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Laufberichte

Wie im Museum

23.05.10
Autor: Klaus Duwe

„Crazy World“ heißt das Album der Scorpions und „Winds of change“  die Hymne, die um die Welt geht. Man schreibt das Jahr 1990. Glasnost und Perestroika ermutigt die Saeima, Lettlands  Parlament, sich von der Sowjetunion zu lösen und für unabhängig zu erklären. Gorbatschow lässt das  Parlamentsgebäude zweitweise mit Militär besetzen. Aber am 21. August 1991 erhält Lettland  seine Unabhängigkeit und Riga wird die Hauptstadt. Eine wechselvolle Geschichte, in der das Land an der Ostsee Spielball der Kirchen und Großmächte war, ist zu Ende.

2004 wird Lettland Mitglied er EU, bezahlt wird aber noch mit Lats (0,70 Ls = 1 Euro). Rund ein Drittel der 2,3 Mio Einwohner leben in der Hauptstadt. Damit ist Riga die größte Stadt der drei Baltischen Staaten (Lettland, Litauen, Estland). 

Zwei Stunden dauert der Flug ab Frankfurt, aber drei Stunden nach Abflug kommt man erst an. Die Uhren werden nämlich eine Stunde vorgestellt. Die Taxifahrt (es gibt auch einen Bus) dauert nur  ca. 15 Minuten, dann ist man in der Altstadt. Dort sollte man in einem der zahlreichen sehr guten Hotels (z. B. Avalon) sein Quartier haben, denn dann kann man einen Stadtrundgang und alles, was mit dem Marathon zu tun hat, zu Fuß erledigen.

Schon auf der Fahrt über die Vansu-Brücke bekommt man einen Eindruck von der prachtvollen Alstadt, die von der Düna (lettisch: Daugava) auf der einen und dem Stadtkanal und einem fast geschlossen Grüngürtel auf der anderen Seite eingegrenzt ist. Berühmt ist Riga wegen seiner Jugendstilbauten und auch deshalb gehört es zum UNESCO Weltkulturerbe.  Beim ersten kleinen Stadtrundgang habe ich dann endgültig das Gefühl, durch ein Museum zu gehen. Jede Gasse hat ihre Eigenart und jedes Gebäude prachtvolle Verzierungen und kunstvolle Details. 

Über holpriges Kopfsteinpflaster kommt man zum  Schloss. Eine Unmenge lettischer Fahnen und ein paar Wachsoldaten verraten, dass es sehr bedeutungsvoll ist. Tatsächlich residiert hier seit der Unabhängigkeit der lettische Präsident. Erbaut wurde das Schloss im 14. Jahrhundert.  Die lettische Flagge, so schlicht sie in rot-weiß-rot oberflächlich betrachtet auch aussieht, ist eine ganz besondere. Es gibt sie seit dem 13. Jahrhundert und sie ist somit eine der ältesten Flaggen überhaupt. Das „lettisch-rot“ ist sehr dunkel und der weiße Streifen nur halb so breit wie die zwei roten. Es soll ein blutgetränktes Leinentuch darstellen, in das ein Stammesfürst zur letzten Ruhe gebettet wurde. Die roten Streifen symbolisieren sein vergossenes Blut, der weißte Streifen den Leichnam. 

Kommt man zu dem „Drei Brüder“ genannten Gebäudeensemble in der Maza Pils iela , glaubt man sich in eine andere Zeit versetzt. Das Haus rechts ist das älteste der drei und stammt aus dem 15. Jahrhundert. In ganz Riga gibt es kein älteres Wohnhaus. Das Haus in der Mitte und das links stammen aus dem 17. Jahrhundert. Es waren ursprünglich Wohn- und Geschäftshäuser. In den Holzdecken sind Öffnungen, durch die man Waren befördern konnte.

Zum Domplatz mit dem 1211 erbauten Dom, der größten baltischen Kirche (5000 Menschen finden darin Platz), ist es nur ein Katzensprung und ein paar Gassen weiter ist man auf dem Rathausplatz mit dem Schwarzhäupterhaus, einem der Wahrzeichen Rigas. Seit 1334 spricht man von diesem Gildehaus, in dem sich Kaufleute und die deutsche Bürgerschaft trafen. Der aus rotem Backstein gemauerte Giebel ist reich mit Reliefs und Skulpturen verziert und hat wohl holländisch-flämische Zunfthäuser zum Vorbild. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus von den Deutschen schwer beschädigt und später von den Russen abgerissen. Zur 800-Jahrfeier der Stadt Riga wurde die Rekonstruktion 1999 fertiggestellt.

Ein Laufbericht ist kein Reisebericht – und so sollen die kurzen Beschreibungen und die Bilder auch nur ein Appetitanreger sein. Kommen und genießen müsst Ihr schon selber.  Trotz der im Vergleich zu unseren Breiten deutlich niedrigeren Temperaturen (im Sommer durchschnittlich 17 Grad) spielt sich das Leben in Riga abends im Freien ab. Jede Kneipe hat ihren Außenbereich und wird es tatsächlich mal zu frisch, reicht der Wirt eine Decke. Die ganze Altstadt ist voller Leben mit viel Musik, Bier und Unterhaltung. Ich spreche mit einem Landsmann über die Szenerie und er sieht es genau wie ich: nirgendwo sind die Mädels hübscher, die Röcke kürzer und High-Heels higher.

Als Nörgler würde man sagen, der Riga Marathon hat im Vorfeld ganz schön lange Wege. Die Startnummern bekommt man im Hotel Latvija in der Neustadt und die Pasta-Party ist entgegengesetzt im Hotel Island am anderen Düna-Ufer. Man kann es auch positiv sehen und auf dem Weg viele Sehenswürdigkeiten entdecken.  Das Freiheitsdenkmal zum Beispiel, das zu Zeiten der ersten Unabhängigkeit (1931-35) errichtet wurde. Wer sich die Figuren am Fuße des Denkmals genau anschaut erkennt, dass alle stolz blickenden Figuren wie auch die Statue nach Westen blicken. Die als Gefangene dargestellten Figuren blicken nach Osten.  Dass das Denkmal während der Sowjetzeit nicht abgerissen wurde, ist der Trickserei des Bürgermeisters zu verdanken. Es sei baufällig und gefährde den Verkehr, meinten die Sowjets. Da erklärte das Stadtoberhaupt den Bereich kurzerhand zur Fußgängerzone.

Im sich anschließenden Park steht die 1884 erbaute Christi-Geburt-Kathedrale. Leider ist von der ursprünglichen Innenausstattung nicht viel übrig geblieben. Die Sowjets betrieben in der Kirche nämlich ein Planetarium und ein Café, das man „Gottes Ohr“ nannte.

So, jetzt sind wir vor dem modernen Hotelpalast und können unsere Startnummer in Empfang nehmen. Außer einigen Verkaufs- und Infoständen der Sponsoren gibt es nichts zu sehen.

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Informationen: Riga Marathon
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