. Wäre schön, sie könnte halten. Nicht verbissen, aber regelmäßig ziehe ich mein Training durch. Kein Wetter ist zu schmuddelig, kein Schnee zu hoch und kein Wind zu kalt. Dafür habe ich viel lange wehleidig aus dem Fenster geschaut. Mitte Februar laufe ich 30 Kilometer am Stück. Ein Ultra. Ich habe das Gefühl, es geht noch mehr. Ich will ihn machen, den Runtalya, den Öger Marathon.

Der erste Öger Marathon in Antalya war gleichzeitig meine erste Reise in die Türkei. Auch heute ist es so, dass 2/3 der deutschen Teilnehmer (immerhin ungefähr 700 insgesamt) das Land, das sich über zwei Kontinente erstreckt, erst durch den Marathon in Antalya kennenlernen. Damit hat die Veranstaltung eine der ihr zugedachten Aufgaben bereits erfüllt. Eine andere Vision der Verantwortlichen ist, den Laufsport in der Türkei populärer zu machen. Auch da ist man auf einem guten Weg. 2700 Läuferinnen und Läufer alleine beim Marathon, Halbmarathon und 10km-Lauf sind eine stolze Zahl. Zwar ist der Ausländeranteil ziemlich hoch (40 Nationen nehmen teil), aber die 3500 Teilnehmer am kostenlosen Volkslauf sind meist Einheimische. Apropos Startgeld: Am Sonntag ist Weltfrauentag und Öger stiftet aus diesem Anlass allen Frauen einen Freistart.

Der Runtalya, wie sich der Öger Marathon in Antalya jetzt nennt, ist bereits die zweitgrößte Laufveranstaltung in der Türkei. Nur der Marathon in Istanbul hat noch mehr Teilnehmer. Auch das Medieninteresse ist sehr groß. Das Staatsfernsehen schaltet von 7:45 bis 13:00 Uhr immer wieder live zum Runtalya.

Stars der Veranstaltung sind neben den Eliteläufern aus Kenia, Äthiopien und Russland aber vor allem zwei Deutsche. Eine, Sigrid Eichner, wird wegen ihrer unglaublichen Zahl von Marathon-Finishes (1.359) gesondert geehrt und vom Publikum beklatscht. Auch der andere, Dietmar Mücke, erobert mit dem lustigen Pumuckl-Kostüm und seinem Lachen die Herzen der Türken im Sturm. Ungläubig schütteln die Zuschauer den Kopf, als man ihnen erzählt, dass der verrückte Deutsche barfuss läuft. Ob er auch etwas türkisch spreche, wird er gefragt. „Leider nur ein Wort,“ gibt er zu. Raus damit. „Efes!“ Wieder Gelächter. Efes ist eine bekannte türkische Biermarke.

Dass der Dietmar als Bayer gerne ein Bier trinkt, ist bekannt und normal. Nicht ganz „normal“ ist, was er läuferisch so drauf hat: Marathon barfuss unter 3 Stunden zum Beipiel, oder 145 Kilometer in 24 Stunden, ebenfalls barfuss. Mit Schuhen schafft er sogar 80 Kilometer mehr.

Präsentiert und geehrt werden die beiden auf der Pasta-Party, die dieses Jahr erstmals in der SheMall, einem nagelneuen Einkaufszentrum, stattfindet. Dort gibt es auch die Startunterlagen. Vural Öger eröffnet die Veranstaltung offiziell und stellt sich anschließend klaglos in die Reihe, um sich mit einer Portion Nudeln für den morgigen Volkslauf zu präparieren.

Dass der Runtalya einer meiner Favoriten ist, ist auch ein Grund, warum ich ihn mir für mein Comeback ausgesucht habe. Ein anderer ist, dass ich mich hier nicht so beobachtet fühle. Schließlich kann so ein Vorhaben ja auch schief gehen. Da habe ich mich aber gewaltig getäuscht. „Läufst du wieder?“ „Toll, ich drücke die Daumen.“ Ich bin gerührt – und nervös. Was ist, wenn ich schlapp mache? Das Mitleid könnte ich nicht ertragen.

Vor keinem Lauf habe ich bisher richtig gut geschlafen. Aber für diese Nacht ist das Luxusbett im Design-Hotel The Marama pure Verschwendung. Der Handyweckruf um 4.45 Uhr ist wie eine Erlösung. Ich schaue aus dem Fenster auf das ruhige Meer. Kein Palmzweig bewegt sich und die Wolken haben sich verzogen. Es wird ein schöner Tag. Ich spüre Kraft und Zuversicht.

Die Veranstalter haben viel probiert, keine Strecke war wie die andere. Mal war eine Baustelle im Weg, mal stand der Optimierungsgedanke Pate. Was den Startplatz betrifft, hat man jetzt auf der Konyaalti-Straße gegenüber dem Antalya Museum eine geniale Lösung gefunden. Der Platz liegt hoch über dem Meer und man hat einen herrlichen Blick auf den Konyaalti-Strand und auf die Taurus-Berge.

Ich laufe wie ein aufgescheuchtes Huhn umher, kann mich nicht satt sehen und freue mich über jeden Gruß und jeden guten Wunsch. Ich bin dabei. Meine Gefühle fahren Achterbahn. Dankbarkeit und Freunde, Respekt und Glück. Ich treffe Leute, die habe ich zuletzt vergangenes Jahr in Antalya getroffen und solche, die mir fast jedes Wochenende über den Weg laufen. Es ist wie zuhause. Oder ist man als Marathoni einfach überall zuhause?

Es hat Tradition, dass man behinderten Sportlern die Möglichkeit gibt, im Rolli die Marathonstrecke zu absolvieren. Sie starten als erste um 7.45 Uhr. Dann wird es ernst. Die Nationalhymne wird gespielt. Die Türken stehen stramm und singen mit. Die rote Fahne mit Stern und Halbmond ragt in den blauen Himmel. Um 8.00 Uhr ist Start, die Marathonis gehen gemeinsam mit den 10km-Läuferinnen und –Läufern auf die Strecke. Wie ein Junkie sauge ich die Atmosphäre in mich auf.

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Informationen: RUNATOLIA Antalya Marathon
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